Venier, die Erlöserin: Die nächste Chance

Nachdem Stephanie Venier mit ihrem Weltmeistertitel im Super-G die Skination erlöst hat, kann sie morgen ganz befreit in die Abfahrt. Für viele andere gilt das nicht.
Der Sieg von Stephanie Venier könnte genau die Initialzündung sein, die das ÖSV-Team gebraucht hat bei der Heim-WM. Der Medaillengewinn vertreibt die bösen Erinnerungen an die WM 1987 in Crans Montana, als Österreich zum dritten Mal in Folge bei einer Großveranstaltung ohne Goldmedaille und ÖSV-Cheftrainer Dieter Bartsch die Schutzbehauptung aufstellte, die Schweizer hätten ein Wunderwachs. Er wollte damit Zeit gewinnen, redete sich aber um sein Amt. Ausreden ist man zwar in Österreich gewöhnt und nimmt sie in achselzuckend hin: Sei es im Fußball, Eishockey, Handball oder Tennis. Aber nicht beim Skisport. Dieser Schwall an Ausreden ist also gebannt, wobei Venier nichts von der Rolle als Retterin der Skination hält. Sie würde in erster Linie für sich persönlich fahren, meinte die Tirolerin, die sich dennoch an die Rolle der Heldin gewöhnen wird müssen. Vielleicht kann sie morgen bei der Abfahrt ja sogar noch nachlegen, ihr WM-Titel war schließlich nicht nur ein Brustlöser für das ÖSV-Team, sondern freilich auch für sie selbst: Die 31-Jährige kann am Samstag bei der Abfahrt befreit auffahren.
Auf keine neue Rolle braucht sich Cornelia Hütter einzustellen. Die Steirerin wurde vor dem Super-G als Österreichs größte Hoffnung gehandelt, enttäuschte aber mit einer durchwachsenen Fahrt, diesen Rucksack nimmt Hütter in die Abfahrt mit. Enttäuschend verlief der Super-G auch für die Leiblachtalerin Ariane Rädler. Inwieweit sie von ihren Blessuren am Rücken beeinträchtigt war, die sie sich beim Sturz in Garmisch zugezogen hat, weiß nur Rädler selbst – von ihren Saisonbestleistungen war die 30-Jährige jedoch weit entfernt. Was annehmen lässt, dass sie nicht frei fahren konnte. Aufgrund der Verletzung von Ricarda Haaser kommt Rädler morgen nun doch bei der Abfahrt zum Einsatz. Eigentlich hatte sie die interne Qualifikation verloren, nun also bekommt sie doch eine zweite Chance. Es ist der Vorarlbergerin zu wünschen, dass sie bei der Abfahrt ans Limit gehen kann und ihr ein besseres Resultat als Platz 21 gelingt. Ihr heutiger Trainingsrückstand von abermals 2,19 Sekunden verheißt allerdings nichts Gutes.
Und dann war da gestern noch Lindsey Vonn, die nach 25 Fahrsekunden mit ihrer Schulter am Tor hängen blieb und ausschied – weil sie eine viel zu direkte Linie gewählt hatte. So langsam aber sicher bestätigt die 40-Jährige nun doch die Zweifel, die vor ihrem Comeback vielerorts geäußert wurden: Vonn wirkt nicht mehr am Punkt. Schon vor der WM zeigte ihre Formkurve stark nach unten, bei der WM enttäuschte die Amerikanerin zunächst mit schwachen Trainingsleistungen in der Abfahrt. Gestern nun also dieser, wohl aus dem Übermut geborener, Anfängerfehler, der womöglich nicht zuletzt just mit ihrer bisherigen Trainingsperformance in der Abfahrt zu tun hat: Vonn wird wissen, dass sie keine drei Sekunden mehr auf dieser Abfahrtsstrecke finden wird. Deshalb riskierte Vonn beim Super-G alles.
Nach dem Rennen suchte die Amerikanerin die Schuld für ihre Abfahrts-Trainingsleistungen beim Material. Beim gestrigen Super-G standen allerdings zwei ihrer Head-Markenkolleginnen am Podium, mit Venier am obersten Podest, die damit die Skination erlöst hat. Ob sie will oder nicht.