Klagen aus Vorarlbergs Wartezimmern: “Ich suche mir doch nicht aus, wenn ich krank bin“

Eine NEUE-Umfrage zeigt: Viele Menschen in Vorarlberg kämpfen mit Terminproblemen, fehlenden Kassenärzten und langen Wartezeiten. Was Ärztekammer und ÖGK dazu sagen.
Die kassenärztliche Versorgung sorgt in Vorarlberg zunehmend für Diskussionen. Leserinnen und Leser der NEUE schildern in einer aktuellen Umfrage persönliche Erfahrungen mit langen Wartezeiten, überfüllten Wartezimmern und dem Gefühl, dass das solidarisch finanzierte Gesundheitssystem zunehmend ins Wanken gerät.
An der Umfrage haben sich knapp 200 Leser beteiligt. 60 Prozent der Befragten gaben an, in den vergangenen drei Monaten Schwierigkeiten gehabt zu haben, einen Termin bei einem Kassenarzt zu bekommen. 72,5 Prozent mussten bereits auf Spitalambulanzen und Wahlärzte ausweichen. Letzteres ist für viele vor allem finanziell ein Problem. Fast 89 Prozent der Befragten sehen eine deutliche Verschlechterung der kassenärztlichen Versorgung in den vergangenen Jahren

Leser berichten etwa von bis zu 15 Monaten Wartezeit für eine Augenkontrolle, neun Monaten für einen Termin beim Urologen oder gar bis zu drei Jahren auf einen OP-Termin. In vielen Fällen werden Untersuchungen auf eigene Kosten in Anspruch genommen – aus Angst, sonst zu lange auf Hilfe warten zu müssen. Die Suche nach Kassenärzten, die neue Patienten aufnehmen, sei mühsam, oft vergeblich. In mehreren Fällen wurde kritisiert, dass selbst Notwendiges – etwa Herzschrittmacher-Kontrollen – nur noch über Wahlärzte möglich sei.
Dabei trifft es nicht nur Einzelpersonen. Aus dem Kleinwalsertal wird berichtet, dass die Zahl der Kassenhausärzte in nur zwei Jahren von vier auf einen zurückgegangen sei – bei 5000 Einwohnern und zusätzlich 10.000 Gästen. Die Folge: medizinische Notfälle, die nicht selten per Hubschrauber versorgt werden müssen.
Das sind die Erfahrungen der NEUE-Leser:

ÖGK: Punktuelle Überlastungen sind nicht auszuschließen
Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) verweist einmal mehr auf den strukturellen Ausbau der Versorgung. Dass es punktuell zu einer Überlastung komme, sei nicht auszuschließen. Für Fälle mit dringendem fachärztlichen Behandlungsbedarf wurde laut ÖGK ein Dringlichkeitsterminsystem eingeführt. Über Hausärzte sollen binnen zehn Tagen Termine vermittelt werden. Dass Routineuntersuchungen länger dauern, sei hingegen grundsätzlich zumutbar.
Im Bereich der bildgebenden Diagnostik – etwa MRT oder CT – verweist die ÖGK auf ein zentrales Wartezeiten-Monitoring. Die Vertragspartner seien verpflichtet, ihre aktuellen Kapazitäten laufend zu veröffentlichen. Notwendige Untersuchungen können bei ärztlich festgestellter Dringlichkeit laut ÖGK innerhalb von fünf Werktagen durchgeführt werden.
Gleichzeitig würden neue Versorgungsschienen wie psychosoziale Versorgungszentren weiter ausgebaut. Für Regionen wie das Kleinwalsertal sei das Problem nicht fehlendes Personal, sondern das Fehlen geeigneter Praxisräumlichkeiten. Solange kein Ersatz gefunden sei, werde die Versorgung über niedergelassene Ärzte im benachbarten Oberstdorf sichergestellt.

Ärztekammer: Steigender Patientendruck
Die Ärztekammer Vorarlberg mit Präsident Burkhard Walla macht auf die massiv gestiegene Arbeitsbelastung in den Kassenordinationen aufmerksam. Bereits heute seien einzelne Stellen, etwa in der Allgemeinmedizin oder der Gynäkologie, unbesetzt oder nicht nachbesetzbar. Laut einer gemeinsam mit dem Land und der ÖGK beauftragten Studie müssten bis 2030 rund 135 zusätzliche Ärzte gewonnen werden, um den derzeitigen Versorgungsstand zu halten.
Laut Walla spüren die Kassenärzte den steigenden Patientendruck tagtäglich in ihren Ordinationen. Trotz hoher Belastung werde versucht, die bestmögliche Versorgung sicherzustellen. Doch die Zahl der Kassenstellen wachse nicht im nötigen Ausmaß mit. „Es kann nicht einmal, der aktuelle Versorgungsstand gehalten werden“, beklagt Walla. Hinzu komme, dass der Sozialversicherung die finanziellen Mittel fehlen, um das Angebot auszubauen.
Psychische Belastungen
In den Leserstatements spiegeln sich auch psychische Belastungen. Wenn eine 18-Jährige mit starker Akne auf einen Kassenarzttermin bis Juni 2026 warten muss, sei das nicht nur medizinisch, sondern auch emotional untragbar, schreibt ein Leser. In einem anderen Fall hat ein Betroffener zwei MRT-Untersuchungen wegen zu langer Wartezeiten privat bezahlt. Aber nicht alle Betroffenen sind unzufrieden. Einzelne Stimmen loben das österreichische Gesundheitssystem als solches und betonen ihre Bereitschaft, auf einen Termin zu warten, solange sie sich gut betreut fühlen.
Ihre Meinung zählt
Haben Sie Schwierigkeiten, einen Kassenarzt zu finden? Mussten Sie außergewöhnlich lange auf einen Termin warten? Oder haben Sie besonders gute Erfahrungen mit Ihrer Arztpraxis gemacht? Schildern Sie uns Ihre Geschichte. Ob Frust oder Dankbarkeit: Wir möchten wissen, wie es Ihnen mit der medizinischen Versorgung in Vorarlberg geht. Schreiben Sie an: neue-redaktion@neue.at oder senden Sie uns Ihre Geschichte via www.neue.at/tipp