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Mit den Rivalen unter einer Decke

18.11.2024 • 13:33 Uhr
Mit den Rivalen unter einer Decke
Die Nationalspieler Jean Carlos Levay-Theurer, Elias Mark, Kapitän Aurel Zehrer und Kilian Laritz (v.l.). Auf dem Bild fehlt Noel Hilbe. Dietmar Stiplovsek

Die österreichische Rollhockey-Nationalmannschaft gewann im September den Weltmeistertitel in der Challenger-Stufe – zur Gänze mit Vorarlbergern.

Sich Weltmeister nennen zu dürfen ist etwas, das den meisten Sportlern in ihrer Karriere verwehrt bleibt. Für Aurel Zehrer, Kilian Laritz, Jean Carlos Levay-Theurer, Noel Hilbe und Elias Mark ist dieser Traum erst vor Kurzem wahr geworden. Die Rollhockeyspieler des RHC Wolfurt konnten sich im September im italienischen Novara den Titel in der Challenger-Klasse, der dritthöchsten ­internationalen Spielstufe, ­sichern.
Das Quintett aus der Hofsteiggemeinde bildet die Hälfte des Kaders des österreichischen Nationalteams, der Rest stammt vom ewigen Ligarivalen RHC Dornbirn. Die Mannschaft besteht also nur aus Spielern, die aus Vorarlberg stammen. Ein Fakt, der nur den wenigsten bekannt ist und durchaus für eine stolz geschwellte Brust bei den Beteiligten sorgt. Sowohl bei den Spielern als auch bei den Verantwortlichen des Traditionsvereins aus Wolfurt. Denn all die genannten Talente stammen aus dem eigenen Nachwuchs, kennen sich teilweise schon seit Kindertagen. Und auch die Konkurrenz aus Dornbirn, die ja den anderen Teil der rot-weiß-roten Auswahl bildet, ist bestens bekannt. Denn mit dem Adler auf der Brust ist jegliche Rivalität vergessen.

In- und auswendig
Für Wolfurt-Kapitän Aurel Zehrer und seine Mannschaftkameraden ist es kein Problem, den Liga-Alltag von den Großereignissen mit der Nationalmannschaft zu trennen: „Wir kennen die Dornbirner ja auch privat, ab und zu unternimmt man etwas miteinander. Außerdem trainieren wir den ganzen Sommer zusammen, das klappt alles sehr gut,“ so der 28-Jährige, der seines Zeichens das Amt des Spielführers auch in der nationalen Auswahl innehat. „Ich würde sogar sagen, wir kennen uns in- und auswendig,“ ergänzt Jean Carlos Levay-Theurer. Und eigentlich müssten diese Kenntnisse ja auch für das Zusammenspiel auf dem Feld von großem Vorteil sein. Doch so einfach ist es nicht.
„Unter uns Wolfurtern klappt das Zusammenspiel natürlich sehr gut. Aber wir müssen uns jedes Mal wieder an die Spielweise der Dornbirner gewöhnen. Die Systeme der Trainer sind unterschiedlich, die Bewegungsabläufe anders. Zusätzlich kommen noch Trainerwechsel hinzu. Die machen das Ganze nicht gerade einfacher,“ so der gelernte Versicherungsmakler. Es sei erwähnt, dass Nationaltrainer Francesco Dolce zuvor der Coach des RHC Dornbirn war. Und doch gilt, da sind sich alle einig, dieselbe Faustregel wie in jedem Mannschaftssport: Je mehr man miteinander trainiert, desto schneller gewöhnt man sich aneinander, und das Spiel funktioniert immer besser.

Mit den Rivalen unter einer Decke
Thomas Haller, Spartenleiter Rollhockey im Österreichischen Rollsportverband, beim Training des RHC Wolfurt. Dietmar Stiplovsek

Titel mit Ansage?
Die österreichische Nationalmannschaft konnte an der letzten Europameisterschaft nicht teilnehmen und wurde darum bei der Weltmeisterschaft in Novara in die dritthöchste Klasse eingestuft. In dieser Stufe liegt das Niveau laut Zehrer etwas unter dem der Österreicher, darum hat man sich im Vorfeld schon etwaige Chancen auf den Titel ausgerechnet. Thomas Haller, Spartenleiter Rollhockey des österreichischen Rollsport-Verbands und selbst ein Urgestein beim RHC Wolfurt, erklärt: „Unser Anspruch war, die Gruppe zu gewinnen. Das war mit den Niederlanden und Uruguay nicht so einfach. Und der Modus ist mittlerweile leider so, dass du in der zweiten Gruppe nur als Gruppenerster das Finale spielen kannst. Wenn dem nicht so ist, kannst du am Ende maximal noch Dritter werden. Das war die Herausforderung“, so Haller, der auch die gesamte Organisation für die Reise nach Italien übernommen hat. Kapitän Aurel Zehrer pflichtet ihm bei: „Wir haben uns schon gute Chancen ausgerechnet, aber mit den Niederlanden war eine sehr gute Hockey-Nation in unserer ­Gruppe. Die andere konnten wir nicht richtig einschätzen. Da war zum Beispiel Mosambik. Bei deren Nationalteam kann es sein, dass der Kader gespickt ist mit Profis die in einer ­Top-Liga wie etwa in Portugal spielen Aber dieses Jahr waren sie keine ­Übermacht. Eigentlich haben wir nicht wirklich gewusst, was uns erwartet. Die Leistung der anderen Teams ist im Rollhockey im Vorfeld recht schwer einzuschätzen,“ klärt er auf.
Apropos Übermacht. Die Österreicher haben im Turnierverlauf die Chinesen mit 34:0 aus der Halle geschossen. Ein durchaus imposantes Ergebnis. Doch man zeigt sich bescheiden und realistisch. „China ist eine relativ junge Rollhockey-Nation. Das hat man definitiv an ihrem Spiel gemerkt. Und ehrlich gesagt gibt es Schöneres, als einem Gegner, der stark unterlegen ist, 34 Tore einzuschenken“, gibt Aurel Zehrer zu.

Stolz und Zusammenhalt
Für Jean Carlos Levay-Theurer war es die erste Weltmeisterschaft. Und gleich bei seiner Premiere konnte er sich mit seinen Kollegen den Titel sichern. Einen besseren Einstand gibt es wohl nicht. „Nun ja, ich habe schon immer mit dem Nationalteam trainiert, konnte dann aber doch nicht mitreisen. Dieses Mal war ich dabei, und es hat mir sehr gut gefallen. Sich Weltmeister nennen zu dürfen hat schon etwas für sich. Vor allem hat mich der Zusammenhalt zwischen den Spielern im Nationalteam sehr beeindruckt. Auch weil die andere Hälfte des Kaders ja vom direkten Konkurrenten hier in Vorarlberg stammt“, erzählt der 32-Jährige.
Der Zusammenhalt in der österreichischen Nationalmannschaft wird von allen fünf Spielern im Laufe des Gesprächs immer wieder hervorgehoben. Ansonsten hat jeder der Wolfurter seine eigenen Höhepunkte bei der Weltmeisterschaft in Italien für sich ausgemacht. „Ich würde sagen auf jeden Fall der Erfolg gegen Holland. Das war für uns mit Abstand das interessanteste Spiel. Es war ein verdienter Sieg und eine sehr gute Mannschaftsleistung. Abgesehen davon ist es immer ein Highlight, den starken Nationen beim Spielen zuzusehen. Dieses Niveau ist wirklich beeindruckend. Großartig war auch, dass viele Leute von uns nach Novara ­gekommen sind, um uns im Finale anzufeuern“, sagt Kilian Laritz.
Zum ersten Mal waren die Nationalspieler bei einem Großereignis nicht in einem Hotel untergebracht, sondern es wurden Appartements in einem Haus gemietet. So wurde zusammen gekocht, gegessen, die Freizeit gestaltet. Natürlich sei das so geplant gewesen, eine Teambuilding-Maßnahme, gibt Organisator Thomas Haller mit einem Augenzwinkern zu. Für den Jüngsten im Bunde, Elias Mark, steht die Unterkunft ganz oben auf der Liste: „Das ist für mich sowieso das Wichtigste. Zusammen sein mit den anderen, die Freizeit miteinander verbringen. Das ist wichtig, ich glaube, dann spielt man auch besser. Und ja, jeder von uns kann sich jetzt Weltmeister nennen“, sagt der 17-Jährige sichtlich stolz.
„Ich war von der Atmosphäre in Italien überrascht. Es hat schon bei der Eröffnungszeremonie angefangen, als alle Teilnehmer mit ihren Nationalflaggen durch die ganze Stadt gelaufen sind. So etwas hatte ich noch nie,“ zeigt sich Aurel Zehrer begeistert. „Ja, unser Fahnenschwinger,“ kann sich Levay-Theurer einen Seitenhieb auf seinen Kapitän nicht verkneifen.

Erkenntnisse und Zukunft
„Weltmeister zu sein ist natürlich großartig. Aber wenn man sich das Ganze aus unserer Sicht betrachtet, wäre die nächsthöhere Kategorie besser gewesen. Das wäre unser Niveau,“ sagt Zehrer, der in Italien seine vierte Weltmeisterschaft gespielt hat. Es gilt also, sich bei der nächsten Europameisterschaft in den Vordergrund zu spielen. Weitermachen werden sie alle fünf, das steht außer Frage. Oder? „Bei mir heißt es jedes Jahr, der hört sowieso auf. Aber ich kann eben nicht mit und auch nicht ohne Rollhockey,“ wirft Levay-Theurer schmunzelnd ein. Das Ziel wäre schon, einmal in die erste Stufe, die World Championships, zu kommen. Dass dies eine extreme Herausforderung ist, darin sind sich die Fünf alle einig.
Generell ist der Rollhockeysport eine Herausforderung: „Es soll nächstes Jahr die EM stattfinden. Ich weiß noch nicht wo und wann. Das mit Frankreich sind Gerüchte. Die Termine werden von den Verbänden oft sehr spät fixiert. Das macht es schwer, etwas zu planen,“ so Thomas Haller. Sicher ist nur, dass Österreich mit seiner Vorarlberger Nationalmannschaft beim nächsten Großereignis antreten wird.