“Der Tag vergeht wie ein Moment”

Interview. Einst ist er von Au im Bregenzerwald ausgezogen, um die Snowboardwelt zu erobern. Er wurde Profi, gründete ein Unternehmen und konnte sich seine Träume erfüllen. Der Name Christian „Gigi“ Rüf hat tiefe Spuren im Schnee hinterlassen, und trotz all dem Trubel um seine Person ist er ein bodenständiger, sympathischer Kerl geblieben.
Knapp einen Monat ist es her, dass Christian „Gigi“ Rüf im kanadischen Revelstoke den dritten Platz bei der „Natural Selection“, einem Einladungswettbewerb für Snowboarder, errungen hat. Der 1981 geborene Vorarlberger hat damit so manchen seiner jungen Kollegen mit offenem Munde stehen lassen, hat mit seiner sportlichen Leistung aufgezeigt, gar ein bisschen überrascht. Und damit bewiesen, dass er noch längst nicht zum alten Eisen in seinem Metier zählt. Der NEUE am Sonntag hat er bei einem lockeren „Schwätz“ erzählt, wie es zu seiner Teilnahme gekommen ist, wie er überhaupt seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat und was er abseits der verschneiten Berge in der letzten Zeit so getrieben hat.
Herr Rüf, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben. Manche wissen es, manche nicht. Darum möchten wir gleich zu Beginn die, mit Sicherheit schon sehr oft gestellte, Frage nach Ihrem Spitznamen klären.
Gigi Rüf: Ja, mittlerweile bin ich als Gigi bekannt (lacht). Mir wurde eher öfter die Frage gestellt, ob ich wirklich so heiße. Aber meinen Spitznamen habe ich schon seit Kindertagen. Das müssen meine älteren Geschwister gewesen sein. Da ist aus Christian Kiki oder eben Gigi geworden. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass ich der jüngste von vier Kindern bin.

Sie haben vor knapp einem Monat beim Wettbewerb „Natural Selection“ in Kanada den dritten Platz erreicht. Und Sie waren doch einer der ältesten im Teilnehmerfeld. Haben Sie mit dieser Platzierung gerechnet?
Rüf: Eigentlich habe ich nur gehofft, dass ich kein schlechtes Bild abgebe (lacht). Ich habe erst vier Tage, bevor es losgegangen ist, die Einladung erhalten. Weil ein anderer Teilnehmer kurzfristig ausgefallen ist. Dann habe ich erst einmal einen Tag gebraucht, um das zu verarbeiten und zu sehen, ob sich das überhaupt ausgeht. Man hat ja Verpflichtungen gegenüber der Familie und so weiter. Dann bin ich relativ unvorbereitet nach Kanada geflogen und in den Wettkampf gegangen. Ich dachte, das packst du schon (lacht). Ich hatte ja nichts zu verlieren. Und schlussendlich war die Entscheidung mitzumachen goldrichtig.
Der Veranstalter Travis Rice ist ebenfalls ein Urgestein der Szene, Sie sind fast gleich alt und kennen sich schon lange. Wie war das Wiedersehen?
Rüf: Die Organisation des Events war ausgezeichnet. Die Unterkunft war super, wie man es sich wünscht. Wir bekamen alles gestellt. Eigentlich ist der rote Teppich für uns Fahrer ausgerollt worden. Das war schon eine Mords-Show. Auch das Zusammensein war großartig. Ich habe nicht nur Travis Rice wiedergetroffen, sondern viele Leute, die ich schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen habe. Und nebenbei habe ich mit meiner eigenen Snowboardmarke aufzeigen können.
Sie nehmen es vorweg. Im Jahr 2012 haben Sie ihre eigene Firma „Slash Snowboards“ gegründet. Wie geht es Gigi Rüf als Unternehmer?
Rüf: Ich kann nicht klagen. Wir sind immer noch ein Familienunternehmen und trotzdem in 15 Ländern weltweit vertreten. Wir bekommen sehr gutes Feedback von den Shops, und es ist ein sehr lebendiges Ding, das man gestalten kann. Für mich ist es Selbstverwirklichung. Einfach auch einmal da hinschauen, wo andere eben nicht hinschauen. Das funktioniert ganz gut.

Das klingt nach sehr viel Arbeit. Wie machen Sie das?
Rüf: Nun ja, ich mache fast alles selbst. Das mag so manchen vom Hocker hauen, aber ich mache es einfach (lacht). Und wenn man sieht, was sich seit der Gründung getan hat, darf man sich schon einmal auf die Schulter klopfen (lacht). Es ist nicht unsere Intention, die Weltherrschaft an uns zu reißen, aber wir spielen am Markt ganz gut mit.
Ganz banal: Sie haben also Ihr „Hobby“ zum Beruf gemacht?
Rüf: Ja. Und ich habe mir viele Träume erfüllen können. Nicht nur die sportlichen Erfolge.
Sie leben also Ihren Traum? Rüf: Ja. Aber ich bin dafür sicher schon mehr als eine Handvoll Tode gestorben. Von wegen da hätte schon einiges schiefgehen können. Risiko war immer dabei. Aber vielleicht war mir das Leben bisher so gut gesonnen, weil ich immer ein gewisses Maß an Demut und Dankbarkeit in mir hatte. Ich bin nie davon ausgegangen, dass das alles so aufgeht. Das, was ich wirklich wollte, habe ich mir gegönnt und erfüllt. Ich bin immer mit offenem Herzen auf die Dinge zugegangen. Und ich bin relativ einfach gestrickt. Mir ging es immer nur ums Snowboarden.
Sie wirken wie ein geerdeter Mensch. Ist das so?
Rüf: Auf jeden Fall. Ich würde sagen, ich bin ein dankbarer Mensch. Ich bin geprägt von unserer Kultur hier. Wir haben alles, was wir brauchen, und noch viel mehr. Und dabei darf man nie die vergessen, die vor uns da waren, die uns das alles ermöglicht haben, die Wegbereiter waren. Es geht um Dankbarkeit und Wertschätzung. Es muss nicht alles so „gnoot“ auf den schnellen Groschen aus sein.

Apropos die, die vor uns da waren. Was haben Ihre Eltern gesagt, als Sie den Wunsch äußerten, Profi-Snowboarder zu werden?
Rüf: Sie haben gefragt, ob man denn davon schon leben könne (lacht).
In aller Kürze: Wie ist der Junge aus Au im Bregenzerwald zum Profi geworden?
Rüf: In aller Kürze: Ich bin durch meinen älteren Bruder zum Snowboarden gekommen. Er hat damals dieses Sportgerät entdeckt. Meine Schwester wurde damals sogar Staatsmeisterin, so konnte ich das Ganze auch wettkampftechnisch verfolgen. Wir sind dann zu den „Soul Surfers“ in Damüls. Eine Gruppe, die mich inspiriert hat. Dort bin ich dann auf Sponsorensuche gegangen und habe einfach nicht mehr aufgehört. Genau der Junge aus Au, der nicht gewusst hat, was ihn hinter dem nächsten Berg erwartet (lacht). Für mich war es immer das Größte, im Schnee unterwegs zu sein. Man konnte die Berge und die Skilifte nutzen, der Tag vergeht wie ein Moment.
Und wie ging es dann weiter?
Rüf: Nach der Schule, es war um das Jahr 2000, und ich war 19 Jahre alt, habe ich meinen ersten großen Sponsorenvertrag unterschrieben. Ich habe ein Ticket-around the World bekommen und bin auf Contests in Japan und den USA eingeladen worden. Damals wurde ich mit Material unterstützt, so bin ich die ersten Jahre über die Runden gekommen.
Sie haben also schon viel von der Welt gesehen?
Rüf: Was Berge und Schnee anbelangt auf jeden Fall (lacht). Also recht viel auf der Nordhalbkugel. In Afrika war ich aber zum Beispiel noch nie.
Sie waren einer der ersten, der Big Mountain Snowboarding mit Tricks kombiniert hat. Würden Sie sich dahingehend als Vorreiter bezeichnen?
Rüf: Wir waren eine Gruppe, die ihr Geld gespart hat, um zu reisen. Wir haben dann in Alaska das Big Mountain Freestylen auf Video gebracht. Ich würde sagen, ja, da waren wir schon Vorreiter.
Wann war das?
Rüf: Das war im Jahr 2002.

Sie haben danach in vielen Snowboardvideos mitgewirkt. Wissen Sie noch, wie viele es waren?
Rüf: Das ist eine Zahl, die mir wahrscheinlich keiner mehr nachmachen kann (lacht). Es waren genau 48 Videos über 20 Jahre hinweg. Durch meinen damaligen Sponsor haben wir viel in den USA, vor allem eben in Alaska, gemacht. Und, ja, es war wichtig, um international einen Namen zu bekommen.
Ihre Karriere birgt sicher unzählige Highlights. Gibt es etwas Bestimmtes, an das Sie sich besonders gut erinnern?
Rüf: Es war großartig, dass ich zu „Natural Selection“ eingeladen worden bin. Die Wertschätzung, die ich dort erfahren habe, hat mich schon beeindruckt. Das ist vielleicht auch ein Trick von mir. Nicht zu viel erwarten, und dann klappt es schon (lacht). Und, ja, die Gründung meiner Firma. Viele haben mir davon abgeraten, und ich konnte sie eines Besseren belehren.
Alles in allem läuft es ja richtig gut für Gigi Rüf. Gibt es trotzdem irgendwelche Wünsche für die Zukunft?
Rüf: Natürlich Gesundheit für meine Familie und alle anderen. Ich hoffe, dass es noch viele gute Winter hat. Und das sich der Pessimismus auf der Welt bessert, den man mitbekommt, wenn man die Nachrichten liest. Aber meine Mutter hat immer gesagt: Es gibt nichts älteres als die Zeitung von gestern (lacht).