Streit um abgesagte Lesung: Klimaaktivistin wirft VHS Götzis und Gemeinde Zensur vor

Klimaaktivistin und Autorin Marina Hagen-Canaval übt harsche Kritik an Vorgehensweise der Volkshochschule (VHS) Götzis, diese verweist auf ihre überparteiliche Linie.
Wer mit Marina Hagen-Canaval zu tun hat, muss mit Widerstand rechnen. Im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Die Umweltaktivistin war Sprecherin der 2024 aufgelösten Klimabewegung „Letzte Generation“ und ist bekannt dafür, Auseinandersetzung notfalls auch juristisch auszutragen. Sie wurde bei einer Protestaktion unsanft aus dem Landtag getragen, legte Beschwerde gegen die Polizei ein, stritt mit der Funkenzunft. Jetzt steht sie erneut im Zentrum eines Konflikts, diesmal in ihrer Heimatgemeinde Götzis, wo sie sich seit März 2025 für die Grünen engagiert.
Dort sollte sie am 23. Juni ihr jüngst erschienenes Buch „Widerstand. Eine Liebeserklärung an die Unbequemen“ präsentieren. Der Lesungstermin, ihr erster in Vorarlberg, war mit dem Bibliotheksteam bereits im Mai vereinbart worden. Nach der Ankündigung im Newsletter der Volkshochschule Götzis am 5. Juni wurde die Veranstaltung jedoch abgesagt. Die Autorin wurde nicht direkt von der Leitung informiert, sondern erst einige Tage später über eine Mitarbeiterin der Bibliothek. Hagen-Canaval wirft der VHS Götzis und der Gemeinde nun Zensur und politische Intervention vor.

“Verfassungsrechtlich problematisch”
In einem Schreiben an VHS-Leiter Stefan Fischnaller und Bürgermeister Manfred Böhmwalder spricht sie von einer „unzulässigen Form staatlicher Einflussnahme auf die Meinungs- und Kunstfreiheit“ und einer „verfassungsrechtlich problematischen Vorzensur“. Ihr sei gegenüber auf „organisatorische Gründe“ verwiesen worden, ohne Angebot eines Alternativtermins. Nach eigenen Angaben habe sie „viele verschiedene Absagegründe“ recherchiert, von denen keiner „stichhaltig, der Wahrheit entsprechend oder sachlich nachvollziehbar“ sei.
Zwischen ihr und der Bibliothek, so Hagen-Canaval, habe ein unentgeltlicher Vertrag bestanden. Im Vertrauen auf dessen Durchführung habe sie Lesung und Bewerbung vorbereitet, Bücher bestellt und Ausgaben getätigt. Die Summe: 415,13 Euro. Für die Begleichung setzt sie der Gemeinde eine Frist bis zum 20. Juni, auch ihre Bankverbindung nennt sie im Email „Ich bin an einer gütlichen außergerichtlichen Einigung interessiert, scheue aber die gerichtliche Auseinandersetzung auf Schadenersatz nicht“, schreibt sie. Dass sie Rechtswissenschaften studiere, erwähnt sie ausdrücklich.

VHS-Geschäftsführer Stefan Fischnaller zeigt sich über die Forderung überrascht. „Ich finde es nicht wirklich angebracht, dass man sofort Schadenersatz geltend macht“, sagt er gegenüber der NEUE. Man werde das in der nächsten Vorstandssitzung besprechen. Absagen seien im Bildungsbetrieb grundsätzlich nichts Ungewöhnliches. „Das passiert immer wieder, aus verschiedensten Gründen.”
Auf die Kritik der Autorin reagiert Fischnaller zurückhaltend, aber bestimmt. Die Entscheidung zur Absage sei nicht als politisches Urteil über die Person zu verstehen, vielmehr sei es um die politische Aufladung der Veranstaltung gegangen. „Wir möchten uns da einfach nicht exponieren. Das hat mit Zensur nichts zu tun.“ Bestätigt worden sei dieser Eindruck durch eine spätere Anfrage der Grünen Liste Götzis, ob sie im Rahmen der Lesung einen Scheck an die VHS übergeben dürfe.
In Absprache mit dem Vorstand und dem Bürgermeister
Fischnaller hat nach eigenen Angaben erst durch den Newsletter vom 5. Juni von der geplanten Veranstaltung erfahren. Am Tag darauf habe er nach Rücksprache mit dem VHS-Vorstand und Bürgermeister Manfred Böhmwalder die Absage entschieden. Dass Hagen-Canaval erst Tage später davon erfahren habe, könne er nicht nachvollziehen. „Ich habe mit meiner Mitarbeiterin vereinbart, dass sie gleich darüber informiert, dass die Veranstaltung nicht stattfindet.“ Gleichzeitig räumt er ein: „Ich habe zu spät von der Veranstaltung erfahren, das kann ich mir vorwerfen.
Die Volkshochschule stehe grundsätzlich allen offen. Politische Veranstaltungen müssten jedoch klar als solche deklariert und formal angemeldet werden. „Alles andere, was politisch gesehen oder missbraucht oder genutzt werden kann, habe ich lieber nicht bei mir im Haus.“ Die Situation sei derzeit allgemein aufgeheizt, so Fischnaller.
Kritik, wonach andere politisch geprägte Veranstaltungen in der VHS zugelassen worden seien, etwa ein Vortrag mit dem Sicherheitsexperten Generalmajor Erich Bauer, früher Kabinettschef des damaligen Verteidigungsministers Günther Platter (ÖVP), weist Fischnaller zurück. Dabei habe es sich um eine Buchung durch den Kameradschaftsbund gehandelt. „Die haben bezahlt, und Bauer ist kein Mitglied der Gemeindevertretung“, so Fischnaller. Die VHS habe dabei lediglich Räumlichkeiten vermietet.
Bürgermeister Manfrad Böhmwalder war bis dato für eine Stellungnahme nicht erreichbar.