„2018 kam Ibiza und nicht die Pflegereform“

16.11.2024 • 20:00 Uhr
Interview mit dem Präsidenten des österreichischen Pensionistenverbandes
Manfred Lackner (l.) und Peter Kostelka fordern in der Pflege nicht nur mehr Anerkennung, sondern auch mehr Entlohnung für die Fachkräfte. hartinger

Die PVÖ-Präsidenten Peter Kostelka und Manfred Lackner schildern ihre Sicht auf einige der drängendsten Themen der älteren Generation: Pflege, Pensionsalter, Altersarmut und Betrugsmaschen im Internet.

Anlässlich des 75. Geburtstages des Pensionistenverbands Österreich (PVÖ) empfing die NEUE am Sonntag den Präsidenten Peter Kostelka und sein Vorarlberger Pendant Manfred Lackner zum Gespräch. Der österreichweit vertretene Verband hat hauptsächlich zwei Tätigkeitsfelder: Zum einen setzt sich der PVÖ als politische Interessenvertretung gegen Altersarmut und Altersdiskriminierung sowie für das Recht auf Pflege, Gesundheit und generell Belange älterer Menschen ein.

Zum anderen ermöglicht der Verband Pensionisten gemeinsame Treffen und Aktivitäten, um so Einsamkeit im Alter entgegenzuwirken. „Wir wollen so verhindern, dass ältere Menschen zuhause alleine vor dem Fernseher sitzen und dieser die einzige Ansprechmöglichkeit ist. Denn eine Diskussion mit dem Fernseher ist ja offensichtlich sinnlos“, schildert Kostelka.

Jubiläumsprogramm. Das 75. Jubiläum des PVÖ wurde auch in Vorarlberg gebührend gefeiert. Vier Veranstaltungen – eine pro Bezirk – richtete der PVÖ diesen Herbst aus. Bregenz machte mit einem Klassik-Konzert in der Herz-Jesu-Kirche am 5. Oktober den Anfang, eine Woche später fand im „Talou“ in Dornbirn eine Tanzveranstaltung statt.
Am 4. November feierten die PVÖ-Mitglieder in Bludenz mit einem Kabarett von Markus Linder das Jubiläum, am vergangenen Freitag (15. November) fand in der Mittelschule Klaus ein Zeitzeugengespräch mit Peter Kostelka statt.

Wünsche an die Politik

Hoffnung auf schnelle Regierungsbildung
Für Kostelka und Lackner – beide waren auf Bundesebene für die SPÖ tätig – spielt in der Frage nach der Wunschkoalition in der Bundesregierung weniger die Parteifarbe eine Rolle. „Uns ist die Regierung die liebste, die am meisten für die älteren Generationen tut. Jene, die Pensionen sichert, die für Gesundheit und Pflege sorgt und die gegen Diskriminierung kämpft“, beschreibt Peter Kostelka einige der Anliegen, die die Seniorenverbände gemeinsam in einem 27-Punkte-Programm zusammengefasst und vor der Wahl an die kandidierenden Parteien gesendet haben.

Kostelka hofft jedenfalls darauf, dass man sich in Wien in absehbarer Zeit einig wird: „So viel Zeit ohne eine handlungsfähige Regierung verstreichen zu lassen, ist nicht sinnvoll.“

Situation im Land. Auf Landesebene ist die Regierung bereits gebildet. „Wir respektieren die Entscheidungen, die gefallen sind“, erklärt Manfred Lackner. In absehbarer Zeit will man in Gesprächen mit den zuständigen Landesrätinnen die Anliegen des PVÖ vorbringen. „Wir hatten gerade erst die Geschichte mit dem Verkehrsverbund, wo wir uns lautstark zu Wort gemeldet haben“, erinnert Lackner an den Preisaufschlag für jene, die Öffi-Tickets des VVV nicht digital kaufen. „Das ist völlig wirr“, kritisiert er. „Man kann ältere Leute nicht dafür bestrafen, weil sie mit etwas vielleicht nicht richtig umgehen können.“

Pensionsantritt

Antrittsalter erhöhen? „Nicht notwendig“
Die Gesellschaft wird älter, die Generation des „Babybooms“ tritt nach und nach in den Ruhestand und die nachfolgenden Jahrgänge sind weniger geburtenstark. Ist es also an der Zeit, das Pensionsantrittsalter zu erhöhen? „Diskutieren kann man über alles, nur es muss Sinn machen und notwendig sein“, antwortet Peter Kostelka. Er verweist auf die Berechnungen des „Anti Aging Reports“ der EU, wonach die Stabilität des österreichischen Pensionssystems langfristig gegeben ist. „In den 2030ern beginnt die Zahl der Babyboomer und der älteren Generationen wieder abzusinken. Auch aufgrund dieser Berechnungen sind wri überzeugt, dass eine Anhebung letztendlich nicht notwendig ist“, führt er weiter aus.

Probleme am Arbeitsplatz. Manfred Lackner ergänzt: „Nett wäre es auch, wenn Menschen überhaupt bis zum Eintreten des gesetzlichen Pensionsalters arbeiten könnten. Da werden Menschen mit Anfang 60 bei einer Umstrukturierung gefragt, ob sie nicht einvernehmlich aus dem Betrieb ausscheiden wollen, weil sie ein Kostenfaktor sind.“

Kostelka kennt ebenfalls derartige Beispiele: „Ältere Arbeitnehmer werden ab 50 nicht mehr zu Weiterbildungen eingeladen und dann wundert man sich, wenn ihnen mit 60 oder 65 entsprechende Fähigkeiten fehlen.“

Interview mit dem Präsidenten des österreichischen Pensionistenverbandes
Die NEUE im Interview mit dem Präsidenten des österreichischen Pensionistenverbandes. HARTINGER

Bekämpfung von Altersarmut

„Keine Pension unter Armutsgefährdungsgrenze“
Jede fünfte Frau in Österreich ist im Alter von Armut gefährdet. „Die praktische Mindestpension beträgt im nächsten Jahr 1275 Euro. Bei den laufenden Kosten wie Miete, Energie, etc. bleibt extrem wenig über“, führt Peter Kostelka vor Augen.

„Altersarmut ist insbesondere ein weibliches Phänomen, weil die Kindererziehungszeiten schwach bis gar nicht eingerechnet werden“, so Kostelka. Hier müsse man gegensteuern. „Es würde schon helfen, wenn man erwerbstechnisch die 10 bis 15 schlechtesten Jahre aus der Berechnung für die Pension herausnimmt“, präsentiert Manfred Lackner eine Überlegung.
Die PVÖ-Präsidenten wünschen sich von der nächsten Regierung klare Zielvorstellungen zur Bekämpfung der Altersarmut. „Das würde bedeuten, dass es keine Pensionen mehr unter der Armutsgefährdungsgrenze liegt. Auf dieses Ziel fehlen uns in etwa 130, 140 Euro“, so der PVÖ-Präsident. „Schon die letzte Bundesregierung hat sich selbst zum Ziel gesetzt, Altersarmut um 50 Prozent reduzieren. Wir hätten sie gern zu 100 Prozent ausgeschaltet. Geschehen ist letztendlich aber nichts. Die Zahl der Armutsfälle hat sich nicht verringert, ganz im Gegenteil“, sieht Kostelka Versäumnisse bei der letzten Regierung.

Personalmangel in der Pflege

Mehr Entlohnung für Pflegekräfte gefordert
Die Frage, ob man das Problem der Pflege im eigenen Land lösen könne, sei „eine Frage der Humanität“, betont Peter Kostelka. Er blickt in die Vergangenheit: „Bundeskanzler Kurz hat im Jahr 2018 erklärt, 2019 werde das Jahr der großen Pflegereform sein. Dann kam Ibiza und nicht die Reform. Und in der Zwischenzeit sind wir in einer eher desaströsen Diskussion, weil es kein Bundesland gibt – auch Vorarlberg nicht – wo nicht mindestens 10 Prozent der stationären Einrichtungen desolat sind, weil das Personal fehlt.“ Es könne nicht die Lösung sein, dass „ein Bundesland dem anderen die Pflegekräfte abjagt und bis Zentralasien unterwegs ist, um Pflegekräfte zu kriegen.“

Kostelka und Lackner plädieren dafür, bei der Wertschätzung der Pflegekräfte umzudenken: „Eine Begeisterung für den Pflegeberuf wird man dann erreichen, wenn man nicht nur vom Respekt vor dieser Tätigkeit spricht, sondern das auch bei den Arbeitsbedingungen und bei der Entlohnung bemerkbar macht. Die Pflege ist keine billige Hilfstätigkeit, sondern eine menschlich und fachlich extrem herausfordernde Arbeit.“ Aufholbedarf auf politischer Seite sehen die PVÖ-Präsidenten auch bei der Pflege in den eigenen vier Wänden.

Betrugsmaschinen

Enkeltrick und Co.
Aufklärung ist für Peter Kostelka und Manfred Lackner das Gebot der Stunde, wenn es um den Enkeltrick oder Betrugsmaschen im Internet geht. „Man kümmert sich natürlich um seine Enkel, wenn sie in Schwierigkeiten sind. Aber man sollte sich zuerst einmal erkundigen, ob das tatsächlich der Fall ist“, erklärt Lackner. „Alte Leute sind gutgläubig und hilfsbereit und wenn es um ihre Enkel geht, öffnen sich die Herzen und schließlich die Brieftaschen“, fasst Kostelka die Thematik zusammen.

Lackner erzählt von einem Fall aus seinem engen Umfeld: „Jemand ist darauf reingefallen, als es online hieß, man solle eine Geldsumme einzahlen und könne dann Millionär werden. Das Geld war natürlich weg.“