Keine Einigung auf gemeinsame Antwort an Russland

Die EU und die Länder Lateinamerikas konnte zu keiner gemeinsamen Erklärung gegen Russland durchringen.
Russland saß diesmal mit am Tisch: Zum CELAC-Gipfel, der die EU und die Länder Lateinamerikas und einige Karibikstaaten zusammenbrachte, gehören auch Länder wie Nicaragua oder Kuba. Das verhinderte schließlich eine gemeinsame Erklärung gegen Russland zu finden. Mit Russland verbündete Länder wie Nicaragua, Venezuela und Kuba setzten bei der zweitägigen Zusammenkunft in Brüssel durch, dass der Text keine explizite Verurteilung des Krieges enthält und Russland nicht einmal erwähnt wird. Nicaragua wollte am Ende nicht einmal einen Minimalkompromiss mittragen, was in der Schlussdeklaration auch, ohne den Namen zu nennen, so festgehalten wurde. Am Ende konnte lediglich gemeinsam festgestellt werden, dass der anhaltende Krieg gegen die Ukraine immenses menschliches Leid verursacht und zum Beispiel bestehende Verwundbarkeiten der Weltwirtschaft verstärkt. Dass ein Großteil der Gipfelteilnehmer Russland für den Angriffskrieg verurteilt, wurde nur indirekt mit einem Verweis auf entsprechende Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen deutlich gemacht.
Ein Eklat, letzten Endes nicht überraschend kam. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hingegen überraschte damit, dass er sich der Friedensinitiative von Brasiliens Präsident Lula da Silva gegenüber positiv äußerte; diese sieht die Kriegsschuld auf beiden Seiten und durch westliche Interessen getrieben, die Krim sollte demnach bei Russland bleiben.
Österreich sprach mit Chile und Brasilien
Der Gipfel sei auf jeden Fall ein Erfolg, sagte Nehammer am gestrigen zweiten Tag vor Journalisten. Nehammer führte bilaterale Gespräche mit Chile und Brasilien, dabei sei es um Rohstofflieferungen, seltene Erden und „grünen Wasserstoff“ gegangen. Ebenso ein Thema war die “legale Migration von Fachkräften”. Brasilien, so der Kanzler, sei sehr daran interessiert, auf der internationalen Bühne und bei der EU wieder eine stärkere Rolle zu spielen; mit Österreich verbindet das Land ein Stück gemeinsamer Vergangenheit. Lula da Silva und Nehammer vereinbarten beiderseitige Staatsbesuche. Mehr als die Hälfte der österreichischen Exporte nach Südamerika geht nach Brasilien. 2022 war mit einer Steigerung der heimischen Exporte um 46 Prozent ein äußerst erfolgreiches Jahr, mit einem Exportvolumen von mehr als einer Milliarde Euro. Etwa 200 österreichische Unternehmen sind in Brasilien aktiv, heißt es aus dem Kanzleramt.
Für Österreich ist Chile das zweitwichtigste Export- sowie Importland in Südamerika (Handelsvolumen von knapp 500 Millionen Euro im Jahr 2022). Als Beispiele für erfolgreiche Unternehmen in Chile wurden u.a. Strabag, Kapsch und Doppelmayr (etwa beim Stadtseilbahnbau in Santiago, die 2025 in Betrieb genommen werden soll) genannt. Nehammer: „Chile ist ein Vorreiter im Bereich der Produktion von grünem Wasserstoff. Dieses Potential müssen wir als Europäische Union stärken und gemeinsam weiterentwickeln, durch Know-How und Kooperationen. Durch das Gespräch mit dem Präsidenten konnten wir die Beziehungen vertiefen und gemeinsame Interessen austauschen.”
Mercosur-Einigung bis Ende des Jahres?
EU-Ratspräsident Charles Michel sprach bei der Abschlusspressekonferenz von einem “neuen, optimistischen und positiven Kapitel” in den Beziehungen und kündigte an, dass es nun alle zwei Jahre Spitzentreffen geben solle. Die Hoffnung ist auch, dass bis dahin die Bemühungen um den Abschluss des Freihandelsabkommens zwischen der EU und der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur abgeschlossen werden können. Der brasilianische Präsident Lula, die aktuelle spanische EU-Ratspräsidentschaft und andere Teilnehmer äußerten die Absicht, bis Ende des Jahres zu einer Einigung zu kommen – auch wenn es keine konkreten Fortschritte gab.
Über den Aufbau einer riesigen Freihandelszone zwischen der EU und den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay war im Sommer 2019 nach jahrelangen Verhandlungen eine politische Grundsatzeinigung erzielt worden. Der Deal wird allerdings nun von mehreren EU-Staaten wie etwa Frankreich oder Österreich wieder infrage gestellt. Kritiker befürchten, dass europäische Landwirte künftig in einen gnadenlosen Preiskampf gezwungen werden und gleichzeitig die Regenwaldzerstörung in Südamerika befeuert wird.