Warum uns ein Krieg in der Ukraine noch schwer zu schaffen machen könnte

Für Österreich ist die Ostukraine kein Krisenherd wie jeder andere.
Wer von Wien oder Graz aus in Richtung Ukraine aufbricht, ist in rund sechs Stunden dort. Nach Vorarlberg ist man länger unterwegs. Die Krisengebiete im Osten der Ukraine, insbesondere die beiden von russischen Truppen zum Teil besetzten Bezirke Donezk und Luhansk, liegen zwei Flugstunden von Österreich entfernt. Wer nach Mallorca oder Kreta aufbricht, sitzt länger im Flugzeug.
Sigmund Freud, Josef Roth und Billy Wilder
Dass uns die Spannungen in der Ukraine etwas angehen, liegt nicht so sehr an den historischen Verbindungen zu Österreich. Der Westen des Landes, das alte Galizien, gehörte bis 1918 zu Österreich. Josef Roth, Manès Sperber, Simon Wiesenthal wurden in Ostgalizien geboren, Billy Wilder kam in Westgalizien zur Welt (heute polnisches Territorium), Sigmund Freud und Leonard Bernstein haben ukrainische Wurzeln, Andy Warhol ruthenische. Wer in Lemberg oder in Czernowitz mit offenen Augen durch die Stadt geht, wähnt sich architektonisch und städtebaulich bisweilen in Wien und Graz.
Erdgas aus den Tiefen von Sibirien
Dass uns die Krise um die Ostukraine, insbesondere ein weiterer militärischer Vorstoß der Russen, der unweigerlich weitere EU-Sanktionen nach sich ziehen würde, auf den Kopf fallen könnte, liegt an der hohen Abhängigkeit Österreichs von russischem Erdgas. 80 bis 85 Prozent der in Österreich verbrauchten Energie kommen über Pipelines aus Sibirien und anderen fernen Regionen. Damit wird nicht nur jeder zweite Haushalt in Wien versorgt, vor allem die energieintensive Industrie ist davon abhängig. Sollte es zum Krieg kommen und Russland als Reaktion auf EU-Sanktionen das Gas abdrehen, wäre Europa, vor allem Österreich und Deutschland, vor einer schweren Rezession nicht mehr gefeit, so Wifo-Chef Gabriel Felbermayr.
Wie schnell das Gas ausgehen kann
Wie schnell die Lage umschlagen kann, zeigen interne Szenarien der Bundesregierung. Aktuell sind die Speicher zu 21 Prozent gefüllt. Fließt kein Gas mehr, würden in Österreich bereits Mitte März (Kalenderwoche elf) viele Heizungen kalt werden, bei einem durchschnittlichen Verbrauch Mitte Juni (Kalenderwoche 23), bei einem milden Verlauf im Sommer. Die eigentliche Herausforderung ist der nächste Winter. Plan B wäre Flüssiggas aus dem arabischen Raum oder Norwegen. Ehe erneuerbare Energien den drohenden Energieausfall kompensieren würden, vergehen Jahre.
Die Klagen der steirischen Apfelbauern
Es wäre nicht das erste Mal, dass EU-Sanktionen gegen Russland Österreich auf den Kopf fallen würden. Als Putin 2014 die Krim annektierte und erste Gebiete in der Ostukraine von russischen Truppen besetzt wurden, verhängte Brüssel Maßnahmen gegen Moskau. Russische Gegensanktionen waren die Folge, die etwa die steirischen Apfelbauern bis zum heutigen Tag zu spüren bekommen. 400 Millionen Euro kostet der heimischen Wirtschaft das von Putin verhängte Embargo.
Kaum Flüchtlinge im Jahr 2014
Ob Österreich von einer Flüchtlingswelle betroffen sein wird, hängt ebenso von den Ereignissen in der Ukraine ab. 2014 wurden 1,5 Millionen Ukrainer aus ihren Heimatdörfern vertrieben, fast alle blieben damals im Land. Nur ein paar Hundert suchten um Asyl in Österreich an. Aktuell geht man von einem ähnlichen Szenario aus.