Sport

„Ich möchte ein Vorbild für viele Mädchen sein“

07.03.2021 • 08:06 Uhr
Seit dem Winter werden die Frauen beim FFC Vorderland von Trainerin Thies angeleitet.<br><span class="copyright">stiplovsek </span>
Seit dem Winter werden die Frauen beim FFC Vorderland von Trainerin Thies angeleitet.
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Auftakt des FFC Vorderland heute (13 Uhr) mit Trainerin Jessica Thies (26).

Heute startet der FFC Vorderland in die Rückrunde der Frauen-Bundesliga. Und für Sie beginnt damit Ihre Amtszeit als Trainerin auf der sportlichen Bühne. Überwiegt die Vorfreude oder die Anspannung?
Jessica Thies:
Die Vorfreude. Nach einer langen Winterpause ist es immer schön, endlich wieder ein Match zu bestreiten, nachdem acht Wochen jeden Tag gearbeitet wurde. Da ist es an der Zeit, dass es losgeht, und bei jeder ist die Vorfreude, wieder auf dem Platz zu stehen, riesig.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Verlauf der Vorbereitung?
Thies:
Eigentlich sehr zufrieden. Für die Spielerinnen hat sich einiges umgestellt. Wir hatten davor drei Mal in der Woche Training, zurzeit haben wir fünf Mal. Eine zusätzliche Regenerations- und Krafteinheit und eine Ausdauer- und Krafteinheit zusätzlich zum sonstigen Training. Und im taktischen und technischen Bereich haben wir eigentlich alles durchbekommen, was wir wollten.

Was wollten Sie denn durchbekommen? Wie wird die Spielanlage und taktische Herangehensweise aussehen?
Thies:
Wir sind eigentlich flexibel. Wir haben zwei bis drei Systeme, mit denen wir spielen können. Das machen wir dann immer ein bisschen vom Gegner abhängig. Da hängt es davon ab, ob wir Pressing in der Offensive spielen, oder den Gegner stärker im Mittelfeld pressen. Nach vorne versuchen wir viel, mit flachen Pässen und schneller Spielverlagerung zu arbeiten.

Die Damen des FFC Vorderland trainierten in der Vorbereitung fünf Mal die Woche. <span class="copyright">Stiplovsek</span>
Die Damen des FFC Vorderland trainierten in der Vorbereitung fünf Mal die Woche. Stiplovsek

Wie gehen Sie nun in die heutige Partie gegen Bergheim hinein?
Thies:
Bergheim liegt uns leider nicht sonderlich, weil sie einen anderen Fußball spielen. Sie haben zwar ein ähnliches System, vorne aber eine Stürmerin und zwei schnelle Flügelspielerinnen. Diese Drei werden dauerhaft mit hohen Bällen gesucht und machen dann Tempo auf das Tor. Bergheim hat im Herbst viele Tore erzielt. Sie sind also sehr effektiv.

Das eigene Toreschießen scheint hingegen das große Manko zu sein. Nach neun Runden stehen nur sieben Tore zu Buche.
Thies:
Offensiv sind wir ziemlich gut, bis es in das letzte Drittel geht. Dort fehlen dann teilweise die Lösungsmöglichkeiten, das Selbstvertrauen für den Abschluss oder ein Goalgetter, der die Tore macht.

Inwiefern konnten Sie da in der Vorbereitung ansetzen?
Thies:
Die vergangenen vier Wochen haben wir uns auf die Offensive konzentriert. Wir sind dran, mit dem Spielermaterial zu arbeiten. Natürlich kann man nicht aus einer Mittelfeldspielerin einen Goalgetter machen. Das Stürmergen ist nicht trainierbar.

Heute (13 Uhr) startet der FFC Vorderland gegen FC Bergheim in die Rückrunde. <span class="copyright">stiplovsek</span>
Heute (13 Uhr) startet der FFC Vorderland gegen FC Bergheim in die Rückrunde. stiplovsek

Haben Sie eine konkrete Vorgabe für Ihr Team für die Rückrunde?
Thies:
Unsere Ziele werden von der ganzen Mannschaft definiert. Die gebe ich nicht vor, schließlich müssen die Spielerinnen mitarbeiten, um die Ziele zu erreichen. Das geht nur, wenn alle daran arbeiten. Wir wünschen uns, im Tabellenmittelfeld zu bleiben und dass wir nicht in den letzten Runden noch mit dem Abstieg konfrontiert werden. Wir würden auch gerne einen guten Mix finden, um unseren jüngeren Talenten mehr Spielpraxis in der Kampfmannschaft zu geben.

Sie waren zuvor Co-Trainerin beim FFC. Wie groß ist nun die Umstellung zur Hauptverantwortlichen?
Thies:
Der zeitliche Aufwand ist sehr viel intensiver. Ich habe eigentlich gerne die Verantwortung und Entscheidungsbefugnisse. Auch wenn ich mich mit meinem Betreuerteam in allen Belangen abspreche.

Sie sind auch die einzige Trainerin mit einer Uefa-A-Lizenz in Vorarlberg, womit Sie auch eine Vorreiterrolle im Frauenfußball übernehmen.
Thies:
Ich möchte gerne ein Vorbild für viele Mädchen sein, damit noch mehr Fußball spielen wollen. Damit auch die Breite im Fußball bei den Damen wächst und in der Folge auch mehr Frauen in den Spitzensport kommen. Egal ob als Spielerinnen, Schiedsrichterinnen oder auf Trainerebene. Der Frauenfußball erlebt in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung. Seit ich in der Akademie war, hat sich das um 180 Grad gedreht, und dennoch hat der Frauenfußball noch viel Potenzial.

Jessica Thies (r.) ist die einzige Dame in Vorarlberg mit einer Uefa-A-Lizenz. <span style="color: rgba(111, 111, 111, var(--text-opacity)); font-size: 0.75rem; text-transform: uppercase;"><span class="copyright">stiplovsek</span></span>
Jessica Thies (r.) ist die einzige Dame in Vorarlberg mit einer Uefa-A-Lizenz. stiplovsek

Was genau hat sich um 180 Grad gedreht?
Thies:
Die Auswahlmannschaft hatte früher ein Training in der Woche, und jetzt trainieren sie drei Mal und spielen in der Liga mit Jungs mit. Es professionalisiert sich von unten nach oben immer mehr. Langsam habe ich das Gefühl, dass der Frauenfußball als Sportart von allen Seiten akzeptiert wird.

Was wären für Sie nun die nächsten Schritte in der Professionalisierung des Frauenfußballs?
Thies:
Ganz wichtig ist bei den Spielerinnen die Quantität. Damit sich gerade im Nachwuchs viel bewegt, müssen alle Vereine dem Mädchenfußball gegenüber positiv eingestellt sein. Viel mehr Breite bedeutet dann auch mehr Spitze. Unser Verein schließt sich im Sommer mit dem SCR Altach zusammen, was ein riesiger Schritt ist, wenn ein Frauenmatch auch in einem Stadion ausgetragen wird und die Trainingsbedingungen ganz andere sind.

Den Zusammenschluss mit SCR Altach bewerten Sie also sehr positiv?
Thies:
Seit es den FFC Vorderland gibt, habe ich gesagt, wenn die Möglichkeit kommt, mit einem Profiklub zusammenzuarbeiten, muss man es tun. Bei uns haben immer die Trainingsmöglichkeiten gewechselt, dann ist man nirgendwo wirklich zu Hause. Dass diese Chance nun ergriffen wurde, beurteile ich sehr positiv. Ich finde nicht, dass man so an einem Namen hängen sollte, dass die nächsten Entwicklungsschritte verhindert werden.

Jessica Thies (r.) lobt die Zusammenarbeit mit dem SCR Altach ab der kommenden Saison. <span class="copyright">stiplovsek</span>
Jessica Thies (r.) lobt die Zusammenarbeit mit dem SCR Altach ab der kommenden Saison. stiplovsek

Mit 26 Jahren steht man ­eigentlich selbst noch aktiv auf dem Rasen. Was führte zum Wechsel?
Thies:
Pro Kreuzbandriss ein Trainerkurs, das beschreibt es. Bei der ersten Verletzung habe ich den Trainerkurs besucht. Dann habe ich zunächst Kinder trainiert und dann beim FFC die U16-Mannschaft. Das hat mir gefallen, und deshalb habe ich neben dem aktiven Spielen den nächsten Trainerkurs gemacht. Dann war ich wieder verletzt, und dann hat sich ­herauskristallisiert, dass ich mich auf diese Laufbahn zubewege.

Ähnlich verlief es ja bei Julian Nagelsmann, dessen Knie einer Profikarriere im Weg stand. Ist er eine Art Vorbild?
Thies
: Ich bewundere seine taktischen Schnellreaktionen. Er ist ein schlauer Trainer, und es ist bewundernswert, dass er eigentlich der erste Trainer war, der in jungen Jahren und ohne selbst wirklich eine Profikarriere hingelegt zu haben, schon soweit gekommen ist.