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25.01.2024 • 23:00 Uhr
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Geteiltes Leid im T-Café des Vorarlberger Landestheaters anja koehler (3)

Morgen wird ein Stück, das aus Berichten jüdischer und palästinensischer Menschen aus Israel und Gaza entwickelt wurde, im , T-Café des Landestheaters zur Premiere gebracht.

Für das Klassenzimmerstück „Geteiltes Leid“ sind Lehrerinnen und Lehrer selbst an Stephanie Gräve, Intendantin des Vorarlberger Landestheaters, herangetreten: „Ob man nicht ein Stück machen könne zum Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern“ – ein Konflikt, der seit dem antisemitischen Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 einmal mehr mit den Pro-Palästina-Bewegungen auf der einen und der Kritik am wieder erstarkenden Antisemitismus auf der anderen Seite Menschen auf den Straßen aber auch in sozialen Medien gegeneinander aufbringt und auch in Schulen Fragen aufwirft.

Yael Schüler in der Inszenierung
Yael Schüler in der Inszenierung

Dialog in Schulen

Bevor die Anfrage vom Theater kam, hatte auch die Darstellerin Yael Schüler schon Ideen, die aktuellen Ereignisse mit Schülern zu thematisieren. Im Gespräch mit Arnon Hampe, der die Initiative #OhneAngstVerschiedenSein leitet, habe die Schauspielerin, die auch in Schulklassen interreligiöse Vermittlungsprojekte durchführt, überlegt, wie man Schauspieltechniken einbringen könne, wenn es darum geht, einen sicheren Raum für Emotionen zu schaffen.

Über die Regisseurin Viola Köster sei dann das gemeinsame Projekt mit dem Vorarlberger Landestheater zustande gekommen: Ein Theaterstück, das eigentlich kein Theater sei, wie Schüler sagt. Denn die Grundlage von „Geteiltes Leid“ bilden authentische Zeugenberichte, in denen betroffene Personen aus beiden Gebieten ihre persönliche Lebenssituation schildern. In fünf Monologen, die in raschem Wechsel hintereinander folgen, verkörpert Yael Schüler beide Seiten und fühlt sich in die Personen hinein, ohne Partei zu ergreifen.

„Beide Seiten werden dehumanisiert dargestellt“, beschreibt Köster die Berichte rund um den Krieg in Israel und Gaza. Die Kampfhandlungen werden begleitet von Bildern in Medien, mit welchen die Menschen zum Hass auf Andere angestachelt werden. Dagegen wollen Köster und Schüler im Stück den Fokus auf „das Menschliche“ lenken. Es soll Empathie erwecken – für beide Seiten. „Es geht mir darum, wegzukommen vom Ideologischen und hin zum Nachempfinden, was es konkret heißt, betroffen zu sein und was es für Reaktionen auslöst“, beschreibt Schüler.

Zeugenberichte

Mit der Inszenierung wollen Köster und Schüler das Publikum auch damit konfrontieren, „wie wenig man weiß“. Denn gerade im Nahostkonflikt hätten viele die Haltung, genau Bescheid darüber zu wissen über „was gut und was böse ist“.

Die Zeugenberichte hat Schüler zusammen mit einer israelischen Kollegin im Internet gefunden und obwohl es eine „ziemliche Arbeit“ und nicht immer einfach gewesen sei, sie alle durchzusehen und eine Auswahl zu treffen, sei der Zugang unkompliziert gewesen, denn die israelischen Zeugenberichte sind offiziell im Internet einsehbar und würden teilweise auch im israelischen Fernsehen gezeigt. Viel schwieriger sei die Suche nach palästinensischen Stimmen aus Gaza gewesen. Aber auch da sei Schüler in Social-Media-Platformen fündig geworden. Im Stück verkörpert wird beispielsweise ein Facebook-Eintrag von einem 14-jährigen Mädchen in Tagebuchform. Insgesamt verkörpert Schüler in den fast 50 Minuten Spielzeit jeweils zwei jüdische Israelis, zwei Palästinenser aus Gaza und einen arabischen Israeli. „Ich bin mitten unter den Zuschauern, fünf Plätze im Raum sind frei, jede Figur hat ein Objekt“, beschreibt Schüler das Setting im T-Café des Vorarlberger Landestheaters, das jenem der Klassenzimmer noch am nächsten sei.

Das Stück wurde aus Social Media-Berichten aus Israel und Gaza entwickelt.
Das Stück wurde aus Social Media-Berichten aus Israel und Gaza entwickelt.

Zustände

Durch Schülers Inszenierung erhalten die Zuschauerinnen und Zuschauer konkrete Einblicke in die Lebenssituationen und den Alltag der Figuren. Die Zeugenberichte schildern ausgewogen „von beiden Seiten“: Vom Phänomen „Schutzraum“ – den gegen Raketen speziell gesicherten Bereich der israelischen Häuser – genauso wie von den palästinensischen Flüchtlingslagern, die vom Hilfswerk der Vereinten Nationen in Schulen eingerichtet wurden und wo oft mehrere Familien in einem Klassenzimmer eine Notunterkunft finden. Es habe etwas „sehr Menschliches, was wir erzählen“, beschreibt Köster und löse auch viele Fragen aus, die im Gespräch nach dem Stück diskutiert werden.

Premiere: heute, 15 Uhr, T-Café, Bregenz, Eintritt frei.