Das Montlinger Bergli ist klein aber oho

Wanderführer Hertha Glück und Gerhard Vylet spazieren aufs Montlinger Bergli, lassen sich dabei von den verschiedenen Sehenswürdigkeiten überraschen und blicken weit über das Rheintal.
An den kurzen Tagen vor Weihnachten sind auch kleine Wanderrunden willkommen. Umso mehr, wenn das Wetter wechselhaft ist. Die Attraktivität solcher Spaziergänge könnte man wie bei dieser Runde in Montlingen leicht unterschätzen. Das Dorf Montlingen gehört zur Gemeinde Oberriet im Kanton St. Gallen und liegt gegenüber von Koblach in der Schweiz. Bis zum Bau der gedeckten Holzbrücke 1875 verband eine Fähre Montlingen und Koblach. Der Name Montlingen leitet sich vom römischen „monticulus“ ab, was kleiner Berg bedeutet. Der kleine Hügel wird umgangssprachlich Bergli genannt und gehört geologisch zur Säntiskette.
Von der Kirche zur Kapelle
Als Startpunkt empfiehlt sich die weithin sichtbare Pfarrkirche, welche um 1200 errichtet wurde. Vor der Kirche leuchten die roten Beeren der Stechpalmen aus dem dunkelgrünen Laub. Beim Pfarrhaus überquert man die Dorfstraße und gelangt zum Bergliweg, wo eine Informationstafel auf die Besonderheiten des Berglis aufmerksam macht. Nun geht es geradeaus an den Schulhäusern vorbei dem Berg zu. Gleich danach steigt man die Straße hinauf und hat schon auf der ersten Anhöhe einen guten Blick über die Dächer Montlingens auf den Kummenberg, Koblach und das Rheintal. Neben dem Hochgerach und den Drei Schwestern sticht die Zimba aus den Gipfeln des Rätikons hervor. Hier steht auch das schmucke Atelierhaus der Künstlerin Hedwig Scherrer, die dieses selbst geplant und gestaltet hat. Gleich danach kommt man zur St.-Anna-Kapelle.

Findlinge und Eichen
Vor der Kapelle hat man einen famosen Blick nach Süden. Das gesamte Rheintal liegt einem zu Füßen und bei klarer Sicht kann man den höchsten Berg des Kantons St. Gallen, den 3247 Meter hohen Ringelspitz, sehen. Von den Reben des umliegenden Weinbergs eingefasst, ist hier auch ein Grill- und Rastplatz eingerichtet worden. Auf dem weiteren Weg nach oben stehen prächtige Eichen. Auch Spuren der letzten Eiszeit sind zu sehen. Die Eisdecke des Rheingletschers hat auf ihrem Weg Richtung Bodensee das Bergli abgeschliffen und geformt was auf freiliegenden Felspartien zu sehen ist. Weiter oben zeichnet sich hinter dem kleinen Holzschopf der ehemalige Wall als Geländekante ab.
Prähistorische Siedlung
Das kleine, neu errichtete Holzhaus beherbergt eine in der warmen Jahreszeit frei zugängliche Ausstellung über die Ausgrabungen und die erste Besiedlung. Der nun schmalere Weg bringt einen am Eingang des ehemaligen Wasserreservoirs vorbei zur Ebene der früheren Siedlung. Bei Ausgrabungen wurden Überreste eines Verteidigungswalls der ersten Besiedlung vor über 3000 Jahren und verschiedene Fundstücke aus der späten Bronzezeit gefunden.

An der Ostseite des Plateaus wurde eine Aussichtsplattform errichtet, von der aus schwindelfreie Leute nicht nur in die Ferne bis zum Bodensee, sondern auch geradewegs nach unten blicken können. Der ehemalige Steinbruch Kolbenstein ist wie die gesamte Krone des Berglis als Schutzgebiet ausgewiesen. Dem Weg folgend passiert man den ehemaligen Wall, wo ein Gedenkstein für Hedwig Scherrer steht, und trifft auf jenen Weg, der einen zurück zur Kirche bringt.
Kurzbeschreibung
Besonderes: Ein einfacher und kurzer Spaziergang, bei dem verschiedenste Themen für Abwechslung sorgen und das Rheintal weit überblickt werden kann.
Anforderung und Gehzeit: Es sind circa fünfundvierzig Minuten Gehzeit und etwa 70 Höhenmeter im Auf und Ab des Wegverlaufs zu bewältigen.
Markierungen: gelb (entspricht gelb-weiß)
Charakter der Wege: Straße und Forstweg
Kultur und Natur: Hedwig-Scherrer-Haus, Kapelle St. Anna, Weinberge, Findling, Naturschutzgebiet, Archäologie und Aussichtsplattform
Anziehen und Mitnehmen: Wanderkleidung je nach Witterung
Einkehrmöglichkeiten: Restaurant Kreuz, Bäckerei Beck Schegg
Start und Ende: Montlingen Kirche; Buslinien des Vorarlberger Verkehrsverbund 181 und 461, Haltestelle „Zoll“
Künstlerin, Bergsteigerin, Feministin
Hedwig Scherrer, geboren am 11. März 1878 in Sulgen im Thurgau, wuchs in gutbürgerlichen Verhältnissen in St. Gallen auf. Ihr Vater war Jurist und Politiker, der sich für den Weltfrieden einsetzte. Ihre Mutter förderte ihr künstlerisches Talent. Sie setzte sich bereits in jungen Jahren für die Gleichstellung der Frau ein. Nach der Zeichnungsschule des St. Galler Gewerbemuseums, welche sie ab 1894 besuchte, folgte 1896 die Ausbildung an der Damenakademie der Münchner Künstlervereinigung, bevor sie 1900 in Paris ihre Ausbildung abschloss. Illustrationen und Portraits waren ihre ersten Auftragsarbeiten. Um Ruhe in der ländlichen Umgebung zu finden, plante sie das Atelierhaus in Montlingen als Gesamtkunstwerk. Sie selbst entwarf, bemalte und dekorierte das Haus, in das sie 1908 einzog. Doch auch die Jagdhütte der Familie war im Sommer einer ihrer liebsten Aufenthaltsorte. Diese steht noch heute im Nenzinger Himmel neben der Rochus-Kapelle. Hedwig Scherrer war auch eine begeisterte Bergsteigerin, die jedes Jahr die Schesaplana und andere Gipfel bestieg. Als eine der ersten Frauen trug sie dabei eine Hose. Auf verschiedenen Zeichnungen und Landschaftsgemälden hat sie das Gamperdonatal künstlerisch verewigt. Ihr Briefwechsel gibt Auskunft über die gesellschaftlichen Verhältnisse dieser Zeit. Ab Mitte der 1920er Jahre setzte sie sich mit dem Trachtenwesen auseinander. Sie komponierte Lieder und gestaltete ein Liederbuch für die Rheintaler Trachtengruppe. Die Friedensarbeit ihres Vaters setzte sie auf ihre eigene Art fort, geriet aber in den letzten Lebensjahren selbst in finanzielle Not, da sie sich für die Bedürftigen verausgabte. Das Haus in Montlingen vermachte sie der St. Galler Künstlervereinigung.

Blumenkunde
Die Stechpalme, (Ilex aquifolium) wächst als immergrüner Strauch oder Baum und kann bis zu 300 Jahre alt werden. Die unteren Blätter sind mit stacheligen Spitzen gegen Tierfraß versehen, die oberen Blätter sind rund. Durch die festen Blätter ist sie im Winter ein Schlafplatz für kleine Vögel. Die roten Beeren sind giftig und werden im Winter von Vögeln, zum Beispiel von der Drossel, der Mönchsgrasmücke und dem Rotkehlchen gefressen, die damit für die Verbreitung sorgen.

Quellenangabe
Oberriet.ch; og-montlingen.ch; Aus unserem Wald, Meierhofer Roshardt, Silva Verlag Zürich1959; Karte: Swisstopo 1096 Diepoldsau
Hertha Glück und Gerhard Vylet