Massiver Anstieg bei Firmenpleiten

12.06.2024 • 16:02 Uhr
Massiver Anstieg bei Firmenpleiten
Die Pleite des Motorenkomponentenherstellers Elko König war eine von heuer bereits drei Großinsolvenzen im Land.Hartinger

Nicht nur die Zahl der Pleiten, sondern auch die Höhe der Schulden der betroffenen Unternehmen ist im ersten Halbjahr in die Höhe geschnellt.

Die Zahl der Firmeninsolvenzen ist in diesem Jahr explodiert. Das geht aus aktuellen Daten des KSV1870 zum ersten Halbjahr hervor. Demnach wurden in den ersten sechs Monaten einer Hochrechnung zufolge 93 Unternehmen im Land insolvent. Dies entspricht einer Steigerung von 82,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dazu gab es auch so viele Großinsolvenzen wie noch nie im ersten Halbjahr, heißt es seitens des KSV1870. Auf insgesamt rund 80 Millionen Euro belaufen sich die Forderungen der Gläubiger in allen Pleiten des ersten Halbjahres – um 220 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2023. Für das gesamte Jahr werden vom KSV1870 mindestens 140 Unternehmensinsolvenzen erwartet.

Besonders betroffen waren laut Regina Nesensohn, Leiterin des KSV1870-Standorts in Feldkirch, die Bauwirtschaft, der Handel sowie der Bereich Beherbergung/Gastronomie. Alleine auf dem Bau sind seit Jahresbeginn 18 Unternehmen in die Pleite geschlittert – um zwölf mehr als noch im Vorjahr. Knapp dahinter folgten die Sparten „Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kfz“ mit 16 Fällen (+4) sowie Beherbergung/Gastronomie mit zehn Fällen, wobei es hier gegenüber dem Vorjahr vier Pleiten weniger gab.

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„Diese drei Branchen geben in der Insolvenzstatistik seit vielen Jahren den Ton an und sind aktuell für fast die Hälfte aller Insolvenzfälle verantwortlich“, erläuterte Nesensohn. Angesichts des hohen Preisniveaus in Österreich etwa im Bereich der Energie würden diese Branchen aufgrund ihrer energieintensiven Tätigkeit besonders leiden.

Regina Nesensohn KSV 1870 Standortleiterin
Regina Nesensohn leitet den KSV1870-Standort in Feldkirch. KSV1870

Bei den Gläubigerforderungen von insgesamt 80 Millionen Euro stammt über die Hälfte aus drei großen Millionenpleiten, wie die Expertin berichtet. Alleine beim Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung der Firma König in Rankweil stehen Verbindlichkeiten von 21 Millionen Euro zu Buche. Bei der Pleite des Bauträgers und Projektentwicklers Inside96 liegen die Forderungen bei 15 Millionen Euro und beim Konkursverfahren von Fleco Metallbau sind es zehn Millionen Euro.

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Insgesamt steigt laut Nesensohn der wirtschaftliche Druck auf die Betriebe und die Verantwortlichen müssten um jeden Euro kämpfen. Immer mehr spitze sich die Lage zu, meinte die Expertin: „Es ist aktuell davon auszugehen, dass sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen auch in den kommenden Monaten auf ähnlich hohem Niveau bewegen wird.“

Keine Änderung zu erwarten

Die aktuelle Dynamik wird sich nach Ansicht von Nesensohn bis zum Jahresende kaum verändern. Im Gegenteil müsse damit gerechnet werden, „dass wir im Dezember 2024 über ein Insolvenzjahr sprechen müssen, das es in der jüngeren Vergangenheit schon lange nicht mehr gegeben hat“.

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Auch österreichweit ist die Zahl der Pleiten laut KSV-Hochrechnung auf insgesamt 3308 Fälle angestiegen. 26 Prozent betrug der Zuwachs im Schnitt, wobei es im Burgenland mit einem Plus von 84 Prozent eine ähnliche Steigerung gab wie in Vorarlberg. In Tirol wurde dagegen ein Rückgang um 11,4 Prozent verzeichnet. In den übrigen Bundesländern lag der Anstieg zwischen 2,6 und 36,2 Prozent.

Zahlen sind hoch, aber doch niedrig

Der relative Anstieg bei den Unternehmensinsolvenzen sei in Vorarlberg zwar hoch, allerdings seien die absoluten Zahlen – auch im Vergleich mit den anderen Bundesländern – niedrig, teilte Wirtschaftlandesrat Marco Tittler (ÖVP) auf Anfrage mit. Er verwies auch darauf, dass heute im Verhältnis zur Gesamtzahl im Schnitt weniger Unternehmen von einer Insolvenz betroffen sind, als dies noch zur Jahrtausendwende der Fall war.
Einen Grund für die Politik gegenzusteuern, sieht der Landesrat nicht. „Während zu Zeiten von akuten Krisen sehr stark unterstützt, bewusst politisch gegengesteuert wurde und die Bereitstellung von Liquidität zu den wichtigsten Maßnahmen zählte, geht es heute darum, welche Unternehmen sich am Markt auch zukünftig behaupten können und dadurch weiterfinanziert werden“, heißt es in Tittlers Stellungnahme. Auch im Bezug auf den Arbeitsmarkt bereitet dem Landesrat die Hochrechnung des KSV1870 keine Sorgen: „Der Arbeitsmarkt in Vorarlberg ist in vielen Bereichen noch sehr aufnahmefähig.“ Für von Insolvenzen betroffene Mitarbeitende gebe es entsprechende arbeitsmarktpolitische Projekte.

Markus Wallner, Marco Tittler und Hans-Peter Lorenz
Der für Wirtschaft zuständige Landesrat Marco Tittler. Hartinger

So wie in Vorarlberg gibt es bundesweit zahlreiche Großpleiten mit Verbindlichkeiten von über zehn Millionen Euro. 36 derartiger Fälle wurden in ganz Österreich im ersten Halbjahr verzeichnet – laut KSV1870 so viele wie noch nie. Auch die Passiva liegen mit insgesamt elf Milliarden Euro auf einem Re­kordniveau. Inkludiert sind dabei allerdings auch die Pleiten aus dem Umfeld der Signa-Gruppe sowie des Unternehmers René Benko. Doch selbst ohne diese lägen die Gesamtverbindlichkeiten der Firmenpleiten bei 6,7 Milliarden Euro, heißt es seitens der KSV1870-Experten.

“Kirche im Dorf lassen”

Karl-Heinz Götze, Leiter des Bereichs Insolvenz beim Kreditschutzverband, sieht seit Ende 2023 eine deutliche Tempoverschärfung in Sachen Insolvenzen. Zugleich wies er darauf hin, dass um den Jahrtausendwechsel pro Jahr etwa zwei Prozent der Unternehmen in Österreich insolvent geworden sind, während es heute rund 1,4 Prozent sind. Die derzeit hohen absoluten Zahlen bei den Pleiten seien nicht nur den wirtschaftlichen Faktoren geschuldet. Es gebe in Österreich aufgrund zahlreicher Neugründungen einfach mehr Unternehmen. „Wir haben zwar aktuell viele Insolvenzen, aber man muss trotzdem die Kirche im Dorf lassen“, meinte Götze abschließend.