Familie aus Hard kämpft um Unterstützung für Kinder mit speziellen Bedürfnissen

Eine Familie aus Hard fordert Unterstützung für ihre Kinder mit besonderen Bedürfnissen, die im derzeit überlasteten Schulsystem nicht die notwendige Betreuung erhalten.
Die Sparmaßnahmen und Sozialkürzungen der Bundes- und Landesregierung führen derzeit in vielen Bereichen zum Aufschrei von Betroffenen. Gerade im Sozialbereich zeigen die Einschnitte deutlich Wirkung. Es fehlt an essenzieller Infrastruktur wie Schulpsychologen, Schulsozialarbeitern und an fachlich kompetenten Unterstützungskräften.

Auch Familie Heiss aus Hard ist direkt von den Maßnahmen betroffen. Vater Marcel Heiss (32) und Mutter Kathrin Heiss (34) haben mehrere Kinder, die beiden ältesten Töchter Clarissa (14) und Lou-Sophie (8) haben spezielle Bedürfnisse. Aufgrund psychischer, beziehungsweise neurologischer Diagnosen bräuchten sie spezielle Betreuung in der Schule. Betreuung, die die Mädchen laut ihren Eltern nicht, oder nur unzureichend bekommen. Die NEUE war bei der Familie zu Hause und hat sich ein Bild der Situation gemacht.

„Es wird am falschen Ort gespart“, ist sich die Familie einig. Während des Gesprächs wird deutlich, dass sich der Hass nicht gegen die Schule, sondern gegen ein ganzes System richtet. Ein System, das an den Kleinsten und Schwächsten der Gesellschaft spart. Es wird deutlich, wie viele Einzelschicksale hinter den Entscheidungen aus Bregenz und Wien stehen.
Sparen am falschen Ort
Die NEUE war bei der Familie zu Hause und hat sich ein Bild der Situation gemacht. „Es wird am falschen System gespart“, ist sich die Familie einig. Während des Gesprächs wird deutlich, dass sich der Unmut nicht gegen die Schule, sondern gegen ein ganzes System richtet. Ein System, das an den Kleinsten und Schwächsten der Gesellschaft spart. Es wird deutlich, wie viele Einzelschicksale hinter den Entscheidungen aus Bregenz und Wien stehen.
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Zwei Diagnosen
Die jüngere Tochter, Lou-Sophie, bekam schon als Kleinkind die Diagnose Autismus, mittlerweile steht zusätzlich der Verdacht auf das Asperger-Syndrom im Raum.
Die Achtjährige besuchte regulär eine Volksschule im Unterland, die aus Gründen des Kinderschutzes nicht genannt wird, als plötzlich Angst- und Panikzustände einsetzten und der Schulalltag zum großen Problem für sie wurde. Der Alleingang ins Konferenzzimmer und schulinterne Feuerwehrübungen wurden zur Herausforderung. Solange, bis die Eltern entschieden, sie zu Hause zu unterrichten. Seit nunmehr etwas mehr als einem Jahr holt Mutter Kathrin Heiss bereits regelmäßig die Unterlagen aus der Schule, um der Achtjährigen den Schulstoff zu Hause beizubringen.

Die zweite Tochter, Clarissa, geht noch immer in besagte Schule. Auch sie kämpft mit einer Diagnose: ADHS. Die Aufmerksamkeitsstörung macht es der 14-Jährigen nahezu unmöglich, einen regulären Schultag zu bewältigen. Sie schildert, dass sie große Schwierigkeit habe, sich zu konzentrieren und diesen Fokus dann auch über einen gesamten Schultag beizubehalten.
Diese Überforderung mit der Allgemeinsituation führe wiederum zu nicht-regulierbaren Wutausbrüchen. „Aufgrund der Krankheit fange ich schnell an, mit Lehrpersonen zu diskutieren. Dann werde ich aggressiv und somit auch lauter. Ich beginne oft zu weinen, oder schreie aus Verzweiflung Lehrpersonen an, weil ich selbst nicht verstehe, was in diesem Moment mit mir passiert“, schildert sie. „Meine Mitschülerinnen und Mitschüler erleben diese Situationen auch mit und das ist mir jedes Mal peinlich.“
Fehlende Transparenz?
Diese besagten Situationen führen dazu, dass das Telefon der Familie Heiss nahezu jeden Tag klingelt. Die Schule meldet die Vorfälle und Clarissa muss abgeholt werden. „Dabei wüssten die Lehrpersonen eigentlich, dass sie eine Diagnose hat und auch, wie sie damit umzugehen haben“, sagt Kathrin Heiss.
„Wir brauchen mehr Schulpsychologen, und mehr fachlich ausgebildete Lehrpersonen“, prangert auch Marcel Heiss an. Die Eltern sind verzweifelt und fühlen sich missverstanden. Sie verurteilen, dass in einem überforderten System die Eltern für das Verhalten der Kinder verantwortlich gemacht würden, anstatt nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Es gehe darum, Situationen besser zu kommunizieren, sie fordern Transparenz. „Wenn eine Schule keine Kapazität für solche Kinder hat, können wir das völlig nachvollziehen. Wir würden darüber aber gerne Bescheid wissen.“

Die Situation für die Familie aus Hard ist verzwickt, denn beide Mädchen warten teils seit Jahren auf Therapieplätze, Termine bei Fachärzten und die richtige Medikation. „Auch hier fehlt es an Personal, deswegen ist der Gesamtprozess so schleppend“, sagt Vater Marcel Heiss. Kein Therapieplatz, keine Verbesserung der Symptome, kein normales Zurückkehren in den Alltag. „Therapieplätze sind extrem schwer zu bekommen. Die Wartezeiten sind viel zu lang. Kinder verlieren in dieser Zeit wertvolle Entwicklung – und Familien stehen allein da“, sagt der Familienvater. Doch Marcel Heiss will nicht nur zum Wohle seiner Familie aufzeigen, welche Schicksale hinter Einschnitten in der Finanzierung des Sozialbereichs stehen. Er will auch anderen Familien Mut machen, sich Unterstützung zu suchen. „Es geht ja nicht nur uns so. Betroffene sollen sehen: Es gibt auch noch andere. Wir sind nicht die Einzigen“, so Heiss. „Viele Familien stehen allein da und gehen daran kaputt.“
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Auch, oder gerade deswegen, stellt Familie Heiss Forderungen an die Politik: mehr Schulpsychologen, echte Inklusion, individuelle Förderung und weniger Bürokratie.
Schule kontert
„Die Begleitung und Unterstützung der betroffenen Schülerinnen hatten von Anfang an hohe Priorität. In enger Zusammenarbeit des Lehrerteams mit verschiedenen Fachstellen wurden gezielte Maßnahmen ergriffen, um eine bestmögliche Betreuung zu gewährleisten“, heißt es in einem Statement der Direktion der betreffenden Schule, deren Name aus Schutzgründen ebenfalls nicht genannt wird. Eingebunden seien indes die Schulsozialarbeit, die Mobbingpräventionsstelle, die pädagogische Beraterin der Bildungsdirektion sowie die schulinterne Lehrperson für Achtsamkeitstraining, heißt es in dem Statement weiter.

„Die Schulleitung hat wiederholt persönliche Gespräche geführt, um individuelle Lösungen zu finden“, geht aus dem Schreiben der Direktion hervor. „In der betroffenen Klasse wurden soziale Trainings durchgeführt, um ein unterstützendes Umfeld zu schaffen. Darüber hinaus wurde eine speziell abgestimmte Projektwoche organisiert, die auf die Bedürfnisse der Schülerinnen und der Klassensituation im gesamten ausgerichtet war“, erklärt die Schulleitung die Situation. „Unser Ziel ist es stets, ein wertschätzendes und förderliches Lernumfeld zu bieten.“
Von Kürzungen betroffen
Doch die Kürzungen machen auch der Schule zu schaffen, wie die Direktion schildert. „Seit geraumer Zeit wird es zusehends schwieriger, dieses Lernumfeld zu bieten. An den Schulen beobachten wir eine steigende Anzahl an Kinder und Jugendlichen, die nicht nur Begleitung in ihrem Lernen, sondern auch viel Begleitung in ihrer sozio-emotionalen Entwicklung benötigen, unabhängig davon, ob es sich dabei um Kinder mit oder ohne Förderbedarf handelt.“ Diese Begleitung erfordere Aufmerksamkeit und Zeit, welche die pädagogischen Fachkräfte aufgrund des gestiegenen Bedarfes immer schwerer aufbringen können. Das gleichbleibende Kontingent an Unterstützungsstunden im schulischen Bereich verschärfe diese Situation zusehends.