E-Lkw im Fahrschulbetrieb: “Ein Quantensprung in der Ausbildung”

Bei den „Easy Drivers“ kommen zwei E-Lkw von Volvo zum Fahrschuleinsatz – eine Premiere in Vorarlberg. Die NEUE durfte eine Testfahrt absolvieren und ergründete, was einer vollständigen E-Flotte im Weg steht.
Eine – im wahrsten Sinne des Wortes – elektrisierende Premiere feiern die „Easy Drivers“-Fahrschulen in Vorarlberg. Kürzlich erhielt das Fahrschulnetzwerk mit 50 Standorten in Österreich fünf Lkw der Marke Volvo, die vollständig elektrisch angetrieben werden. Zwei davon kommen in Vorarlberg zum Einsatz, wo sie an den Standorten Dornbirn und Bludenz einen klimaschonenden Weg zum Lkw-Führerschein ermöglichen. Die NEUE absolvierte eine Testfahrt auf dem Gelände des Driving Camps in Röthis unter fachkundiger Aufsicht von Fahrlehrer René Köfel.

Die wohl eindrücklichste Erkenntnis aus der Testfahrt ist die fehlende Geräuschkulisse. Egal, ob Köfel im Fahrerhaus Erklärungen ausführt oder von außerhalb des Lkw kommuniziert, dem Elektromotor sei dank kann man sich ohne Weiteres in Zimmerlautstärke unterhalten. „Das schont die Stimme des Fahrlehrers doch sehr“, freut sich Köfel.

Das bestätigen auch die Fahrschulbetreiber Michael Breuss und Martin Breuss: „Es ist für den Fahrlehrer besonders angenehm, wenn vom Lkw kein Geräusch kommt. Speziell auf dem Übungsplatz, wenn der Fahrlehrer außerhalb vom Lkw steht und der Schüler am Steuer sitzt, erleichtert es die Kommunikation sehr. Es ist ein Quantensprung in der Ausbildung.“

Auch die Praxiserfahrung der Schüler ist positiv: „Der erste Fahrschüler hat den E-Lkw schon in den Fahrstunden benutzt und die Prüfung mit ihm beim ersten Mal bestanden“, berichtet René Köfel. „Anfangs sind alle Schüler beim E-Lkw ein wenig skeptisch, weil man vor etwas Neuem ein bisschen Respekt hat“, fügt Michael Breuss hinzu. „Aber wenn sie drinnen sitzen, die Einschulung vom Fahrlehrer bekommen und sich an die technischen Neuerungen gewöhnt haben, sind alle restlos begeistert.“

Von diesen technischen Helferlein gibt es eine ganze Menge. Sie sorgen für ein einfacheres und vor allem sichereres Fahrerlebnis. So verfügt der Fahrschul-Lkw zum Beispiel über vier Kameras an beiden Seiten sowie vorne und hinten, die die Gefahr minimieren, Fußgänger und Radfahrer im toten Winkel zu übersehen. Wie bei E-Fahrzeugen üblich, verfügt der Volvo über ein Automatikgetriebe – den Schalthebel benötigt man im Alltag also meist nur, um den Lkw in den Parkmodus, Retour- oder Leergang zu versetzen.

Auch das Navigationssystem ist voll am Zahn der Zeit: Es weiß, wo beispielsweise Lkw-Fahrverbote verordnet sind, und zeigt diese auf der Karte an. Außerdem kennt die Navigationssoftware die Steigung auf der Straße, auf der man sich gerade befindet, und veranlasst das Getriebe, den geeigneten Gang zu wählen.

Für den Antrieb sorgen sechs Batterien und drei Elektromotoren mit einer Reichweite von insgesamt 400 bis 450 Kilometern. „Vollbeladen rechnet der Hersteller mit einer Reichweite von 300 bis 350 Kilometern, im Fahrschulbetrieb fahren wir aber mit leerem Laderaum“, erklärt Michael Breuss.

Für den Fernverkehr wären die Volvo-Lkw also ungeeignet, im Fahrschulalltag zahlt sich der E-Antrieb dagegen aus. „Wir müssen die Lkw nicht extern laden“, zählt Breuss einen weiteren Vorteil auf. So viel Batterieladung wie möglich soll aus Sonnenstrom kommen, dafür gibt es an den Fahrschulstandorten PV-Anlagen.

Der Umweltaspekt spielt hierbei natürlich auch eine große Rolle. Die „Easy Drivers“-Fahrschulen bieten die „Zero Emissions-Führerscheinausbildung“ an, bei der die Fahrerlaubnis für Mopeds, Pkw und nun auch für Lkw emissionsfrei angeboten werden kann. Ein Wermutstropfen: Der Führerschein für die Klasse B – darunter fallen Pkw – kann nur eingeschränkt mit E-Fahrzeugen angeboten werden. Schuld ist der sogenannte Code 78, der besagt: Wer die Führerscheinausbildung mit Automatikfahrzeugen absolviert, darf am Straßenverkehr auch nur mit Fahrzeugen teilnehmen, die ein Automatikgetriebe haben.

„Da der Großteil unserer Kundschaft einen uneingeschränkten Führerschein haben will, sind wir in der Ausbildung noch auf herkömmliche Verbrenner angewiesen“, erklärt Michael Breuß. „In der Schweiz oder in Deutschland gibt es gute Übergangsregelungen, wo man mit wenigen Fahrstunden die Schaltpraxis nachweisen kann und die Einschränkung dadurch wegfällt.“ Da eine solche gesetzliche Änderung in Österreich noch ausständig ist, wird es noch dauern, bis die Fahrschulen ihre Flotte gänzlich oder zum Großteil auf E-Antrieb umstellen können.