“Machen Sie sich Sorgen um den Journalismus?”

Herbert Lackner kann man getrost einen der ganz großen Journalisten Österreichs nennen. Er war stellvertretender Chefredakteur bei der „Arbeiter Zeitung“ und danach 23 Jahre lang Chefredakteur des Nachrichtenmagazins „Profil“.
Von Kurt Bereuter
neue-redaktion@neue.at
Noch immer schreibt Herbert Lackner Kommentare für „Die Zeit“. Im „Alten Kino“ in Rankweil erzählte er über 100 Jahre österreichische Kulturgeschichte. Wir haben ihn vorher zu einem Gespräch über den Journalismus getroffen.
Herr Lackner, machen Sie sich Sorgen um den Journalismus?
Herbert Lackner: Ja, ich mache mir Sorgen um das Medium Zeitung und auch um die Menschen, die dort arbeiten. Man ist sehr spät draufgekommen, dass es denen an den Kragen geht. Bisher haben die Zeitungen es immer ausgehalten, wenn neue Medien kamen, das Radio, das Fernsehen. Aber jetzt mit dem Internet ist eine neue Qualität entstanden, wo man alle Neuigkeiten in der Sekunde in der Hosentasche hat. Da ist eine Konkurrenzsituation entstanden, bei der die Zeitungen nur mehr sehr schwer mitkommen.
Ist Print wichtig und sollte bleiben?
Lackner: Ich würde mir das wünschen, schließlich gibt es seit fast 400 Jahren Zeitungen. Aber ich fürchte, dass sie es jetzt nicht überleben werden. Im Printjournalismus gibt es Stilformen, die im Internetjournalismus nicht gängig sind und dort auch nicht gelesen würden, wie ein langer Feuilleton-Beitrag, also längere Geschichten. Wer liest das dort? So gehen längere Geschichten verloren, die wir in Zeitungen und Magazinen finden und die in Internetmedien kein Zuhause mehr finden.

Also werden Printzeitungen verschwinden?
Lackner: Das glaube ich schon, weil die Inserate verloren gehen: Das sehen wir ja, die großen Inseratenvolumen fließen ins Internet, weil der Inseratenmarkt dorthin gewandert ist, von der Wohnungssuche bis zum Automarkt. Übrig geblieben sind vor allem Anzeigen des Lebenmittelhandels.
Jetzt sorgt auch die Künstliche Intelligenz für einem Abbau in den Redaktionen.
Lackner: Man muss sich vorstellen, dass es die KI erst seit Kurzem gibt und wie das weitergeht, kann man sich nur ganz schwer vorstellen. Es wird die KI weiterentwickelt werden und auf Bewegtbilder und deren Inhalte zugreifen können, und wer wird das überprüfen können, ob das stimmt und ob das korrekt geschnitten wurde, dass es nicht inkorrekt rüberkommt.
Sollte der Printjournalismus gefördert werden?
Lackner: Von der Printförderung haben auch die Boulevard-Zeitungen profitiert und entscheidend waren immer die Inserate aus der „Politik“, wie es Werner Faymann praktizierte und die Krone dafür jetzt Andreas Babler niederschreibt, weil diese Gelder zum Teil versiegt sind. Das hat auch Reinhold Mitterlehner in seinem Buch schön dargelegt, wie das alles gelaufen ist.
„Ja, ich mache mir Sorgen um das Medium Zeitung … wer unter 30 abonniert schon eine Zeitung?“
Herbert Lackner, Journalist
Was bleibt ist der öffentlich-rechtliche ORF mit den „blauen Seiten“?
Lackner: Ich glaube nicht, dass ein Zurückdrängen der blauen Seiten den Printmedien etwas nützen würde. Das öffentlich-rechtliche Medium hat durch die Gebühren einen gewaltigen Startvorteil, hat aber auch Qualitätsrichtlinien zu erfüllen. Schrecklich, was die Privatsender teilweise bringen, das gibt es im ORF so nicht. ORF III macht ein qualitätsvolles Programm.
Aber ORF III erreicht ganz wenig junge Menschen.
Lackner: Das schafft niemand mehr. Wer unter 30 abonniert schon eine Zeitung? Es gibt auch keine jungen Menschen mehr, die sagen, jetzt muss ich heim, „Zeit im Bild“ schauen. Fernsehen funktioniert so nicht mehr. So läuft das nicht mehr.
Was machen denn die neuen Parteikanäle der Parteien anders, vor allem die FPÖ hat ja viele Zuseher?
Lackner: Das ist ein Sprung zurück ins letzte Jahrhundert, weil es bis vor 30 Jahren Parteizeitungen seit dem Ende des Weltkrieges gab und die hatten den Zeitungsmarkt dominiert. Aber mit einem anderen journalistischen Anspruch als diese neuen Internetkanäle. Die FPÖ hatte das Gefühl, dass sie in der Medienwelt schlecht wegkommen und deshalb mit einem eigenen Fernsehkanal darauf reagierten. Die Corona-Pandemie hat hier sicher eine große Rolle gespielt, diese Kanäle haben es geschafft, extrem viele Menschen gegen die Regierungspolitik auf die Straßen zu bringen. Da war eine lenkende Hand im Internet, eben diese Kanäle.
Vize-Kanzler Andreas Babler meint ja, dass der ORF, der als Öffentlich-Rechtlicher bleiben müsse, mit dem privaten Medienmarkt kooperieren müsse. Was kann man darunter verstehen?
Lackner: Wie wird das gehen? Werden da die Verlage oder die privaten Fernsehanstalten auf die Archive des ORF zugreifen können? Unabhängige Redaktionen müssen ja erhalten bleiben. Aber Recherchekooperationen bei großen Themen gibt es schon, wie wir auch beim Ibiza-Skandal oder bei Finanzpapieraffären erlebt haben, die machen Sinn, weil das ein Medium allein nicht schafft. Wird aber sicher spannend, wie sich das in der Realität zeigen wird.