Wie Uli Hoeneß zum ÖFB-Glücksfall wurde

Ein Kommentar von NEUE-Sportchef Hannes Mayer zum Verbleib von Ralf Rangnick beim ÖFB.
Es ist eine geradezu wildromantische Vorstellung, dass Ralf Rangnick den Bayern abgesagt hat, weil sein Herz am ÖFB-Team hängt. Das lässt sich hierzulande gut verkaufen, denn damit macht er seinen Flirt wenige Wochen vor der EM mit dem deutschen Rekordmeister vergessen. Und mit dieser Formulierung können auch die Münchner nach der dritten Absage bei der Trainersuche zumindest versuchen, das Desaster zu erklären. Es wird auch sicher so sein, dass Rangnick großen Gefallen an seinem Posten beim ÖFB-Team gefunden hat. Aber dass der Deutsche beim ÖFB bleibt, dürfte sehr viel mit dem Chaos zu tun haben, das beim FC Bayern herrscht.
Hoeneß allmächtig
Die Münchner verkommen wieder immer mehr zur Ego-Bühne von Uli Hoeneß, der nach seinem FCB-Abschied im Jahr 2019 eigentlich keine operativen Aufgaben mehr bei den Bayern hat – und erst seit einem Jahr wieder einfaches Aufsichtsratsmitglied ist. Doch in Wahrheit entscheidet beim FC Bayern nur einer: Uli Hoeneß. Keine Personalie lässt sich gegen den Willen des jahrzehntelangen FCB-Managers durchdrücken, von ihm favorisierte Entscheidungen wiederum lassen sich nicht kippen. Im Sommer wollte Thomas Tuchel einen tiefstehenden Sechser, eine Holding Six, verpflichten. Hoeneß blockierte den Transfer bis wenige Stunden vor Ende des Transferfensters. Als sich der 72-Jährige doch noch erweichen ließ, tickte die Uhr. Am Ende wurde man sich zwar mit Fulhams Sechser Palhinha einig und flog den Portugiesen auch ein. Doch weil Fulham am Deadline-Day keinen Ersatz für Palhinha fand, platzte der Transfer noch. Später spottete Hoeneß, dass er froh sei, dass man keine „Flying Six“ geholt habe. Weniger Wertschätzung für den eigenen Trainer geht kaum.
Glücksfall
Schon 2018 arbeitete der damalige FCB-Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge intensiv an einer Verpflichtung von Tuchel, Hoeneß torpedierte den Deal, stattdessen kam auf Ulis Geheiß hin Niko Kovac. Hoeneß sagte damals: „Allen Unkenrufen und Schlaumeiern zum Trotz, die uns einen Thomas Tuchel oder wen auch immer als Wunschtrainer einreden wollten: Ich bin mit der Entscheidung des FC Bayern München, Niko Kovac als neuen Trainer zu haben, der glücklichste Mensch der Welt.“
Hoeneß konnte seit seiner Rückkehr zum FCB seine Antipathie gegenüber Tuchel nie verbergen. Dass sich die Münchner im Februar zu einer völlig übereilten Trennung von Tuchel per Saisonende hinreißen ließen, trägt klar die Handschrift von Hoeneß. Was den Kreis zu Rangnick schließt.
Vergangene Woche und damit wenige Tage vor dem Halbfinale gegen Real Madrid holte Hoeneß zur Abrechnung mit dem scheidenden Tuchel aus. Die Kritik ließ alle Beobachter fassungslos zurück. Woraufhin Hoeneß trotzig ankündigte, „wild entschlossen zu sein, meine Meinung wieder deutlicher zu machen“. Und genau diese Aussicht dürfte Rangnick die Chance seines Lebens verdorben haben, Bayern-Trainer zu werden. Rangnick war klug genug um zu wissen, dass alle Versprechungen, dass er bei den Kaderplanungen ein großes Mitspracherecht bekäme, nur leere Phrasen waren. In Wahrheit wäre er immer von den Launen von Uli Hoeneß abhängig gewesen. Das wollte sich Rangnick nicht antun – zum Glück für den ÖFB. Denn so wenig Rangnick zum FCB gepasst hätte, so sehr ist er für Österreich ein Glücksfall.