Die VEU steht mit dem Rücken zur Wand

Die Zukunft der VEU Feldkirch hängt am seidenen Faden – viele Unklarheiten gibt es auch zu den Pioneers Vorarlberg. Die Allianz der beiden Feldkircher Vereine bröckelt.
Zuletzt verdichteten sich die Hinweise, wonach der Eishockeystandort Feldkirch im Fall der Steueruntersuchungen gegen die VEU Feldkirch um eine Anklage herumkommen würde. Die Finanzpolizei hatte seit Frühjahr 2023 über viele Monate hinweg intensive Untersuchungen zum dringenden Tatverdacht der Abgabenhinterziehung in den Spielzeiten 2019/20 und 2020/21 durchgeführt – die NEUE hatte mehrfach exklusiv berichtet.
Nun bestätigte VEU-Obmann Reinhard Pierer auf NEUE-Anfrage, dass das Verfahren abgeschlossen sei und inzwischen „sämtliche Abgaben“ bezahlt worden seien. Ob das der ganzen Wahrheit entspricht, sei dahingestellt, für gewöhnlich werden in solchen Fällen Ratenzahlungen vereinbart. Sei es, wie es sei, mit der Formulierung „sämtliche Abgaben“ sind freilich nicht nur die fälligen Abgabennachzahlungen, sondern auch eine schmerzliche Strafzahlung gemeint. Am Eishockeystandort Feldkirch ist es also in der Vergangenheit zu Abgabenhinterziehungen gekommen.
Zwei-Vereine-Lösung
Dass diese Vorgänge gewissermaßen die alte VEU betrafen, als die VEU noch die erste Kampfmannschaft in Feldkirch stellte und noch Michael Lampert und Christian Groß die Geschäfte des Vereins führten, macht die Angelegenheit noch bitterer für das heutige Überbleibsel der einst so stolzen VEU: Denn mit dem Stempel der Steuerhinterziehung ist die Suche nach Sponsoren schwierig, wie Pierer in einer sehr emotionalen Anfragebeantwortung gegenüber der NEUE festgehalten hat. In der E-Mail bestätigt Pierer auch die NEUE-Information, wonach eine Teilnahme der VEU Feldkirch an der ÖEL fast schon ausgeschlossen ist. Pierer erklärte: „Zur Anfrage wegen dem ÖEL-Spielbetrieb sind wir derzeit dran, die beste Option zur optimalen Entwicklung und Förderung unserer Nachwuchsspieler zu prüfen und zu finden“. Soll heißen: Die VEU, einst als Serienmeister Schrecken der Kärntner Großklubs, europäisches Aushängeschild des österreichischen Eishockeys und schließlich sogar Euroligasieger, dürfte alsbald zum reinen Nachwuchsverein schrumpfen.
Es wäre der vorläufige Tiefpunkt der Entwicklungen nach der leidigen Feldkircher Zwei-Vereine-Lösung vor zwei Jahren, als sich die einstigen VEU-Macher Pit Gleim, Christian Groß und Michael Lampert von der VEU lossagten und mit den Pioneers Vorarlberg eine neue Organisation gründeten. So gelang in Feldkirch mit den Pioneers der Einstieg in die ICE Hockey League, so begann der Absturz der VEU. Geht es so rasant abwärts wie zuletzt, droht die Marke VEU bald schon ganz von der Eishockeykarte zu verschwinden.

Keine Partner mehr
Wie eng oder lose die Verbindung zwischen den Pioneers und der VEU mittlerweile noch ist, zeigt das Ausschlussverfahren. Pioneers-Geschäftsführer Groß grenzt sich öffentlich vehement von der VEU ab, die Begrifflichkeit, dass die VEU ein „Partnerverein“ sei, taucht bei der Pioneers-Kommunikation ebenfalls nicht mehr auf. Obwohl der heutige VEU-Macher Pierer über viele Jahre hinweg ein Mitstreiter von Gleim, Groß und Lampert bei der VEU war.
Als jedenfalls die Pioneers im Jahr 2023 am 25. Mai den Aboverkauf starteten, waren bei den Aboleistungen auch die Heimspiele der VEU inkludiert. Beim diesjährigen Aboverkauf, den die Pioneers wohl nicht grundlos schon Mitte April starteten, zählen die VEU-Spiele nicht mehr zum Paket. Weiters bestätigten die Pioneers vor einem Monat mit Headcoach Dylan Stanley, Assistantcoach Johannes Nygard und Goalietrainer Aapo Matikainen drei Trainer aus der Vorsaison. Dabei fehlte mal wieder etwas bei den Pioneers, das eigentlich da sein sollte: 2023 wurde Martikainen auch als Goalietrainer der VEU vorgestellt, dieses Mal nicht. Ebenso fehlte ein Assistantcoach, der so wie zuletzt Lars Foder als zweiter Assistantcoach der Pioneers und gleichzeitiger VEU-Headcoach der Verbindungsmann zwischen den beiden Mannschaften war.
Schlussstrich
Alles ganz starke Indizien, dass die VEU seitens der Pioneers fallengelassen wurde, so sollen die Pioneers vor allem auch die bisherige sechsstellige finanzielle Unterstützung der VEU eingestellt haben. Sollte VEU-Legende Michael Lampert als Sportdirektor der Pioneers das alles tatsächlich mittragen, dürften sehr viele heimische Eishockey-Fans großen Erklärungsbedarf verspüren. Zumal Lampert mit der VEU nicht nur zu einer Vorarlberger Eishockeyikone aufstieg, sondern praktisch sein ganzes Arbeitsleben lang VEU-Gehaltsempfänger war, also der VEU alles zu verdanken hat.
Gleichzeitig hat die VEU aber auch Lampert und Gleim viel zu verdanken, das sei nicht vergessen. Nach dem letzten Konkurs am Eishockeystandort Feldkirch in der Spielzeit 2006/07 taten sie alles, um die Marke VEU zu retten und den Verein in ruhiges Fahrwasser zu führen. Unruhig wurde es erst wieder, als man im Herbst 2018 von einem Einstieg in die seinerzeitige EBEL zu träumen begann, auf einen Pseudo-Investor hereinfiel und danach auf Biegen und Brechen zurück in die Erstklassigkeit wollte.

Auf Tauchstation
Immer drängender wird auch die Frage, wie es denn um die Pioneers Vorarlberg bestellt ist. Die NEUE hatte im September 2023 exklusiv berichtet, dass Haupt- und Namenssponsor Bemer den nach nur zwei Jahren auslaufenden Vertrag im Frühjahr 2024 nicht verlängern will. Bemer hat seither auf NEUE-Anfragen mehrfach den Ausstieg nicht dementiert. Pioneers-Geschäftsführer Christian Groß ließ unsere Redaktion wiederum am Karfreitag wissen, dass man die Öffentlichkeit zu gegebener Zeit darüber informieren werde, mit welchem Hauptsponsor die Pioneers in die neue Saison gehen werde. Stattdessen befinden sich die Verantwortlichen auf Tauchstation, Zeit wäre es mittlerweile längst, bis zum Trainingsauftakt sind es nur mehr rund zehn Wochen. Zumindest etwas helfen könnte, dass dieser Tage die Strukturförderung des Landes Vorarlberg auf dem Konto der Pioneers eintreffen sollte. Wobei man mit dem Geld eher nur die laufenden Kosten sowie mitunter vergangene Kosten abdecken dürfte.
Bei der Verabschiedung von Steven Owre Anfang April versprachen die Pioneers, in Kürze einen spannenden Kader zu präsentieren. Headcoach Stanley sondiert auch den Markt, so ist es nicht. Doch seither wurde lediglich das Torhütergespann David Madlener und Alex Caffi bestätigt. So sollen im Gegenteil mindestens drei österreichische Spieler, die als Fixkandidaten für die kommende Saison galten, sehr intensiv über einen Abschied nachdenken.
Weil die Gehälter bei den Pioneers niedrig sind und sich das präsidiale Versprechen von Pit Gleim aus dem Herbst, wonach mit Bemer alles geklärt sei, noch immer nicht bewahrheitet hat. Vielmehr deckte die NEUE im November 2023 auf, dass mit den Illwerke vkw, deren Sponsoring als erweiterte Sportlandesförderung gilt, ein wichtiger Sponsor bereits bei den Pioneers ausgestiegen war. Die einen Spieler zweifeln also am Projekt Pioneers und hoffen auf eine Wechselmöglichkeit, andere wie Bobbo Petersson wären gerne geblieben, mussten aber auf höchst seltsame Weise den Verein verlassen: Der schwedische Verteidiger erfuhr laut eigener Aussage durch einen Instagram-Post (!) der Pioneers, dass sein Vertrag nicht verlängert wird – bis dahin hatte er geglaubt, dass seine Zeit in Feldkirch weitergeht.
Derweil machen die Pioneers jungen österreichischen Spielern Vertragsangebote, die unter dem Existenzminium liegen. In mehreren Fällen haben sie jungen Österreichern, das heißt Spielern, die auf die Mitte 20 zugehen, Verträge mit einem Jahresverdienst von weniger als 10.000 Euro angeboten.

Frage des Geldes
Selbst wenn die Pioneers noch einen Hauptsponsor präsentieren, so viel wie Bemer in den vergangenen beiden Jahren wird wohl kein Sponsor mehr auf den Tisch legen. Bemer soll als Hauptsponsor weit mehr als die in der ICE-Liga marktüblichen rund 300.000 Euro bezahlt haben. Wie bereits berichtet, soll das üppige Sponsoring eine Starthilfe von Bemer-Gründer Peter Gleim für dessen Sohn und Pioneers-Präsident Pit Gleim gewesen sein.
Passiert also kein Eishockeywunder und taucht kein Großinvestor auf, werden die Pioneers mit einem deutlich geringeren Budget in die kommende Spielzeit gehen. Findet man auch keinen Hauptsponsor zu marktüblichen Preisen, bleibt den Pioneers gar nur ein Mini-Etat. Sportlich lässt das alles so oder so nichts Gutes erahnen: Die Vienna Capitals, in der Saison 2023/24 hinter den Stanley-Cracks nur enttäuschender Elfter, gehen mit einen um 20 Prozent höheren Budget in die kommende Saison. Gleich einen gewaltigen Sprung nach vorne werden die Grazer machen. In der Vorsaison noch Letzter, verfügen die 99ers nun dank dem neuen Präsidenten Herbert Jerich über ein Budget, das sie zum Meisterkandidaten macht. Durch den neuen Geldsegen der Grazer steigen die Preise für die österreichischen Spieler, die anhaltend hohe Teuerung tut ihr übriges.
Es gab wohl selten einen Zeitpunkt im heimischen Hockey, in dem eine Budgetreduzierung auf niedrigem Niveau solch negative Auswirkungen haben dürfte wie jetzt. Zumal Olimpija Ljubljana ebenfalls einen Großinvestor präsentiert hat, Nachzügler Asiago bastelt bereits intensiv an einem spannenden Kader. Die direkte Konkurrenz rüstet also mächtig auf. Nur bei den Pioneers ist praktisch noch nichts passiert, obwohl man eigentlich nach dem Erreichen der Play-offs und der starken Serie gegen den KAC auf einer Euphoriewelle ritt. Doch diese Euphorie ist längst dahin.
Alles wieder anders
Was wiederum den Kreis zur VEU schließt: Es rächt sich nun bitterlich, dass man in der Montfortstadt im Frühjahr 2022 mit nur einem Zweijahres-Hauptsponsorenvertrag den Sprung in die ICE Hockey League wagte und dafür am Eishockeystandort Feldkirch alles auf den Kopf stellte. Denn nun kämpfen gleich zwei Feldkircher Vereine um ihren Platz.
Aktuell arbeiten die Pioneers zusammen mit dem EC Bregenzerwald unter der Schirmherrschaft des Vorarlberger Eishockeyverbands an der Errichtung eines Vorarlberger Eishockey-Leistungszentrums, was wohl Landesförderungen möglich machen wird. Dass sich Dornbirn, Hohenems und Lustenau an dem Projekt beteiligen, kann nahezu ausgeschlossen werden, da diese drei Vereine zusammen mit dem SC Rheintal erst vor einem Jahr das Nachwuchskonzept „Rheintal Future“ vorgestellt haben. Spannend zum neugeschaffenen Eishockey-Leistungszentrum „ELZ“ ist der Hinweis von Verbandspräsident Florian Kleber, dass die verschiedenen Jahrgänge der ELZ-Teams an österreichischen Meisterschaften teilnehmen werden. Der älteste Jahrgang könnte an der ÖEL teilnehmen – wer eins und eins zusammenzählt ahnt: statt der VEU.
Sportlicher Leiter des Vorarlberger Leistungszentrums ist Michael Schurig, der in der Vorsaison noch Assistantcoach bei den Pioneers sowie Nachwuchskoordinator bei der VEU war. Bei Schurigs Vorstellung im April 2023 verlautbarten die Feldkircher noch: „Die VEU Feldkirch und die Bemer Pioneers Vorarlberg implementieren zur kommenden Saison gemeinsam ein neues Trainerkonzept. Dieses charakterisiert sich durch Schlagworte wie ‚Zusammenarbeit Nachwuchs- und Profibereich‘ ‚gemeinsame Philosophie‘ oder ‚intensive Kommunikation‘. Die Verpflichtung von Michael Schurig ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Baustein für die kommenden Jahre.“
13 Monate später ist alles anders in Feldkirch. Wirklich überraschen kann das nur diejenigen, die nie genau hinschauen wollten.