Sie zerhackt Klischees mit der Axt zu Kleinholz

Johanna Loretz ist Sportholzfällerin. Wie die Feldkircherin zu diesem ungewöhnlichen Hobby kam und wie sie als Frau in dieser Männerdomäne behauptet.
Johanna Loretz geht keinem gewöhnlichen Hobby nach: Während andere in ihrer Freizeit auf dem Fußballplatz oder im Tanzstudio anzutreffen sind, hat sich die 33-Jährige dem Sportholzfällen verschrieben. Die Feldkircherin gehört österreichweit zu den besten ihres Fachs und konnte schon einige Titel einheimsen – allen voran den Staatsmeistertitel 2023.

„Mich hat das Holzfällen immer schon interessiert. Zum Sport kam ich, indem ich mir zahlreiche Videos angeschaut habe“, berichtet Loretz, als die NEUE sie bei ihrem Trainingsplatz in Feldkirch besucht. Das Sportholzfällen habe sie „geflasht“, erzählt die sympathische Feldkircherin weiter. „Als ich mich für ein Newcomercamp in der Schweiz angemeldet habe, wurde ich dort total herzlich aufgenommen.“ Von da an war der sportliche Weg von Loretz vorgezeichnet.
Vier Disziplinen
Bei der Stihl Timbersports-Serie, den aktuell wohl größten Sportholzfäller-Wettbewerben, gibt es für Frauen vier Disziplinen. Diese tragen die Namen „Underhand Chop“, Standing Block Chop“, Single Buck“ und „Stock Saw“.
Beim „Underhand Chop“ stehen die Athletinnen auf waagrecht fixierten Holzstamm, den sie von beiden Seiten mit einer Axt durchhacken müssen. Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert die Disziplin „Standing Block Chop“, in diesem Fall ist der Holzstamm aber senkrecht angebracht und simuliert einen stehenden Baum. In der Kategorie „Stock Saw“ sagen die Teilnehmerinnen mit einer motorbetriebenen Kettensäge, bei „Single Buck“ händisch mit einer Zugsäge.

Bei allen Bewerben geht es um die Zeit – wer am schnellsten sägt, gewinnt. Für die NEUE am Sonntag zeigt Johanna Loretz exemplarisch, wie sie bei einem „Underhand Chop“ vorgeht. Zu Beginn heißt es natürlich: Safety First. Johanna Loretz trägt, so wie alle Sportholzfäller, sogenannte Kettenstrümpfe. Diese schützen Füße, Knöchel und Unterschenkel, falls man versehentlich mit der Axt abrutscht.

Mit einem Kreidestift zeichnet Loretz die Stellen an, wo sie mit der Axt ansetzt. Wie erwähnt, muss das Holz beidseitig durchgehackt werden – bricht der Stamm nur von einer Seite durch, ist man disqualifiziert.

Beim Hacken mit der Axt geht es nicht allein um „rohe Gewalt“, weiß die Feldkircherin: „Natürlich kann man das Holz auch mit reiner Kraft durchhacken. Aber wenn du die richtige Technik hast und weißt, in welchem Winkel du die Axt ansetzen musst, können weniger starke Holzsportler schneller durch den Stamm hacken.“

Bemerkenswert ist auch die Atemtechnik der 33-Jährigen: Sie atmet immer genau dann aus, wenn sie mit der Axt zum Schlag auf das Holz ansetzt. „So vergisst man nicht, Luft zu holen und kann seine gesamte Power in den Schlag geben“, erklärt Loretz die Technik, die mit dem Schrei von Tennisspielern beim Schlag vergleichbar ist.
Staatsmeisterin 2023
Neben ihrem Trainingsplatz in Feldkirch ist Johanna Loretz fast jede Woche auch in der Schweiz anzutreffen. Über besagtes Probetraining ist sie zum Axemenclub Nordostschweiz gekommen und ist in den drei Jahren, an denen sie sich dem Holzsport kompetitiv verschrieben hat, zu einigen Wettbewerben in ganz Europa gefahren. Am meisten sticht wohl der Erfolg 2023 heraus, als sich Loretz zur Staatsmeisterin in der „Austrian Women‘s Championship“. Ende August nahm sie auch an den DACH-Meisterschaften der Stihl Timbersports-Serie teil und musste sich nur der Niederösterreicherin Juliana Einfalt geschlagen geben. Platz zwei ist dennoch ein Ausrufezeichen.

Dass Holzfällen eine Männerdomäne ist, bekommt auch Johanna Loretz manchmal mit: „Es gibt ganz verschiedene Reaktionen darauf, dass ich Sportholzfällerin bin. Das Lustige ist, dass es überhaupt eine Reaktion gibt. Wenn ich ein Mann wäre, würde sich kein Mensch etwas dabei denken.“ Die meisten Reaktionen seien aber positiver Natur, bestätigt die Feldkircherin. „Ich bekomme auch viel Unterstützung von Männern. Man muss die Geschlechterrollen eben ein wenig durchschütteln. Wenn die ‚klassische Frau‘ das machen will, warum nicht?“
Das Hobby zum Beruf gemacht
Die Leidenschaft fürs Holzfällen hat Johanna Loretz inzwischen auch zum Beruf gemacht: Die ausgebildete Sozialpädagogin hat als Quereinsteigerin umgesattelt und arbeitet nun für die Stadt Bludenz als Forstfacharbeiterin. Auch in ihrer Freizeit ist sie als Jägerin oft in der Natur unterwegs.

Für alle, die selbst am Sportholzfällen interessiert sind, rät die 33-Jährige: „Am besten geht man auf einen Wettbewerb und spricht die Menschen vor Ort an. Die Leute im Sportholzfällen sind sehr offen, wie eine riesige Familie.“
(NEUE Vorarlberger Tageszeitung)