Schwerer Übergriff: Trotzdem Freispruch

Am Frauentag im Zweifel Freispruch von sexuellen Missbrauchs von Wehrlosen: Für Gericht war nicht feststellbar, dass 26-Jähriger wusste, dass 23-jährige Bekannte schlief.
Am Internationalen Frauentag erfolgten am Freitag am Landesgericht Feldkirch in beiden Missbrauchsprozessen Freisprüche. Im zweiten Schöffenprozess wurde ein von Martin Trefalt verteidigter Angeklagter im Zweifel vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen Person freigesprochen. Das überraschende Urteil des Schöffensenats unter dem Vorsitz von Richterin Lisa Pfeifer ist nicht rechtskräftig. Denn Staatsanwältin Julia Berchtold nahm drei Tage Bedenkzeit in Anspruch. Für den Fall eines Schuldspruchs hätte der Strafrahmen ein bis zehn Jahre Haft betragen. Der unbescholtene 26-Jährige hat nach den gerichtlichen Feststellungen am 20. April 2023 in der Feldkircher Wohnung eines gemeinsamen Bekannten einen schweren Übergriff auf eine schlafende 23-Jährige begangen. Demnach hat der Angeklagte seine auf der Couch schlafende Bekannte mit dem Finger penetriert.
Der Knackpunkt für das Urteil sei aber folgender Umstand gewesen, sagte Richterin Pfeifer in ihrer Urteilsbegründung: Es sei für den Schöffensenat nicht mit der für einen Schuldspruch erforderlichen Sicherheit feststellbar, dass dem Angeklagten klar war, dass die junge Frau geschlafen habe.
Deshalb sei er möglicherweise aus seiner Sicht davon ausgegangen, dass die 23-Jährige mit der sexuellen Handlung einverstanden war. Denn wenige Minuten davor sei die Frau aufgestanden und auf die Toilette gegangen.
Klärendes Gespräch
Dass der Angeklagte keinen Tatvorsatz gehabt haben könnte, leitete das Gericht auch aus dem klärenden Gespräch zwei Wochen nach dem Vorfall mit der Frau ab. Denn dabei habe er den Übergriff weinend zugegeben. Wäre ihm während des Vorfalls bewusst gewesen, dass sie schläft, hätte er danach bei der Konfrontation mit ihr den Tatvorwurf abstreiten können.
Habe Vorfall nicht mitbekommen
Die 23-Jährige sagte, sie habe in der Nacht nichts mitbekommen und sei am Morgen mit einem Brennen in der Vagina aufgewacht. Deshalb sei sie von einem Übergriff des Angeklagten ausgegangen.
Der Angeklagte sagte vor Gericht, sie habe ihn auf der Couch mit ihren Beinen berührt. Daraufhin habe er ohne ihren Widerstand ihre Beine gestreichelt. Danach habe er sich neben sie gelegt und ihr unter die Unterhose gegriffen. Damit habe er aufgehört, als er den Eindruck bekommen habe, sie schlafe bereits.
Die betroffene Frau teilte darüber hinaus mit, sie wolle sich wegen des Vorfalls einer Therapie unterziehen.