Tempo-30-StVO-Novelle: Das sagen Vorarlbergs Bürgermeister und Bürger dazu

18.01.2024 • 20:30 Uhr

Die Bürgermeister in Vorarlberg teilen unterschiedliche Meinungen über die Einführung von Tempo 30-Zonen. Während einige die Maßnahme begrüßen, sehen andere die Verallgemeinerung als problematisch. Die Vorarlberger sind ebenfalls gespalten.

Von Hannah Swozilek und Katharina Schad

Seit Mittwoch gibt es eine Änderung in der Straßenverkehrsordnung (StVO), die auch für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister eine erhebliche Veränderung bedeutet: Ab Sommer können Gemeinden deutlich leichter als bisher Tempo-30-Zonen im Ortsgebiet ausrufen. Das hat die schwarz-grüne Bundesregierung nun beschlossen, das entsprechende Gesetz ist in Begutachtung. Außerdem ist es nunmehr erlaubt, die ausgerufenen Tempolimits selbst zu überwachen. Kritikerinnen und Kritiker werden spätestens an dieser Stelle laut: Wird die Novelle nun dafür genutzt, die eigene Gemeindekasse durch Geschwindigkeitssünder aufzubessern? Immerhin zeigte eine Studie des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, dass von 1,2 Millionen Autofahrern, die eine Tempo-30-Zone passieren, 72 Prozent zu schnell gefahren sind.

Schon seit Jahren Tempo 30

Daniel Sandrell, Bürgermeister von Gaschurn
Daniel Sandrell, Bürgermeister von Gaschurn

Vorarlbergs Bürgermeister sind sich in einer Sache einig: Tempo 30 rund um Schulen, innerhalb von Gemeindegebieten oder überall dort, wo es schützenswerte und gefährliche Stellen gibt, ist sinnvoll. Eine flächendeckende Regel hingegen lehnt die Mehrheit von ihnen ab. Die Novelle ist außerdem nicht für alle Gemeinden eine echte Neuheit. Da­niel Sandrell, Bürgermeister der Gemeinde Gaschurn-Partenen, stellt klar: „Bei uns gilt Tempo 30 im gesamten Ortskern bereits seit über 30 Jahren.“ Auch vor den Schulen und Kitas müssen Autofahrer mit geringerer Geschwindigkeit fahren. „Wir haben sicherlich die Besonderheit, dass schon vor 30 Jahren über die Ortskern-Problematik gesprochen wurde. Deshalb hat man damals die Umfahrungsstraße, die L 188, gebaut. Sie führt bei uns nicht durch die Zentren. Tempo 30 ist dort also kein Thema“, stellt er klar. Auch von der Möglichkeit, Radarfallen im Gemeindegebiet aufzustellen, will der Bürgermeister vorerst absehen. „Ich wünsche mir bewusste Bürgerinnen und Bürger und nicht solche, die ich durch Strafen maßregeln muss. Wenn jeder sich bewusst ist, dass man gerade eine Schule passiert und dabei auf seine Geschwindigkeit achtet, dann passt das für mich. Das hat die letzten Jahre geklappt und das wird es auch weiter. Geld kann jede Gemeinde gebrauchen, aber die Gemeindekasse auf solche Art und Weise aufzubessern ist für mich keine Diskussion“, macht er seine Position deutlich.

Wenig betroffene Bereiche

Andreas Simma, Bürgermeister von Au <span class="copyright">NEUE/Archiv</span>
Andreas Simma, Bürgermeister von Au NEUE/Archiv

Auch Andreas Simma, Bürgermeister der Gemeinde Au, ist von der Novelle nur wenig betroffen. „Bei uns ist der Bereich um die Kirche der einzige Bereich, in dem die StVO-Novelle etwas verändert.“ In diesem Bereich, so stellt er klar, sei eine Tempo-Reduzierung aber durchaus denkbar. Bislang gelte an der betreffenden Stelle eine 40-Stundenkilometer-Regelung. Über die Neuerung, dass nun die Gemeinde das Tempo mittels Radarfalle kontrollieren und regulieren darf, werde in der Gemeindevertretungssitzung diskutiert werden. „Noch weiß ich nicht, ob wir von der Option Gebrauch machen.“

Entschlossenheit für Tempo 30

Anders sieht das Ganze in Lech aus. Dort führt die L 198 mitten durch den Ortskern. Eine Umfahrungsstraße wie etwa in Gaschurn gibt es nicht. Umso erleichterter schien Bürgermeister Gerhard Lucian auf Nachfrage der NEUE über die Anpassung des Gesetzes. „Wir sind schon länger dran und müssen dringend die Geschwindigkeit im Zentrum reduzieren.“ Wie genau die Umsetzung des Tempolimits aber aussieht, sei noch unklar. Die nächste Sitzung darüber findet im kommenden Monat statt. „Die Frage ist noch, ob die 30er-Zone den gesamten Ort oder nur eine Teilstrecke betreffen wird.“ Auch von der Option des Blitzens Gebrauch zu machen, kann sich Lucian gut vorstellen. „Das ist auf den 50er-Strecken schon länger Thema. In den Tempo-30-Zonen wird das dann auch diskutiert werden. Eigentlich gibt es für mich keinen Weg daran vorbei, denn irgendwie müssen wir die Leute ja dazu bringen, langsamer zu fah­ren“, zeigt er sich entschlossen.

Gerhard Lucian, Bürgermeister von Lech <span class="copyright">Paulitsch</span>
Gerhard Lucian, Bürgermeister von Lech Paulitsch

Kein Zuspruch auf Bürgerseite

Die österreichische Bevölkerung ist sich uneinig. In einer Umfrage stellte sich heraus, dass nur knapp ein Fünftel der Österreicherinnen und Österreicher (19 Prozent) sich für die Einführung eines Tempolimits von 30 Stundenkilometern ausspricht.  Mehr sind es bei den 30- bis 39-Jährigen mit 31 Prozent und bei Personen mit Hochschulstudium (28 Prozent), berichtete Auto­Scout24 am Donnerstag aus einer Umfrage. 81 Prozent sind der Meinung, dass Tempo 50 im bewohnten Gebieten weitgehend eine gute Geschwindigkeit ist und eine schnelle Reaktion erlaubt, ergab die Innofact-Umfrage im Auftrag von Autoscout. Hinzu kommt laut den Befragten, dass man in der Stadt ohnedies mit dem Auto kaum vorankomme. Das sehen vor allem die Unter-30-Jährigen zu 90 Prozent so. In der Altersgruppe mit den meisten Eltern von Kleinkindern sieht es anders aus: Die 30- bis 39-Jährigen stimmen dieser Aussage nur zu 69 Prozent zu.

Vorarlberger sind gespaltener Meinung

Auch die Vorarlberger sind teilweise skeptisch, wie eine NEUE-Umfrage deutlich macht. „Ich finde die ganze Thematik rund um Tempo 30 innerorts sehr gut. Vor allem für die Sicherheit der Kinder ist das eine gute Initiative. Dass jetzt kleinere Gemeinden unabhängig voneinander Tempokontrollen durchführen dürfen, sehe ich auch positiv. Klar bin ich jetzt keine Expertin in der Thematik, aber ich finde es durchaus gut, dass die Bürgermeister jetzt auch mehr Handhabe haben“, meint etwa Rachel Vith. Die 28-Jährige lebt in Dornbirn.

Rachel Vith <span class="copyright">Hartinger</span>
Rachel Vith Hartinger

Melanie Etter, eine 29-jährige Höchsterin hingegen sieht die Schwierigkeit im fließenden Verkehr. „Ich bin da eher dagegen, muss ich sagen. Tempo 30 zu halten, ist einfach schwierig. 40 wäre perfekt, aber 30 ist dann doch etwas wenig. Dass jetzt kleinere Gemeinden unabhängig voneinander Tempokontrollen durchführen dürfen, finde ich prinzipiell nicht schlecht. Das soll jede Gemeinde für sich entscheiden dürfen, ob sie das macht oder nicht. Auf jeden Fall besser, als wenn man sagt, überall 30.“

Melanie Etter <span class="copyright">Hartinger</span>
Melanie Etter Hartinger

Marco Rigg hingegen ist ein Befürworter von 30er-Zonen. Zumindest teilweise. „Ich befürworte Tempo 30 sehr. Egal ob in Sachen Sicherheit oder Lärm. Auch für die Menschen, die in den betroffenen Gebieten wohnen, wäre das sicher eine Erleichterung. Ich würde aber prinzipiell eher schauen, an welchen Orten oder in welchen Gebieten Tempo 30 benötigt wird und es dort dann einsetzen. Jetzt allgemein eingeführt finde ich es eher nicht gut“, stellt der 29-jährige Bregenzer klar.

Marco Rigg <span class="copyright">Hartinger</span>
Marco Rigg Hartinger

Die Verallgemeinerung der Regel ist es wohl, die vielen Bürgerinnen und Bürgern Sorge bereitet. Sie wünschen sich eher Einzelfalllösungen. So auch Kurth Mathis (58) aus Bregenz. „Grundsätzlich ist es ja kein Schaden, wenn man den Verkehr ein bisschen bremst. Aber jetzt grade allgemein in der ganzen Stadt ist es schon ein bisschen übertrieben. Dass jetzt kleinere Gemeinden unabhängig voneinander Tempokontrollen durchführen dürfen, finde ich eigentlich in Ordnung. Ich finde, das soll jede Gemeinde für sich entscheiden. Das finde ich eine gute Idee.“

Kurth Mathis <span class="copyright">Hartinger</span>
Kurth Mathis Hartinger

Dem stimmt Linus Siegfried-Zeppelin zu. Auch er meint, Tempolimits zu pauschalieren ist weniger sinnvoll, als sie gezielt dort einzusetzen, wo potenzielle Gefahren herrschen. „Ich glaube, in Lusten­au haben wir die 20er- und 30er-Zonen eh schon bei ein paar Schulen eingeführt. Ich würde sagen, in einer bewohnten Zone mit vielen Kindern oder in einer Gegend wo viele Jugendliche sind und die Leute nicht so aufmerksam sind, fährt man eigentlich sowieso nicht so schnell. Außerdem finde ich, in einer Stadt wie Bregenz kann man eigentlich ein 15er-Schild aufstellen, weil da sind 30 Stundenkilometer ja dann auch schon wieder zu schnell. Die Sache mit dem Tempolimit an sich ist bestimmt gut, man könnte es aber vielleicht auch zeitbegrenzt einsetzen. Zum Beispiel von 14 bis 18 Uhr in gefährdeten Zonen. In Industriegebieten, wo Lieferungen spät in der Nacht ankommen, macht Tempo 30 ja keinen Sinn.“

Linus Siegfried-Zeppelin <span class="copyright">Hartinger</span>
Linus Siegfried-Zeppelin Hartinger

Manuel Moosbrugger aus Bizau ist 21 Jahre alt. Er ist zwar mit der Novelle einverstanden, nicht aber mit einer pauschalen Limitierung aller Straßen auf Tempo 30 im Ortskern. „Ich finde Tempo 30 schon ein bisschen übertrieben. Ich persönlich finde das einfach zu langsam. Wenn irgendwo viel Verkehr ist, dann staut es sich dort schneller. Dass die Gemeinden das jetzt individuell entscheiden dürfen, finde ich aber in Ordnung, das passt schon.“

Manuel Moosbrugger <span class="copyright">Hartinger</span>
Manuel Moosbrugger Hartinger