Sport

Die Österreicher lassen sich nicht in die Falle locken

30.06.2024 • 18:09 Uhr
DUESSELDORF,GERMANY,17.JUN.24 - SOCCER - UEFA EURO 2024, group stage, Austria vs France. Image shows Kylian Mbappe (FRA) and Kevin Danso (AUT).<br />Photo: GEPA pictures/ Johannes Friedl
GEPA pictures/ Johannes Friedl

Das Nationalteam ist für das Türkei-Spiel bestens gewappnet. Die Innenverteidigung ist eine Vorzeigeabteilung im Aufgebot von Ralf Rangnick.

Das österreichische Euro-Team ist nicht nur soeben dabei, nationale Fußballgeschichte zu schreiben, es sorgt längst über die heimischen Grenzen hinweg für Aufsehen. Am Sonntag wollte im ÖFB-Medienzentrum ein Journalist des britischen „Guardian“ von den auf dem Podium sitzenden Konrad Laimer und Kevin Danso wissen, ob denn die Auswahl von Ralf Rangnick, was das Zusammenspiel betrifft, mehr mit einem Klubteam zu vergleichen sei als andere Nationalmannschaften bei dieser Europameisterschaft.

Die Frage kam natürlich nicht aus heiterem Himmel, sondern ist als Hinweis darauf zu verstehen, dass die Außenwelt Notiz nimmt von der österreichischen Harmonie und dem Wirken als Kollektiv. Und dann reizte der Brite den Spielraum vollkommen aus und wollte wissen, ob denn die Österreicher mit dem täglichen direkten Blick auf das Berliner Olympiastadion nicht auch schon eventuell an das Finale denken würden. Bei der ersten Frage hatte Laimer leichtes Spiel. Das Team sei lange zusammen und viele hätten eine ähnliche Ausbildung genossen. „Wir wissen, was wir machen wollen.“ Die zweite hingegen blieb unbeantwortet.

In Österreich hat es sich schon zuvor mittlerweile herumgesprochen, dass es nicht gut ist, das konkrete Ziel vorwegzunehmen und so zu tun, als stünde das ÖFB-Team bereits (mindestens) im Viertelfinale. Die Spieler sind in diese Richtung ohnehin schon bestens erzogen. Also sprach Danso zwei Tage vor dem Achtelfinalmatch in Leipzig gegen die Türkei Klartext: „Wir denken nur an die nächste Runde.“ Sie tappen auch abseits des Feldes nicht so einfach in die Falle.

Apropos Zusammenspiel: Ein sehr gutes Beispiel ist die österreichische Innenverteidigung, die nicht nur ausgezeichnet besetzt, sondern auch austauschbar ist, ohne dass es zu Qualitätseinbußen kommt. Maximilian Wöber und Kevin Danso begannen gegen Frankreich, es folgten gegen Polen Philipp Lienhart und Gernot Trauner, der in dieser Partie das 1:0 erzielte, aber verletzt ausschied und auch am Dienstag nicht dabei sein kann. Dafür kehrte Wöber, dem gegen Frankreich das entscheidende Eigentor unterlaufen war, gegen die Niederlande zurück und bot neben Lienhart eine tadellose Leistung.

„Ich wollte auf alle Fälle so richtig im Turnier ankommen und zeigen, dass ich zurecht dabei bin und auch zurecht gegen Frankreich gespielt habe. Das geht einfach nur mit einer guten Leistung. Deswegen war das auch für mich persönlich ein wichtiger Abend“, erklärte Wöber nach dem 3:2-Erfolg über die Niederlande. Sein Einsatz und die Darbietung erklären auch den umfassenden Gemeinschaftsgedanken sowie das bestätigte Vertrauen des Teamchefs.

Das Reservoir der Innenverteidigung ist damit nicht ausgeschöpft. Leopold Querfeld kam gegen die Niederlande ab der 64. Minute zu seinem Euro-Debüt und fügte sich nahtlos ein in den österreichischen Gesamtauftritt. Zudem hat Teamchef Rangnick den bisher bei diesem Turnier noch nicht zum Zug gekommenen Salzburg-Kicker Flavius Daniliuc in der Hinterhand.

Der Konkurrenzkampf ist entsprechend groß, wie Danso bestätigt, aber „den gibt es in jeder Formation“, sagt der seit drei Jahren beim RC Lens beschäftigte Frankreich-Legionär. Seine Antwort auf die Frage, was denn einen modernen Innenverteidiger auszeichne, ist typisch für die österreichische Spiel- und Denkweise. Er müsse nach vorne verteidigen, stark sein im Eins-gegen-eins und sich an die oft sehr hohe Geschwindigkeit der gegnerischen Stürmer anpassen. „Die Spieler werden immer schneller.“

Im Idealfall taucht er dann auch noch, wie Trauner gegen Polen, vor allem bei Standardsituationen im gegnerischen Strafraum auf und erzielt, weil möglicherweise übersehen, ein Tor. Dazu ist eine allein schon durch die Erscheinung vorhandene körperliche Präsenz, die beim 1,90 m-Mann jedenfalls gewährleistet wird, kein Nachteil.

Kein Vorteil sind die vielen Gelben Karten, die sich die Österreicher in den Gruppenspielen eingehandelt haben. Von der Innenverteidigung betroffen sind Wöber, Danso und Querfeld, dazu kommen die am Dienstag in der Startelf erwarteten Marko Arnautovic, Christoph Baumgartner, Stefan Posch, Philipp Mwene und Laimer. Sie alle wären in einem Viertelfinale im Falle einer weiteren Verwarnung gesperrt. Patrick Wimmer würde dafür zurückkehren können. Er rechnet fix damit, denn er war am Sonntag als Erster auf dem Trainingsplatz.

Übertriebene Vorsicht ist vom ÖFB-Team allerdings nicht zu erwarten bzw. zu befürchten, denn wie sagte schon kürzlich Rangnick: „Wenn ich einem Conny Laimer erkläre, er möge sich ein bisschen zurückhalten, dann brauche ich ihn erst gar nicht aufzustellen.“ Damit ist alles gesagt.