Constantini: Berührende Einblicke in das Leben ihres Vaters

26.06.2024 • 15:55 Uhr
Dietmar "Didi" und Johanna Constantini
Dietmar “Didi” und Johanna Constantini. Privat

Johanna Constantini, Tochter des an Demenz erkrankten früheren Fußballtrainers Didi Constantini, war gestern bei einer Tagung in der FH in Dornbirn.

Wie geht es Ihrem Vater?
Johanna Constantini: Den Umständen entsprechend gut. Ich habe an den meisten Tagen das Gefühl, dass er zufrieden ist. Er drückt sich verbal nur mehr sehr reduziert aus, aber freut sich, wenn man ihn besucht. Im Pflegeheim, in dem er seit drei Jahren lebt, ist er sehr liebevoll aufgehoben.

Tagung Demenz
Johanna Constantini bei der Tagung in der FH Vorarlberg in Dornbirn. FH Vorarlberg

Wann haben Sie die ersten Anzeichen der Krankheit bei Ihrem Vater bemerkt?
Constantini: Schleichend, mit dem Ende seiner Karriere ab 2011. Er hat sich zurückgezogen, war gedrückter Stimmung, alles Symptome, die in Richtung Depression gingen. Die wurde aber nie diagnostiziert.

Wann war klar, dass es eine Demenz ist?
Constantini: 2019, nach seinem Geisterfahrerunfall auf der Brennerautobahn. Damals war eine Diagnostik aufgrund eines rechtlichen Verfahrens nötig. Da gab es dann die finale Alzheimer-Diagnose.

Fh Dornbirn
Johanna Constantini ist eine von zwei Töchtern des früheren ÖFB-Teamchefs Dietmar “Didi” Constantini. Hartinger

Wie haben Sie als Familie darauf reagiert?
Constantini: Es war für uns nicht die große Überraschung. Wir haben ja vorher schon mit seinen Veränderungen gelebt, ohne einen Namen dafür zu haben. Er war aber schon auch derjenige, der gesagt hat, er sucht jetzt keine Ärzte mehr auf, nicht zuletzt aufgrund unsensibel formulierter Verdachtsdiagnosen. Mein Papa war zudem nicht der Typ, der Ärzten die Türen eingerannt hat.

Wie hat Ihr Vater auf die Diagnose reagiert?
Constantini: Es war ein gemeinsames Umdenken, wie wir damit umgehen, weil er doch eine Person öffentlichen Interesses ist. Es gab ja bereits Gerüchte. Die gingen in Richtung Depression, aber auch in Richtung Alkohol­abhängigkeit. Es war dann relativ schnell klar, dass wir es öffentlich machen, damit auch andere Leute damit hinausgehen, wie er es immer bezeichnet hat.

Dietmar "Didi" und Johanna Constantini
Johanna Constantini mit ihrem Vater. Privat

Wie schwierig – oder befreiend – war es, mit der Diagnose an die Öffentlichkeit zu gehen?
Constantini: Ich habe es im Nachhinein mehr als befreiend denn als schwierig in Erinnerung, weil das Versteckspielen dadurch geendet hat. Wir haben uns vorher auch nicht versteckt, aber es standen immer wieder irgendwelche Vermutungen im Raum. Mit dem Schritt in die Öffentlichkeit war dann alles klar.

Wenn Prominente betroffen sind, schafft das vermutlich doch mehr Bewusstsein in der Gesellschaft. Welche Reaktionen haben Sie damals bekommen?
Constantini: Die waren zum Glück sehr positiv, zumindest die, die ich erfahren habe. Es gab sehr wenige kritische Stimmen und sehr viel Zuspruch, bis heute eigentlich.

Zur Person

Johanna Constantini
Geboren am 19. Jänner 1992 in Wien. Studium Psychologie in Hall. Ausbildung zur Klinischen Psychologin. Lebt mit ihrer Familie in Telfes im Stubaital.
Veröffentlichungen:
„Abseits. Aus der Sicht einer Tochter“, Seifert Verlag 2020. „Abseits II. Von Lern – und Verlernerfahrungen“, Seifert Verlag 2023.
https://www.constantini.at/

Wie viel Bewusstsein bzw. Verständnis für Demenzerkrankungen gibt es Ihrer Ansicht nach in der Gesellschaft?
Constantini: Es wird sehr viel Bewusstseinsbildung betrieben und viel dafür getan, dass Demenz aus dem Schattendasein kommt. Wenn man aber in der Praxis mit Menschen arbeitet, merkt man, dass es an allen Ecken und Enden fehlt, was Unterstützungsleistungen angeht.

Wo sehen Sie konkret Defizite?
Constantini: Zum Beispiel in der Finanzierung. Für pflegende Angehörige ist es oft ganz schwierig, mehrmals in der Woche etwa mobile Dienste zu finanzieren. Es ist schwierig, Erkrankte in Anfangsstadien unterzubringen, wenn es nicht ein Pflegeheim oder eine 24-Stunden-Betreuung ist. Problematisch ist oft auch die Erreichbarkeit von Unterstützungsleistungen. Das Demenzspektrum ist allerdings sehr breit. Es gibt Menschen, die sind einfacher, und solche, die wirklich herausfordernde Verhaltensweisen entwickeln.

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Constantini ist Klinische Psychologin. Hartinger

Wie hat sich die Persönlichkeit Ihres Vaters verändert?
Constantini: Glücklicherweise meiner Einschätzung nach recht wenig. Der Papa war nie aggressiv, vielleicht mal ganz kurz, wenn ihm etwas total zu viel wurde, aber nie phasenweise. Ich habe das Gefühl, er ist bis heute, wenn er so seine Floskeln sagt, noch so wie er war, auch wenn er mittlerweile schon sehr in seiner eigenen Welt ist. Er ist schon in einem schweren Stadium. Aber es gelingt ihm immer noch ein „Super, Schatzl“ oder „I hilf dr“, wo ich ihn sehr wiedererkenne. Wir haben zum Glück auf diesem ganzen Weg auch nie das Gefühl bekommen, wir wären die Bösen, was oft passiert.

Wie hat sich Ihr Verhältnis zu ihm geändert?
Constantini: Es hat sich die letzten Jahre mit seinem Eintritt in seine eigene Welt ein Stück weit distanziert. Er fragt nicht mehr nach uns. Wir sind in mancherlei Hinsicht ersetzbar. Das hilft mir. Ich musste mich auch ein Stück weit distanzieren, weil ich ihn über viele Jahre sehr intensiv begleitet habe, aber ich habe zwei kleine Kinder, einen Beruf, eine Ehe … ich glaube aber, es ist voll in Ordnung so, für uns beide.

Fh Dornbirn
Johanna Constantini hat zwei Bücher über ihren Vater geschrieben. Hartinger

Sie haben zwei Bücher über die Erkrankung ihres Vaters und den Umgang damit geschrieben. War das auch eine Möglichkeit für Sie, das Ganze zu verarbeiten?
Constantini: Ja, und das ist es noch. Einerseits um zu verarbeiten, aber auch, um ein Stück weit aufzurütteln. Ich habe im zweiten Buch ganz stark die Parallelen zwischen dem Lernen meiner kleinen Töchter und dem Verlernen von ihm beschrieben. Da merke ich beim Prozess des Verlernens meines Papas, dass man das nicht immer so leicht hinnehmen kann wie ein lernendes Kind, das Fehler macht.

Ihre zwei Bücher tragen mit „Abseits“ und „Abseits2“ Titel aus dem Fußball. Warum?
Constantini: Der erste Grund ist natürlich naheliegend, wegen meinem Papa. Die Bücher haben beide Skizzen am Cover, die von ihm sind. Er hat immer viel skizziert und mir gefühlt mindestens 350 Mal die Abseitsregel aufgeschrieben. „Abseits“ war die Verbindung, die ich mit ihm zu seinem Fußballleben herstelle, weil der Großteil seiner Karriere ja in meiner Kleinkindzeit war. Aber es gibt auch diese Verbindung zum Leben mit Demenz, bei dem man oft Gefahr läuft, ins Abseits zu kommen.

Tagung Demenz
Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker (r.) war eine der Teilnehmerinnen an der Tagung. FH Vorarlberg

Tagung: Digitalisierung in der Pflege von Menschen mit Demenz

Die diesjährige Tagung im Rahmen des Usability Days (uDay) an der Fachhochschule Vorarlberg in Dornbirn stellte gestern das Thema Pflege von zu Hause lebenden Menschen mit Demenz in den Mittelpunkt. Welchen Beitrag kann eine digitale Unterstützung bei der Betreuung und Pflege von zu Hause lebenden Menschen mit Demenz leisten? Mit dieser Fragestellung setzt sich das Forschungsprojekt TeleCareHub auseinander. Im Rahmen des gestrigen uDays stellte das TeleCareHub-Konsortium aus Vorarlberg, Tirol, Kärnten und Salzburg die aktuellen Forschungsergebnisse vor.

Tagung Demenz
Eine Tagungsbesucherin mit VR-Brille. FH Vorarlberg

Das Programm der Tagung beleuchtete das Thema Demenz aus verschiedenen Blickwinkeln. Nach der Einstimmung mit dem Musiktheater von „Die Schurken“ sprach Johanna Constantini aus der Angehörigensicht eines Demenzerkrankten. Michaela Defrancesco von der Medizinischen Universität Innsbruck präsentierte Einflussfaktoren der Patient-Journey (Weg durch das Gesundheitssystem, Anm.) auf Menschen mit Demenz nach der Diagnosestellung. Anschließend wurden Forschungsergebnisse sowie ausgewählte digitale Dienstleistungen und Lösungen mit Potential vorgestellt. Abschließend moderierte Martin Hebenstreit von connexia eine Podiumsdiskussion zum Thema „Digital vor ambulant vor stationär“.