Ein Schritt bis zur Unsterblichkeit

Der Bregenzer Lukas Mähr und Lara Vadlau gehen heute bei den 470er-Seglern als Führende ins letzte Rennen. Was passieren muss, damit die beiden Edelmetall ergattern.
Werden Lukas Mähr und Lara Vadlau heute im abschließenden 470er-Rennen, dem sogenannten Medal Race, mindestens Achte, ist ihnen eine Olympiamedaille sicher. Kommen die beiden unter die Top Vier, sind Vadlau/Mähr Olympiasieger. Es fehlt also nur mehr ein kleiner, und doch so großer Schritt bis zur Untersterblichkeit, bis zum Erfolg für die Ewigkeit. Denn Olympiamedaillengewinner ist man für immer, erst recht Olympiasieger. Das sagt alles über die Dimension der Leistungen von Vadlau/Mähr bei den Spielen aus.
„Super, Luki“, aber auch mal „Lass mich!“, dann wieder „Perfekt getroffen!“ Mähr und Vadlau kommunizieren während den Wettfahrten ständig – und hören dabei schon am Tonfall des anderen, was Sache ist. Die beiden präsentieren sich in der olympischen Bucht vor Marseille als ideal aufeinander abgestimmtes Duo. Vadlau/Mähr kennen von ihren vielen hunderten Trainingsstunden vor Ort die vielen Eigenheiten des technisch so anspruchsvollen Olympiareviers. Ihr Boot funktioniert dank ihrer detailversessenen Abstimmungsarbeit perfekt – selbst in den Tagen vor der Eröffnung feilten die beiden wie Besessene an den klitzekleinsten Materialdetails. Jetzt fahren die zwei 470er-Segler den Lohn ihrer Akribie ein.

Leichtwind
Der Bregenzer Vorschoter und seine Kärntner Steuerfrau führen vor dem heutigen abschließenden Medal Race der zehn besten Teams die Gesamtwertung an. Und das deutlich. Weil Vadlau/Mähr auch gestern bei den so schwierigen und von ihnen ungeliebten Leichtwindbedingungen überragende Leistungen boten.
Im ersten Rennen vom Dienstag überstanden Vadlau/Mähr einen durchaus kritischen Moment. Das rot-weiß-rote Duo musste nach einem defensiven Rennstart im Pulk segeln, war mal Fünfter, dann zwar Dritter, dann aber wiederum nur Siebter – und das in Reichweite der Teams hinter ihnen. Viele ihrer Konkurrenten setzten gestern alles auf eine Karte, denn es stand nichts weniger als die Teilnahme am Medal Race auf dem Spiel. Vadlau/Mähr ließen sich nicht in unnötige Positionskämpfe verwickeln, sondern blieben geduldig, ehe sie vor der letzten Zwischenzeit nochmals zulegen konnten und sich vom siebten auf den fünften Platz verbesserten. Wichtig!
Auch in das zweite Rennen des Tages starteten Vadlau/Mähr gestern vernünftigerweise ohne das letzte Risiko. Schließlich schleppten die beiden Österreicher die Hypothek mit sich, dass sie ihr Streichresultat für einen Frühstart im ersten Rennen verbraucht hatten. Dieser Fehlstart brachte ihnen eine Disqualifikation und damit den 20. Platz im Auftaktrennen ein. Noch ein Fehlstart hätte praktisch alle Medaillenträume von Vadlau/Mähr platzen lassen. Deshalb machten die defensiven Rennstarts mehr als nur Sinn. Denn Vadlau/Mähr hatten so viel zu verlieren, wie man als Sportler nur verlieren kann: Die Chance auf olympisches Edelmetall.

Clever
Ja, das rot-weiß-rote Segler-Duo legte es gestern wieder überaus clever an. „Unser großes Ziel war es, fehlerfrei zu bleiben. Am ersten Tag haben wir uns mit dem Frühstart unseren großen Schnitzer erlaubt. Unsere Priorität lag darauf, dass wir uns frei halten und unseren Speed nutzen. Wir sind im Moment pfeilschnell und haben versucht, als wir etwas hinten lagen, Boot um Boot zu holen – und das ist uns gut aufgegangen“, betonte Mähr im Anschluss an die Wettfahrten. Nach einem überlegten Start lagen Vadlau/Mähr zunächst auf Rang sieben, griffen dann aber nach der zweiten Zwischenzeit an, bauten ihren Vorsprung auf die hinter ihnen liegenden Gesamtzweiten Xammar/Brugman (ESP) immer mehr aus, überholten ihre anderen beiden direkten Medaillenkonkurrenten Okada/Yoshioka (JAP) und Dahlberg/Karlsson (SWE) und fuhren bis auf Rang zwei vor.
Danach verzichteten sie auf einen Zweikampf mit der führenden brasilianischen Kombo Duarte Haddad/Swan – weil die beiden Südamerikaner bei der Medaillenvergabe keine Rolle spielen. Und so vergrößerten Vadlau/Mähr ihren Vorsprung auf ihre Verfolger in der Gesamtwertung. Weil nach dem insgesamt achten Rennen der 470er-Olympiaregatta der Wind noch mehr abflaute als ohnehin schon, musste das dritte Rennen des Tages abgesagt und ersatzlos gestrichen werden.

Vorsprung
Damit gehen Vadlau/Mähr als klar Führende in das heutige Medal Race. Der Bregenzer Vorschoter und die Kärntner Steuerfrau stechen um exakt 15.43 Uhr mit 7 Punkten Vorsprung auf die zweitplatzierten Xammar/Brugman, 11 Punkten Vorsprung auf die Dritten Okada/Yoshioka und gar 15 Punkten Vorsprung auf die Schweden Dahlberg/Karlsson in See. Da heute die doppelte Punkteanzahl vergeben wird, heißt das eben: Werden Vadlau/Mähr mindestens Achte, ist ihnen eine Medaille sicher. Segeln sie unter die Top Vier, sind sie im Olymp des Segelsports angekommen – dann sind sie Olympiasieger. Vadlau betonte gestern: „Sämtliche Rechenspiele blende ich aus. Der Vorsprung ist nett, aber morgen wird es noch einmal richtig zu Sache gehen. Unser Trainer sagt ganz oft, wir müssen im Hier und Jetzt sein, alles andere können wir nicht beeinflussen.“ Mähr offenbart: „Wir haben unsere Strategie noch nicht festgelegt. Natürlich schauen wir, wo wir uns morgen positionieren wollen, aber vor allem schauen wir nach vorne und sind sehr positiv gestimmt.“
Und das völlig zurecht. Die beiden müssen über Nacht keine Probleme mehr lösen. Die Lösung ist ruhig zu bleiben und Spaß an der Sache zu haben. Dann wird das heute ein epochaler Tag für Lukas Mähr und Lara Vadlau.