„Ich bin auf jeden Fall besorgt“

Bianca Kämpf forscht am DÖW im Arbeitsbereich Rechtsextremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Im Gespräch über Elon Musk, Fake News und Bildung.
Werten Sie die Geste von Elon Musk bei der Inauguration von Donald Trump als Hitlergruß?
Bianca Kämpf: Meiner Einschätzung nach sieht es sehr wohl danach aus. Man kann aber nicht in die jeweilige Person hineinschauen, ob das als eine solche Geste gemeint war, oder nicht. Ich denke aber, das eigentliche Problem ist, dass es durch den Fokus auf eine Geste zu einer Verschiebung des Themas kommt. Weg vom eigentlichen Inhalt der Diskussion, nämlich dass Musk der CEO von X/Twitter ist und diese Plattform momentan eine starke Rolle als Plattform für menschenfeindliche Inhalte spielt. Außerdem wissen viele gar nicht, dass der Hitlergruß in den USA gar nicht verboten ist, im Vergleich zu Österreich oder Deutschland.
Trotzdem bekommt Musk nach wie vor Zuspruch von Millionen von Menschen. Worauf führen Sie das zurück?
Kämpf: Gewisse Gesten lassen bei uns zulande viel schneller die Alarmglocken läuten, als wenn das beispielsweise in den USA passiert. Was natürlich auch mit der jeweiligen Geschichte der Länder zu tun hat.
Worauf führen Sie den nahezu weltweiten aktuellen Rechtsruck zurück?
Kämpf: Wir in der Rechtsextremismusforschung sprechen immer von mehrdimensionalen Ursachen und Faktoren. Vorallem würde ich aber die multiplen Krisen der letzten Jahre als zentral beurteilen. Da kann man durchaus auch etwas weiter zurückgehen, bis zur Weltwirtschaftskrise 2008, oder zur Flüchtlingsbewegung ab 2015. Aber auch die Covidpandemie ist mitverantwortlich. Da haben rechte Parteien wieder begonnen, auf der Straße zu mobilisieren, haben sich an Demonstrationen beteiligt. Damit sind gewisse Distanzierungen, oder Schranken gefallen. Ein weiterer Faktor, der meiner Meinung nach sehr wichtig ist, ist die Rolle der sozialen Medien. Hier findet eine zusätzliche Normalisierung rechter bis extremistischer Gedanken statt. Komplexe gesellschaftliche Fragestellungen werden mit einfachen Antworten und vermeintlich einfachen Lösungen versucht zu argumentieren. Die Social Media Formate und die Algorithmen befördern das noch zusätzlich.
Macht Ihnen diese Entwicklung als Expertin im Thema Rechtsextremismus Angst?
Kämpf: Ich weiß nicht, ob Angst hier das richtige Wort ist, aber ich bin auf jeden Fall besorgt. Was mir Sorgen bereitet, ist weniger, dass rechte Akteure und Akteurinnen ihre Inhalte verbreiten, das tun sie ja schon lange, sondern eher der gesellschaftliche Zuspruch, den sie erhalten. Gerade auch in Österreich mit der spezifischen NS-Geschichte, das ist, was mich besorgt und immer wieder erschreckt.
Viele junge Menschen wissen heute gar nicht mehr, was der Holocaust war. Worauf führen Sie diese Entwicklung zurück?
Kämpf: Bei diesem Thema will ich die Jugend immer ein bisschen verteidigen. Ich erlebe sehr wohl, dass viele junge Menschen wenig darüber wissen, was der Holocaust ist. Es ist aber auch durchaus großes Interesse an diesem Thema da.
Müsste hier Ihrer Meinung nach in den Schulen angesetzt werden?
Kämpf: Ich denke, dass es zum Beispiel schon ein Problem ist, dass der Nationalsozialismus in österreichischen Schulen erst in der 4. Klasse Unterstufe behandelt wird. Da ist es dann oftmals nur ein weiteres historisches Ereignis. Ich denke, man sollte das Thema mehr mit dem heutigen Verständnis von Demokratie verbinden. Das würde den Jugendlichen viel mehr helfen, die Zusammenhänge zu verstehen und warum dieses Thema sehr wohl etwas mit ihnen selbst und dem Heute zu tun hat. Auch in Bezug auf Social Media glaube ich, dass Jugendliche leider immer wieder allein gelassen werden im Sinne der kritischen Medienkompetenz.
Welche Rolle spielen Fake News bei der Zunahme von Rechtsextremismus?
Kämpf: Die Verbreitung von Fake News, beziehungsweise von sogenannten „alternativen Fakten“ spielt eine enorm große Rolle. Die extreme Rechte ist seit einigen Jahren dran, eigene, alternative Medien zu etablieren. Mit zunehmender Digitalisierung und den neuen Möglichkeiten wird es immer einfacher, abseits der herkömmlichen Medien eine eigene Medienlandschaft aufzustellen. Dem kommt auch der Vertrauensverlust in die herkömmlichen Medien zugute.
