Götzis: Demo gegen Zensur statt Lesung in Bibliothek

24.06.2025 • 21:40 Uhr
Canaval Lesung
Demo und Lesung in Götzis. Schäfer

Mehr als 80 Menschen versammelten sich am Montagabend vor der Bibliothek in Götzis. Dort las Umweltaktivistin und Gemeindepolitikerin Marina Hagen-Canaval aus ihrem Buch „Widerstand“, nachdem die geplante Lesung von der Volkshochschule abgesagt worden war.

Von Sarah Karina Schäfer
neue-redaktion@neue.at


Wie die NEUE berichtete, war die für Montag, den 23. Juni, geplante Präsentation des Buchs „Widerstand“ der Aktivistin und Gemeindepolitikerin Marina Hagen-Canaval abgesagt worden. Die Lesung hätte in der Bibliothek Götzis stattfinden sollen, die von der Volkshochschule (VHS) Götzis gemeinsam mit der Marktgemeinde betrieben wird. Der Grund der Absage: VHS-Direktor Stefan Fischnaller hatte die Veranstaltung als parteipolitisch eingestuft.


Hagen-Canaval empfand die Absage als Zensur und verlagerte ihre Lesung kurzerhand in Form einer Demonstration vor die Bibliothek. Rund eine Stunde lang las sie aus ihrem Buch vor, das eine weitgehend autobiografische Schilderung ihres Engagements als Umweltaktivistin darstellt. Zudem reflektiert die Autorin das Scheitern der Bewegung „Die letzte Generation“ im Jahr 2024. Sie schreibt, dass es nie das Ziel gewesen sei, von der Bevölkerung gemocht zu werden. Man habe vielmehr gewusst, dass Aktionen wie Straßenblockaden auf Ablehnung stoßen würden. Schließlich beschreibt sie, wie Hass, öffentliche Anfeindungen und fehlende politische Unterstützung sie dazu bewogen hätten, die Proteste aufzugeben.

Marina Hagen-Canaval
Marina Hagen-Canaval mit ihrem Buch. Julian Poeschl

Dank an VHS und Bürgermeister für Werbung

Inzwischen zeigt sich Hagen-Canaval angesichts der allgemeinen politischen und gesellschaftlichen Entwicklung zunehmend ratlos. Nach eigenen Worten hat sie die Hoffnung auf eine positive Klimawende beinahe verloren. Dennoch will sie mit ihrem Buch „Widerstand“ weiterhin Menschen für den Klimaaktivismus begeistern, auch wenn ihr selbst aktuell oft die Kraft dazu fehle.

Nach der Lesung zeigte sich Marina Hagen-Canaval trotz allem zufrieden. Sie bedankte sich beim Publikum für dessen Erscheinen – trotz unsicherer Wetterlage und der ursprünglichen Absage durch die Volkshochschule. Ihren Dank richtete sie auch an Stefan Fischnaller, Direktor der VHS Götzis, sowie an Markus Böhmwaldner, Bürgermeister von Götzis. Die Absage sei letztlich auch eine unbeabsichtigte Werbung für ihr Buch gewesen, sagte Hagen-Canaval.

Kosten für nicht verkaufte Bücher

Trotzdem forderte sie eine Erstattung der Kosten für jene Bücher, die sie für die Lesung angeschafft hatte, am Montag jedoch nicht verkaufen konnte. Die Aktivistin sprach von einer Art Wiedergutmachung für die kurzfristige Absage durch die Volkshochschule und kündigte rechtliche Schritte an, sollte die VHS dieser Forderung nicht nachkommen. Auf Nachfrage der NEUE kündigte Stefan Fischnaller an, dass die VHS die Kosten für die nicht verkauften Bücher übernehmen werde.

Götzis: Demo gegen Zensur statt Lesung in Bibliothek
Nadine Dunst-Ender. Hartinger

Grüne im Publikum

Im Publikum waren naturgemäß mehrere grüne Mitstreiterinnen und Mitstreiter zu finden. Denn Hagen-Canaval sitzt bekanntermaßen selbst für die Grünen in der Götzner Gemeindevertretung.

Nadine Dunst-Ender, die für die Grünen in der Rankweiler Gemeindepolitik aktiv ist, kritisierte die Absage scharf. „Wenn alte, weiße Männer die Lesung einer jungen Frau verbieten, ist es höchste Zeit, auf die Straße zu gehen“, sagte sie. Ihrer Ansicht nach machten sich die Männer mit der Entscheidung selbst zur Lachnummer – „dabei ist das alles andere als lustig“. Offenbar sei erwartet worden, dass die Autorin sich still zurückziehe: „Was dachten die, was passiert? Dass die Frau mit dem Buch ,Widerstand‘ sagt: ,Schade, kann Frau halt nichts machen – ab jetzt bin ich leise und lächle lieb.‘“ Diese Zeiten seien vorbei, so Ender.

Canaval Lesung
Doris Zucalli wollte mit ihrer Teilnahme ein Zeichen setzen. Schäfer

„Katastrophal“

Auch Doris Zucalli, stellvertretende Vorsitzende der Naturfreunde Vorarlberg, meldete sich kritisch zu Wort. Sie sagte, sie sei gekommen, weil es offenbar in Vorarlberg möglich sei, Lesungen in öffentlichen Bibliotheken zu verbieten. Das empfinde sie als katastrophal. „Da habe ich gedacht, so etwas passiert sonst eher in Russland oder vielleicht in Ungarn“, sagte sie. Dass Vorarlberg auf dieser Schiene mitmache, sei für sie erschreckend. Sie kündigte an, alles daranzusetzen, um gegen diese Form von Zensur aufzutreten.

Götzis Garnmarkt
Markus Rottmar.

„Unwahrheit“

Markus Rottmar, Gemeindevorstand der Grünen Götzis, betonte gegenüber der NEUE, dass es sich nicht um eine Veranstaltung der Grünen gehandelt habe. Die Absage sei erfolgt, bevor seine Partei überhaupt involviert gewesen sei. Die Begründung, es handle sich um eine politische Veranstaltung, nannte er „eine Unwahrheit“. Auf die Frage, warum er dennoch anwesend sei, erklärte Rottmar, ihn interessiere das Thema. Außerdem kenne er Marina Hagen-Canaval persönlich. „Und wenn eine Autorin aus Götzis ihr Erstlingswerk vorstellt, komme ich natürlich zu der Lesung.“

Götzis: Demo gegen Zensur statt Lesung in Bibliothek
Bürgermeister Manfred Böhmwalder. Hartinger

Entgegnung

Bürgermeister Manfred Böhmwalder (ÖVP) widerspricht den Ausführungen Rottmars. Er betont auf Nach­frage, dass es sich bei der geplanten Lesung sehr wohl um eine parteipolitische Veranstaltung gehandelt habe – initiiert vom Fraktionsobmann der Grünen Liste Götzis. Die Gemeindebibliothek sei allerdings nicht für politische Zwecke vorgesehen und werde grundsätzlich nicht vermietet. Dass eine Gutschein­übergabe samt Fototermin und Presseaussendung geplant gewesen sei, habe die Absage zusätzlich gerechtfertigt. Weder die Autorin noch der Buchtitel oder dessen Inhalte hätten bei der Entscheidung eine Rolle gespielt, versichert Böhmwalder.