„Krisen halten sich nicht an Staatsgrenzen“

28.04.2025 • 18:30 Uhr
„Krisen halten sich nicht an Staatsgrenzen“
Peter Vorhofer ist Experte für Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Hartinger

Interview. Peter Vorhofer, Krisensicherheitsberater der Bundesregierung, über Trump, Neutralität in Krisenzeiten, Resilienz in der Bevölkerung und warum die Bodenseeregion sicherheitspolitisch sensibel ist.

Herr Vorhofer, Donald Trump ist zurück im Amt. Was bedeutet das für Europas sicherheitspolitische Lage und für Österreich?
Peter Vorhofer:
Grundsätzlich braucht es jetzt strategische Ruhe und interessensgeleitete Alternativplanungen. Ruhe heißt nicht Gleichgültigkeit, sondern genaues Beobachten und rechtzeitiges Handeln. Wir dürfen uns nicht nervös machen lassen. Gleichzeitig müssen wir alternative Formen der Zusammenarbeit andenken – bilateral wie multilateral. Wenn ein traditioneller Partner wie die USA wankelmütig wird, muss sich Europa auf seine eigenen Stärken besinnen und neue Partner suchen. Das funktioniert nur über mehr Einigkeit und Solidarität innerhalb Europas.

Beim Sicherheitspolitischen Bodenseekongress in Rorschach (CH) haben Sie betont, wie wichtig strategische Eigenständigkeit für Europa wird. Droht Europa sicherheitspolitisch destabilisiert zu werden?
Vorhofer:
Die Gefahr besteht, wenn wir überhastet reagieren. Die finanziellen und strukturellen Herausforderungen, die auf Europa zukommen, sind groß. Wir müssen unsere Sicherheitsproduktion selbst in die Hand nehmen. Das bedeutet auch, unsere Prozesse zu überdenken – viele EU-Mechanismen sind für „Schönwetterphasen“ gemacht, nicht für stürmische Zeiten.

„Krisen halten sich nicht an Staatsgrenzen“
Peter Vorhofer warnt vor den Folgen hybrider Bedrohungen. Hartinger

Russlands Präsident Putin hat erklärt, eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern durch Deutschland an die Ukraine könne als Kriegserklärung gewertet werden. Wie ernst nehmen Sie solche Aussagen?
Vorhofer:
Man muss sich bewusst sein: Angst zu schüren ist Teil moderner Kriegsführung. Die russische Föderation arbeitet im Bereich hybrider Bedrohungen – von Fake News bis diplomatische Drohungen. Ziel ist immer, die europäische Einigkeit zu unterwandern. Wir dürfen darauf nicht hektisch reagieren, sondern müssen strategisch ruhig bleiben.

Wo verläuft die Grenze zwischen militärischer Unterstützung und aktiver Kriegsbeteiligung?
Vorhofer:
Solidarität endet nicht mit Worten. Hilfe kann auch nichtmilitärisch erfolgen, etwa logistisch oder wirtschaftlich. Aber klar ist: Auch wer nicht direkt militärisch eingreift, kann ins Visier eines Aggressors geraten. Das muss man realistisch sehen.

Welche Rolle spielt die Bodenseeregion dabei?
Vorhofer:
Eine sehr wichtige. Hier treffen EU, NATO und ein neutraler Staat aufeinander. Das macht die Region sicherheitspolitisch besonders. Dadurch kommt auch Vorarlberg, an dieser Schnittstelle, eine besondere Rolle zu.

Im Bodenseeraum gibt es zahlreiche Betriebe mit sicherheitsrelevanter Produktion. Wird das genug berücksichtigt?
Vorhofer:
Noch nicht ausreichend. Die europäische Rüstungsindustrie ist fragmentiert, oft national organisiert. Regionale Kooperation, ähnlich wie in Skandinavien, könnte auch im Bodenseeraum ein Ansatz sein, um Resilienz zu stärken und Synergien zu nutzen.

Wie lassen sich wirtschaftliche Vernetzung und sicherheitspolitische Eigenständigkeit verbinden?
Vorhofer:
Globalisierung schafft auch Risiken. In strategischen Bereichen müssen wir Abhängigkeiten reduzieren, etwa bei Energie, Kommunikation oder kritischen Rohstoffen. Sonst bleibt strategische Autonomie Illusion.

„Krisen halten sich nicht an Staatsgrenzen“
Peter Vorhofer im Gespräch über Resilienz, Neutralität und Europas neue Sicherheitslage. Hartinger

Was bedeutet Resilienz konkret für Österreich und speziell für Vorarlberg?
Vorhofer:
Resilienz beginnt beim Einzelnen, denn hybride Angriffe setzen bei der Gesellschaft an. Die sicherheitsproduzierenden Institutionen brauchen eine informierte, kritische Bevölkerung, die Manipulationsversuche erkennt und mitdenkt.

Was verstehen Sie unter „Resilienzkultur“ und wie kann diese speziell in Vorarlberg entstehen?
Vorhofer:
Sicherheitsbewusstsein und Eigenverantwortung müssen breit verankert sein. Dazu braucht es Bildung, kontinuierliche Information, aber auch Vorbilder in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Resilienz muss nicht Angst machen, sondern Handlungssicherheit vermitteln. Jeder Beitrag zählt.

Wie wichtig ist ein bewusster Umgang mit Medien für die gesellschaftliche Resilienz?
Vorhofer:
Informationsflut und Fake News sind heute eine der größten Herausforderungen. Viele Angriffe zielen direkt auf die Wahrnehmung der Menschen. Daher ist es wichtig, kritisch zu denken, nicht alles sofort zu glauben und Informationen zu überprüfen. Jeder sollte sich angewöhnen, Quellen zu hinterfragen, verschiedene Perspektiven einzuholen und sich nicht in sogenannten Echokammern zu verlieren. Diese Fähigkeit wird genauso entscheidend sein wie klassische Katastrophenvorsorge.

„Krisen halten sich nicht an Staatsgrenzen“
In einer instabil gewordenen Welt fordert Peter Vorhofer ein neues Sicherheitsbewusstsein. Hartinger

Ist Vorarlberg auf Blackout oder hybride Angriffe vorbereitet?
Vorhofer:
Seit der Einführung des Bundes-Krisensicherheitsgesetzes haben wir auf nationaler Ebene alle Instrumente, die wir zur Vorbereitung benötigen. Das Risikobild des Verteidigungsministeriums zeigt uns, auf welche Gefahren wir uns vorbereiten müssen. Die Österreichische Sicherheitsstrategie sagt uns, wie wir diesen begegnen können und durch das Bundes-Krisensicherheitsgesetz haben wir jetzt auch das dazugehörige Umsetzungs-Controlling. Natürlich wird auch in den Regionen und Bundesländern viel getan. Hier gilt es nun, diese Anstrengungen in die nationale Planung zu integrieren.

Sollte es eine allgemeine Dienstpflicht für alle geben?
Vorhofer:
Die Bedrohungen der Zukunft sind breit gefächert, darauf muss sich auch der gesellschaftliche Beitrag einstellen. Eine sinnvolle Möglichkeit wäre, einen „Resilienzdienst“ einzuführen, der möglicherweise im Rahmen von Wehrdienst und Zivildienst stattfindet und allen offensteht.

Wie könnte ein solcher Resilienzdienst aussehen und welche Aufgaben sollte er umfassen?
Vorhofer:
Ein Resilienzdienst könnte Basiskompetenzen in Zivilschutz, Cyberabwehr, Erste Hilfe, Energieversorgung und kritischer Infrastruktur vermitteln. Er soll helfen, Bewusstsein zu schaffen und Krisenfähigkeit aufzubauen. Gleichzeitig würde er die Verbindung zwischen Staat und Gesellschaft stärken.

Wie gut funktionieren die Kooperationen bei uns im Krisenfall? Gibt es hier noch Verbesserungspotenzial?
Vorhofer:
Im Bodenseeraum besteht eine große Chance für länderübergreifende Zusammenarbeit. Regional gibt es viele Initiativen, aber im Krisenmanagement muss die Abstimmung enger werden. Krisen halten sich nicht an Staatsgrenzen.

Wie schaffen wir es, als Gesellschaft die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen?
Vorhofer:
Indem wir vom Wissen ins Handeln kommen. Indem wir Bewusstsein, Verantwortungsgefühl und Kreativität fördern. Eine resiliente Gesellschaft lebt davon, dass alle bereit sind, einen Beitrag zu leisten – nicht aus Angst, sondern aus Überzeugung.

„Krisen halten sich nicht an Staatsgrenzen“

Zur Person

Dr. Peter Vorhofer

ist seit 2024 Berater der Bundesregierung für nationale Sicherheit, staatliche Resilienz, umfassende Landesverteidigung, Krisenvorsorge und -bewältigung. Der ehemalige Leiter der Verteidigungspolitik im Verteidigungsministerium koordiniert heute Österreichs Sicherheitsvorsorge und Resilienzstrategie. Seine Schwerpunkte liegen bei hybriden Bedrohungen, Cybersicherheit und Katastrophenschutz.