„Ich will Diskurs und Lösungen!“

03.05.2024 • 18:13 Uhr
„Ich will Diskurs und Lösungen!“
Christoph Thoma und Bernhard Weber vor der Klarenbrunn Fabrik in Bludenz. Hartinger

Bernhard Weber (Grüne) und ­Christoph Thoma (ÖVP) diskutieren nach einem NEUE-Artikel über die „Streit:Kultur“-Reihe, ­Parteipolitik und Gemeinsamkeiten.

Herr Thoma, Herr Weber, der Auslöser für unser Gespräch ist die „Streit:Kultur“-Veranstaltungsreihe der Grünen. Herr Thoma, wo sehen Sie das Problem?
Christoph Thoma: Es gibt einen Punkt, der mich gestört hat, nämlich, dass das Ganze meiner Ansicht nach ein Etikettenschwindel ist. In der Außenwahrnehmung soll es eine überparteiliche Veranstaltung sein, aber letztlich ist es eine grüne Wahlveranstaltung. Das war der Impuls für meine Presseaussendung.
Bernhard Weber: Die Veranstaltung ist entstanden, weil wir uns gefragt haben: Ist die Demokratie in Gefahr? Wie sieht es mit unserer Diskursfähigkeit aus? Und was hat Kunst damit zu tun? Künstler nehmen oft kein Blatt vor dem Mund, darum fand ich es spannend, sie zum Dialog einzuladen. Es ist natürlich eine grüne Veranstaltung, weil wir uns die Idee überlegt haben, aber wir haben extra das Fishbowl-Diskussionsformat gewählt, damit es eben keine Wahlveranstaltung wird, bei der wir unser Programm präsentieren.
Thoma: Du sagst, du willst mit Künstlern in den Dialog treten. Ich weiß nicht, wie du das in den vergangenen Jahren gepflegt hast, aber ich war in permanentem Austausch mit Kunstschaffenden. Dafür brauche ich keine Parteiveranstaltung. Darum meine ich auch, dass das ein Etikettenschwindel ist. Aber keine Frage, der Diskurs über Demokratie ist wahnsinnig wichtig, gerade auch, weil sich die Gesellschaft verändert. Die Kirchen haben weniger Leute, die Gasthäuser sterben, aber es gibt ja auch andere Räume, in denen man sich begegnen kann.
Weber: Das stimmt, aber trotzdem finde ich es wichtig, das Heft auch einmal selbst in die Hand zu nehmen und zu etwas einzuladen. Das machen wir aber jahrein, jahraus und nicht nur zu Wahlzeiten. Ich fände es auch spannend, einmal von anderen Parteien zu so etwas eingeladen zu werden.
Thoma: Damit suggerierst du aber, dass die anderen das gar nicht machen. Aber ich sage dir ganz ehrlich, so viel, wie wir unterwegs sind – davon kannst du ja nur träumen.

„Ich will Diskurs und Lösungen!“
Christoph Thoma Klaus Hartinger

Wie ist der Austausch zwischen Ihnen beiden?
Thoma: Die Grünen in Bludenz zum Beispiel tun aktuell gar nichts, die sind gar nicht wahrnehmbar. Es gab aber Zeiten, zu denen wir toll zusammengearbeitet haben. Das fehlt mir ein bisschen, auch bei uns beiden, Bernhard, die letzten eineinhalb Jahre hat es eigentlich keinen Austausch gegeben. Manchmal habe ich das Gefühl, ihr seid keine Regierungspartei mehr, sondern schon Oppositionspartei. Auch mit dem Begriff Streitkultur: Das brauchen wir nicht, sondern eine lösungsorientierte Zukunftsdebatte. Streit schürt Zwietracht. Ich will aber Diskurs und Lösungen fürs Land.
Weber: Der Begriff Streitkultur ist für mich nicht grundsätzlich negativ behaftet. Ein streitbarer Mensch ist nicht per se ein schlechter Mensch oder einer, der Übles will. Natürlich muss es auf sachlicher Ebene bleiben, aber man darf auch für seine Position kämpfen und vielleicht findet man auch einen gemeinsamen Punkt. Darum geht es ja: gemeinsame Positionen finden, auch wenn die Meinungen diametral auseinander gehen.

Was ja zum Teil der Sinn der Demokratie ist.
Weber: Selbstverständlich. ich finde Diskursfähigkeit extrem entscheidend für Demokratie. Es braucht einen gemeinsamen Nenner, damit überhaupt was weitergeht. Es ist ja nicht so, wie oft gesagt wird, dass Politiker nur streiten und nichts passiert.
Thoma: Aber mit dem Begriff „Streitkultur“ befeuert ihr doch solche Ansichten. Das Wort „Diskursfähigkeit“, das du gerade benutzt hast, ist doch viel besser und lösungsorientierter.
Weber: Lösungsorientiert zu sein, ist wichtig, aber lustvolles Streiten auch. Das hat mit Emotionen zu tun und damit, dass man für etwas brennt. Die Frage ist nur, wie wird die Debatte geführt und wo endet sie? Im Idealfall ist die Streitkultur auch lösungsorientiert. Es geht um wertschätzende Auseinandersetzung, und da finde ich das Wort „Streitkultur“ total ok. So sehr widerspricht sich das gar nicht. Es geht nicht darum, sich anzufeinden, sondern um lustvollen Austausch. Sachlich, nicht untergriffig.
Thoma: Die Kernfrage ist doch: Wie wollen wir leben? Da gibt es viele große Themen, die wir gemeinsam erörtern können. Auf hohem Niveau und mit viel Respekt. Das erwarte ich mir, das haben wir auch im Landtag, das haben auch wir beide immer gut gepflegt. Natürlich gibt es Untergriffe, aber die sind inhaltlicher und nicht persönlicher Natur.

„Ich will Diskurs und Lösungen!“
Bernhard Weber Klaus Hartinger

Ich höre da verschiedene Zugänge, aber durchaus auch Konsens.
Weber: Was uns sicher verbindet, ist Herzblut für das Thema Kunst im Allgemeinen. Auch, wenn es teils in unterschiedliche Richtungen geht. Wir decken vielleicht unterschiedliche Felder ab.
Thoma: Wir haben sicher beide eine starke Liebe zur Kunst und zur Kulturdebatte. Und wir haben eine Diskussionsbasis, auch im Landtag. Die Masse an Kulturthemen, die wir behandeln, gab es ja früher gar nicht. Wir müssen Kultur aber noch viel stärker in den Fokus bringen, da spielen so viele Themen hinein: Bildung, Migration, Arbeit. Kulturpolitik wird immer auf die Kunstförderung reduziert, geht aber weit darüber hinaus.

Wie sieht es mit der Harmonie jetzt aus, wo die Wahlen kommen?
Weber: Natürlich gibt es unterschiedliche Positionen, die herausgearbeitet gehören, gerade auch in Wahlkampfzeiten. Dennoch sollte man immer auch überparteilich denken.
Thoma: Es ist schon harmonisch, weil wir grundsätzlich das selbe Ziel verfolgen. Wir wollen eine permanente Diskussion über Kunst und Kultur, das würden wohl auch die anderen Parteien so unterschreiben. Mir ist wichtig, dass das Thema breiter gedacht wird. Am Ende des Tages geht es ja darum, was wir alle zusammen mit unserer Gesellschaft machen. Wir würden uns nicht auseinanderdividieren lassen. Wir haben eine starke Mitte – wir müssen sie nur erreichen.

Die Thematik

Das ist vor dem Gespräch passiert
Die NEUE berichtete in einem Interview mit Eva Hammerer (Grüne) und Schauspieler Hubert Dragaschnig über die grüne Veranstaltungsreihe „Streit:Kultur“. Daraufhin meldete sich Christoph Thoma mit einer Aussendung bei der Redaktion: Künstler würden so in Parteipolitik gezogen. Die NEUE lud zum Gespräch.