Als Mama eine Hirn-OP im Wachzustand erlebt

15.04.2024 • 06:00 Uhr
Als Mama eine Hirn-OP im Wachzustand erlebt

2009 erhielt die gebürtige Dornbirnerin Eva Amann die Diagnose Krebs. Im Februar wurde der Mutter einer fünfjährigen Tochter ein Hirntumor entfernt – im Wachzustand.

Am 8. Februar meisterte Eva Amann ihre bisher größte Prüfung. Rund zehn Stunden wurde sie im Landeskrankenhaus Graz am offenen Hirn operiert.

Um etwaige Folgekomplikationen wie etwa den Verlust motorischer Fähigkeiten zu verhindern, befindet sich der Patient bei dieser Operationsmethode über weite Strecken im Wachzustand.

Video-Interview mit Aufnahmen von der Operation

So auch die 46-jährige Mutter und Ehefrau, die im ausführlichen Gespräch mit der NEUE am Sonntag private Einblicke in ihr Leben mit einem Hirntumor offenbart.

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„Es war ein kalter Februartag im Jahr 2009, als ich meinen ersten epileptischen Anfall hatte und schlussendlich im Krankenhaus landete. Es war der Beginn einer langen, unsicheren Reise“, erzählt die gebürtige Dornbirnerin. Die Diagnose war erschütternd, im rechten Frontallappen ihres Gehirns fanden die Ärzte ein Astrozytom von der Größe eines Pfirsichs.

Als Mama eine Hirn-OP im Wachzustand erlebt
Eva Amann kennt den Gang in das Krankenhaus nur zu gut. Handout/Amann

„Der Tumor wurde entfernt, nach meiner ersten Operation konnte ich meine linke Hand nicht mehr wie gewohnt bewegen, eine halbseitige Lähmung war die Folge“, führt die Frau fort. Trotz der niederschmetternden Umstände ließ sie sich aber nie aus der Bahn werfen. Auch nicht, als die schmerzliche Gewissheit folgte, dass der Tumor, den sie scherzhaft „Herbie“ genannt hatte, wieder ins Leben der nach ihrem Studium der Kunstgeschichte in Wien sesshaften Frau zurückgekehrt war. 

Eva Amann Hirn-OP
Eva und ihr Mann Stefan feierten eine Traumhochzeit auf Malta.Handout/Amann

Es folgten weitere Operationen, ihre Hirngeschwulst erwies sich als hartnäckig und nahm immer mehr Raum im Leben der Kunstschaffenden ein. „Ich war gezwungen, meine heiß geliebte Arbeit im Museumsquartier aufzugeben. Auch aus dem Gedanken heraus, dass Arbeitsstress das Wachstum meines Tumors beschleunigen würde“, führt Eva aus. 

Eva nimmt den Kampf mit dem Tumor auf

Davon ließ sich die Wucherung in ihrem Gehirn nicht beeindrucken. Evas Zustand verschlechterte sich, das Gehen fiel schwer, und die Lähmungserscheinungen breiteten sich weiter auf die linke Körperhälfte aus. Eva steckte nicht zurück und ließ sich nicht ihre Lebenslust nehmen – im Gegenteil.

Als Mama eine Hirn-OP im Wachzustand erlebt
Immer an ihrer Seite: Evas Mann Stefan.Handout/Amann

Das größte Geschenk für Eva und Stefan: Thalia wird geboren

In der festen Überzeugung, dass die Krankheit sie nicht besiegen werde, heiratete sie 2017 ihren Lebensgefährten Stefan Gutternigh, der in der Kämpfernatur die Liebe seines Lebens gefunden hatte. Und trotz der großen Herausforderungen, die der Alltag der beiden mit sich bringt, belohnte das Leben das Paar mit dem größten Geschenk, das sich die beiden vorstellen konnten: Zwei Jahre nach ihrer Eheschließung brachte Eva eine kerngesunde Tochter mit dem Namen Thalia zur Welt.

Eva Amann Hirn-OP
Drei Monate nach der Geburt ihrer Tochter Thalia musste Eva erneut unters Messer. Handout/Amann

„Natürlich stellt uns meine Erkrankung täglich vor neue Herausforderungen. Aber wir sind ein eingespieltes Team, und Thalia ist seit ihrer Geburt mit meinen Handicaps konfrontiert. Stefan springt dort ein, wo ich nicht kann. Vielleicht ist die Kleine deswegen eher ein ‚Papa-Kind‘“, schmunzelt die stolze Mutter. Und auch die mittlerweile vierte Operation, drei Monate nach der Geburt ihres Kindes, ließ Eva nicht resignieren: „Statt Rollator nahm ich lieber einen Kinderwagen in Anspruch, der steht einer jungen Frau einfach viel besser!“

Eva Amann Hirn-OP
Kinderwagen statt Rollator: Eva lässt sich nicht unterkriegen.Handout/Amann

Eine Operation im Wachzustand

Am 8. Februar stellte sich die junge Familie ihrer größten Herausforderung. In Absprache mit Univ.-Prof. Dr. Stefan Wolfsberger entschied sich Eva für eine Operationsmethode, die mögliche Folgeschäden auf ein Minimum reduziert. Die aber wohl für viele undenkbar erscheint, denn während des Eingriffs ist der Patient wach.

Eva Amann Hirn-OP
Im Gespräch mit ihrem Chirurgen Dr. Stefan Wolfsberger.Handout/Amann

„Ich hatte wahnsinnige Angst vor der Operation“, gesteht Eva. „Aber ich wusste, dass ich stark bleiben musste, nicht nur für mich, sondern auch für meine Familie.“ Ihr Ehemann Stefan, der während der gesamten Zeit im OP an ihrer Seite war, ergänzt: „Es war beängstigend, zu wissen, dass jemand so nahe bei ihrer Motorik operiert. Jeder Moment der OP war angespannt.“ 

Eva Amann Hirn-OP
Bei der OP wird die Sensorik während des Eingriffs überprüft.Handout/Amann

Jeder Fehler hat dramatische Auswirkungen

Über zehn Stunden operierten Dr. Wolfsberger und sein Team, schon der kleinste Fehler hätte die junge Mutter in den Rollstuhl befördert. „Während der OP wurde mittels MRT überprüft, welches Gewebe entfernt worden war. Allein der Transport in die Röhre dauerte über eine halbe Stunde, die Präzision und Sorgfalt des Teams waren beeindruckend und hat mir und Eva die Angst genommen“, erzählt Stefan, der die gesamte OP seiner Frau gefilmt hat. Auch, um den medizinischen Prozess für andere greifbar zu machen. Die Jungfamilie sucht nach Sponsoren, welche die Produktion einer TV-Dokumentation unterstützen würden.

Eva Amann Hirn-OP
Thalia ist das größte Glück ihrer Eltern.Handout/Amann

“Ich möchte mit meiner Geschichte Mut machen”

„Ich möchte mit meiner Geschichte Mut machen. Natürlich hatte ich Angst, aber ich möchte anderen Betroffenen zeigen, dass ein Leben mit einem Hirntumor möglich und lebenswert ist. Und dass Ärzte wie Dr. Wolfsberger und das Grazer Team den Kampf mit meinem unliebsamen Begleiter nicht scheuen“, schließt Eva Amann. Genau wie sie selbst.

Eva Amann Hirn-OP
Eva und ihre Tochter Thalia.Handout/Amann

Chronolgie: Das Leben mit einem Tumor

Februar 2009

Epileptischer Anfall, Diagnose: Astrozytom, Grad II  

Nach der Erstdiagnose wird die damals 31-jährige Eva Amann von Primararzt Prof. Dr. Kleinpeter in der Wiener Rudolfstiftung Wien operiert. In der Folge leidet sie an einer halbseitigen Handlähmung.

Jänner 2014

Tumor ist zurück, zweite OP

Eva muss erneut unters Messer, Chirurg Kleinpeter muss aber einen Resttumor zurücklassen.  

Juli 2017

OP in letzter Sekunde  

Evas Zustand verschlechterte sich, das Gehen wurde immer mühsamer. Kurz bevor der Tumor die Mittellinie des Gehirns überquerte, wurde sie von Dr. Stefan Wolfsberger operiert.  

Frühjahr 2019/2021

Als Mama eine Hirn-OP im Wachzustand erlebt
Vor dem Eingriff in Graz sprach Eva mit ihrer Tochter über die OP.Handout/Amann

Bösartige Entwicklung  

Nach Biopsien stellte sich heraus, dass der Tumor bösartig wurde. Dr. Wolfsberger operierte Eva zweimal, sie war damals gerade Mutter geworden.

9. Februar 2024

Operation im Wachzustand  

Dr. Wolfsberger operiert Eva im LKH Graz, zum ersten Mal im Wachzustand. Damit kann man während des Eingriffs die Sensorik und Feinmotorik des Patienten überprüfen. Auswirkungen auf das Sprachzentrum werden ebenfalls getestet.

Eva Amann Hirn-OP
Eine Aufnahme aus der mehr als zehn Stunden dauernden OP.Handout/Amann

Zur Person

Eva Amann (46) wuchs in Dornbirn auf. Nach ihrem Studium der Kunstgeschichte in Wien lernte sie ihren Mann Stefan kennen. Die beiden sind glückliche Eltern ihrer Tochter Thalia (5).

Eva Amann Hirn-OP
Eva Amann möchte mit ihrer Geschichte Mut machen.Handout/Amann

Geplante Dokumentation, Unterstützer und Sponsoren gesucht!

Im umfangreichen Gespräch mit Eva Amann und ihrem Mann Stefan erzählt das Ehepaar über sein Leben, den Umgang mit der schwierigen Krankheit und das Aufwachsen ihrer Tochter. Stefan Gutternigh ist Grafiker und Videograf. Er begleitete die Wach-OP seiner Frau mit seiner Kamera und plant die Produktion einer Doku. Unterstützer und Sponsoren für den Kampf der jungen Familie, die auch viel aus der eigenen Tasche zu bezahlen hat, können sich gerne unter 4eyes2view.com melden.

(NEUE am Sonntag)