Als Regtop die Hackordnung klarstellte

Bregenz übernimmt die Rolle der Vorarlberger Nummer eins und schickt Lustenau in die „ewige“ Zweitklassigkeit – Teil vier der Sternstunden blickt zurück in das Jahr 2000.
In diesem Sommer könnte es wieder soweit sein. Wenn dem SCR Altach der Klassenerhalt gelingt und Austria Lustenau den Aufstieg fixiert, wird es wieder zwei Bundesligisten aus dem kleinen Vorarlberg geben. 1999 war dies zuletzt der Fall. Austria Lustenau hatte zwei Saisonen zuvor den Aufstieg aus der 2. Division geschafft und damit die 23 Jahre dauernde Durststrecke ohne Vorarlberger Erstligisten beendet. Zwei Mal war es den Grün-Weißen anschließend gelungen, sich als Neunter in der Liga zu halten, dann bekam die Austria Konkurrenz aus dem eigenen Bundesland. SW Bregenz hatte eine sensationelle Zweitligasaison gespielt, war zwischen August 1998 und April 1999 in 21 Spielen unbesiegt geblieben und hatte sich damit den Aufstieg in die „Beletage“ gesichert.
UI-Cup-Starter gegen Aufsteiger
Allerdings hatte die Austria im Land bereits für eine Normalisierung des Bundesligafußballs gesorgt, die Euphorie in Bregenz war bei weitem nicht so groß wie in Lustenau drei Jahre zuvor. In der ersten Saison kamen im Schnitt nur rund 3500 Zuschauer ins Bodenseestadion. Zusätzlich fielen die Leistungen des Aufsteigers zunächst bescheiden aus. Die Mannschaft von Trainer Srdan Gemaljevic startete mit vier Niederlagen in die Saison – darunter eine 0:3-Klatsche beim ersten Derby vor 14.000 Zuschauern in Lustenau. An diesem 21. Juli 1999 befand sich die Austria noch im „siebten Himmel“. In der Bundesliga auf Platz vier gelegen, hatte das Team von Trainer Klaus Scheer vier Tage zuvor das UI-Cup-Hinspiel gegen den französischen Großklub Stade Rennes mit 2:1 gewonnen. Doch drei Tage nach dem Derbysieg verloren die Grün-Weißen das Rückspiel in Rennes, und es begann ein historischer Negativlauf – unterbrochen einzig von zwei Siegen gegen Austria Wien und Austria Salzburg. Der Heimerfolg am elften Spieltag gegen die Mozartstädter sollte der letzte während der gesamten Saison bleiben – und das bereits Mitte September (!). Ein bisschen besser – wenn auch nicht viel – sollte es in Bregenz laufen, das zweite Derby endete im Bodenseestadion mit 2:0 für Schwarz-Weiß. Doch der Rückstand nach dem verpatzten Saisonstart war schon zu groß, in der Winterpause war ein Trio weit abgeschlagen: der LASK (20 Punkte), Austria Lustenau (17) und SW Bregenz (14).
Tabula rasa im Winter. Austria-Präsident Hubert Nagel trennte sich von Trainer Scheer und installierte Ex-Spieler Goran Stanisavljevic als neuen Coach. Zehn Tage später platzte die nächste Bombe. Erik Regtop, der kreative Kopf der Austria-Offensive, wechselte zu SW Bregenz. Nagel hatte einem Angebot zugestimmt, ohne zu wissen, dass es sich beim neuen Verein des Niederländers um den Konkurrenten aus Bregenz handelt. Es war eine Winterpause voller Überaschungen.
Die Verpflichtung von Regtop machte sich für die Gemaljevic-Elf sofort bezahlt, der Niederländer traf in den ersten beiden Spielen und war jeweils der Mann des Tages. Bis zum 30. Spieltag war Bregenz an den taumelnden Lustenauern vorbeigezogen und lag vor dem finalen Derby bereits sieben Punkte vor den Grün-Weißen, die unbedingt einen Sieg brauchten, um die Chance auf den Klassenerhalt am Leben zu erhalten. Im Zentrum der Vorberichterstattung stand wenig überraschend Regtop. In Lustenau seien 13.000 Maschinengewehre auf ihn gerichtet, ließ er eine Woche vor dem Derby martialisch verkünden, „eine kugelsichere Weste brauche ich keine“, legte er am Vortag des Spiels nach.
Das „Grande Finale“. Der Niederländer ließ großen Worten aber auch große Taten folgen und wurde im Derby der entscheidende Mann. Dabei hatten zunächst die Grün-Weißen die Kontrolle übernommen, doch als Schiedsrichter Fritz Stuchlik den Austrianer Michael Butrej wegen einer vermeintlichen Notbremse mit Rot vom Platz schickte (32.), begann die Partie zu kippen. Und dann war es eben Regtop, der in der zweiten Hälfte per Abpraller das 1:0 (57.) erzielte und kurze Zeit später per Flugkopfball für die Vorentscheidung sorgte (71.). Die gelb-rote Karte des späteren Altach-Trainers Alex Pastoor (72./Austria) und die beiden Treffer von Joker Bruno Friesenbichler (83.) und Regisseur Jan Ove Pedersen (87.) hatten nur noch statistischen Wert.
Es war nicht der Anfang des Endes, sondern das „Grande Finale“ der Lustenauer Träume vom Klassenerhalt. „Die Qualität hat nicht gereicht“, bilanzierte Stanislavjevic, der in seiner Zeit in Lustenau einen Punkteschnitt von 0,19 erreichte. Die Fehler von damals zu reparieren, daran arbeitet die Austria heute noch, auf die Rückkehr in die Bundesliga wartet der Verein nun schon 22 Jahre.
Und Bregenz? Die Schwarz-Weißen nutzten den Regtop-Coup und blieben bis 2005 in der Bundesliga, bevor sportlich und finanziell alles zusammebrach. Von der guten, alten Zeit träumen die stolzen Festspielstädter aber auch heute noch.