Strompreise – EU-Arbeitsgruppe soll Probleme erörtern

Nachdem die Bundesregierung am Dienstag in einem Brief an die EU-Kommission eine Änderung des Preisbildungsmechanismus an den europäischen Strombörsen gefordert hat, soll sich ab Jänner eine gemeinsame Arbeitsgruppe der Problematik annehmen. Das haben Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) und EU-Energiekommissar Dan Jørgensen am Donnerstag in Wien angekündigt. Laut Hattmannsdorfer solle man die Diskussion nicht am Begriff “Merit-Order-Prinzip” festmachen.
Am Dienstag hatten die Regierungsspitzen der drei Koalitionsparteien ÖVP, SPÖ und NEOS ein Ende des Merit-Order-Prinzips am Strommarkt gefordert. Noch immer würden nämlich fossile Energieträger den Marktpreis bestimmen, kritisierte Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP). Hattmannsdorfer relativierte am Donnerstag etwas. Man könne über das Merit-Order-System selbst reden, oder aber auch über die Strompreiszonen. In diese ist der europäische Strommarkt aufgeteilt, wobei innerhalb einer Zone jeweils ein einheitlicher Großhandelspreis ermittelt wird. Eine weitere Frage sei, warum der Strom aus Gaskraftwerken so teuer ist, und wie man diese Kosten senken könnte. Der Wirtschaftsminister machte hier auch eine Andeutung auf die CO2-Steuern. Deren Ziel ist es, die Nutzung fossiler Brennstoffe zu verteuern und damit erneuerbare Energien attraktiver zu machen.
Lockerung der EU-Beihilferegeln gefordert
Angesprochen wurden auch die Netzkosten für den Transit von Strom durch Österreich. Das Land müsse 70 Prozent seiner Kapazitäten an den sogenannten Interkonnektoren für den Stromtransit reservieren und will dafür besser entschädigt werden, so Hattmannsdorfer. Er fordert zudem eine Ausweitung der EU-Beihilferegeln, um mehr Industriebetriebe über die Strompreiskompensation unterstützen zu dürfen.
Hattmannsdorfer und Jørgensen waren sich einig, dass Europa wesentlich niedrigere Strompreise brauche. Diese seien zwei bis drei Mal so hoch wie in den USA und China, sagte der dänische EU-Kommissar. Er verwies in dem Kontext auf das vergangene Woche vorgestellte EU-Maßnahmenpaket zur Stärkung des Energienetzwerkes.
Jørgensen verteidigt Importstopp für russisches Gas
Hinsichtlich des kürzlich beschlossenen kompletten Ausstiegs aus russischen Gasimporten bis Ende 2027 zeigte sich der EU-Kommissar zuversichtlich, dass dies auch vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) halten wird. Ungarn und die Slowakei haben angekündigt, gegen den Beschluss klagen zu wollen. “Ich denke, sie (die beiden Länder; Anm.) machen einen großen Fehler”, so Jørgensen. Man stehe auf juristisch festem Boden. Seit Beginn der Krieges habe die EU zu einem höheren Wert Energie aus Russland importiert als sie der Ukraine geholfen habe, verteidigte er die Maßnahme.
Merit-Order-Prinzip bestimmt den Preis
Die Merit-Order (auf Deutsch Reihenfolge der Vorteilhaftigkeit oder Günstigkeitsprinzip) bezeichnet jenen am Spotmarkt im europäischen Strom-Großhandel geltenden Preisfindungsmechanismus. Dabei wird zuerst das günstigste Kraftwerk eingeschaltet, dann das zweitgünstigste und so weiter, bis letztlich genügend Strom zur Verfügung steht. Das letzte zugeschaltete Kraftwerk, im Winter oft ein Gaskraftwerk, bestimmt dann den Preis aller. Das Merit-Order-Prinzip wird auch als “Pay-as-clear” bezeichnet, weil alle Kraftwerke, die zur Deckung der Nachfrage eingesetzt werden, den gleichen Preis erhalten. Eine Alternative dazu wäre ein “Pay-as-bid”-Modell, bei dem jedes Kraftwerk, das zum Zug kommt, genau den Preis bekommt, den es geboten hat.