„Sorry, der passt nicht in den Terminplan“

Die besten Läufer der gastgebenden Nationen beim Drei-Länder-Marathon an den Start zu bringen, scheint ein unmögliches Unterfangen, wie auch Europameister Richard Ringer erklärt. Patrick Spettel (ZSV) würde heute wohl den Titel gegen eine Zeit unter zweieinhalb Stunden eintauschen.
Johannes Hämmerle sprach’s aus, bei der Pressekonferenz für den heute ab 9.45 Uhr stattfindenden 18. Drei-Länder-Marathon von Lindau über St. Margrethen nach Bregenz (um 10.30 Uhr erfolgt der Start für Halb- und Viertelmarathon sowie Nordic Walking). Und viele Redner, die dem Vorstand der Sparkasse Bregenz folgten, nahmen dessen Worte auf. „Wir sind in schwierigen Zeiten, es ist Krieg. Füreinander da sein, aufrichtig sein, das geht verloren. Umso beachtlicher ist der Teilnehmerrekord, den wir vermelden können. Damit können wir eine positive Stimmung verbreiten.“ So richtig erklären kann es wohl keiner, dass der Laufsport bei sämtlichen Altersklassen einen dermaßen großen Anklang findet. Bei nahezu allen Events auf der Welt. Über 12.000 Anmeldungen für die diversen Strecken plus 3000 Kids am Vortag bedeuten einen absoluten Rekord an Teilnehmern im Dreiländereck.
Ohne Pass über die Grenze
„Der Marathon ist ein Friedensprojekt“, meinte der Bregenzer Bürgermeister Michael Ritsch, der von einem Treffen vor wenigen Tagen berichtete. „Zwei Libanesen und ein Ägypter waren bei einer Laufeinheit, und wir sind ins Gespräch gekommen. Sie meinten, sie hätten sich für eine Woche hier eingemietet und wollen beim Drei-Länder-Marathon dabei sein. Das sind die Geschichten, von denen unser Laufevent lebt.“ Läufer aus 96 Nationen werden heute auf die verschiedenen Strecken gehen, „die Internationalität ist dem Grenzenlosen geschuldet. Wir hören immer wieder, wie ungeheuer werbewirksam es ist, ohne den Pass zeigen zu müssen durch drei Länder laufen zu können. Da kann ich die Unterstützung und Bereitschaft der drei Länder gar nicht oft genug hervorheben“, sagt OK-Chef Robert Küng, der sich bezüglich der 12.000 Anmeldungen ein Lächeln nicht verkneifen konnte: „Sie wollen unsere Grenzen ausloten.“
irut, Singapur, Kansas und Oklahoma City, Liverpool und vor allem Fortaleza in Brasilien (die wohl dafür sorgen, dass aus Brasilien die viertmeisten Teilnehmer gemeldet haben) sind am Start, Topläufer sind jedoch eher rar im Feld. Rennleiter Günter Ernst nennt es eine „kleine, aber feine Truppe“, die absolute Topzeiten rennen kann. Und erwähnt in diesem Zusammenhang die Nummer eins bei den Frauen, die Deutsche Rabea Schöneborn, deren Mutter in Österreich wohnt. Eigentlich hätte die Team-Europameistern von 2022 beim Berlin-Marathon starten sollen, eine Verletzung verhinderte dies jedoch. „Die Schönheit der Umgebung steht am Sonntag nicht im Fokus, aber bis Kilometer zehn werde ich es genießen können“, sagt die ehemalige Fünfkämpferin aus Berlin und lacht. 2021 verpasste die 31-Jährige in Enschede, wohin aufgrund der Pandemie der Hamburg-Marathon ausgelagert wurde, die Olympiaqualifikation um acht Sekunden, lief dort jedoch ihre pB von 2:27:03. Rabea und ihre Zwillingsschwester, die auch die Trainingspartnerin ist, seien fünf Minuten auseinander, Günter Ernst verriet in diesem Zusammenhang, dass er einen Zwillingsbruder habe, „was wenig bekannt ist“.
45.000 in 90 Minuten
Der große Favorit auf den Vorarlberger Titel ist Patrick Spettel, dessen vorrangiges Ziel allerdings ist, endlich die 2:30:00 zu knacken. In Zürich absolvierte der 36-Jährige seinen einzigen Marathon heuer und beendete diesen in 2:32 Stunden. „Natürlich“ sei er auch dort auf die 2:30 losgegangen. Wobei Spettel heuer auch den LGT Alpinmarathon in Liechtenstein absolvierte und nach 1800 Höhenmetern in 3:20 Stunden Gesamtdritter wurde. „Ich habe den Sommer über gut trainiert, mit bis zu 130 Kilometern pro Woche, und bin verletzungsfrei geblieben. Von daher könnte es diesmal klappen“, so der ZSV-Wolfurt-Langstreckler. Beim Drei-Länder-Marathon sind heuer rund 30 Vorarlberger gemeldet, die Patrick Spettel den Titel streitig machen könnten, mehr als in den letzten Jahren, „ich wüsste aber nicht, wer mir gefährlich werden könnte“. Bei den Frauen nennt Rennleiter Günter Ernst Selina Kohler, Monika Lenzi und Anna Bohle als Kandidatinnen auf die Landesmeisterschaft.
Ernst weilte zuletzt wieder beim Malaysia-Marathon und kümmerte sich dort erneut um das Elitefeld. In 90 Minuten seien die 45.000 Anmeldungen über die Bühne gegangen, Hauptgrund für die Teilnahme sei ein Finisher-Shirt, das zuweilen auch per Abkürzung ergattert werde. „Zuerst fällt das ja nicht auf, wenn du über die Ziellinie läufst. Und dann hast du es ja schon.“ Der Start erfolgt regelmäßig um 3.30 Uhr bei rund 30 Grad, was die einheimischen Läuferinnen laut dem Bregenzer nicht davon abhält, in langen Hosen, dementsprechendem Oberteil und Kopftuch zu laufen, Die Siegerzeiten waren ob der Bedingungen ebenfalls dementsprechend: 2:17:28 bzw. 2:41:36.

Berlin als Kontrahent
Günter Ernst, der selbst eine persönliche Bestleistung von 2:32:14 zu Buche stehen hat und unter anderem bei Feldkirchs Eishockeyspielern die Leistungsdiagnostik durchführt, ist wie all die Jahre – und jetzt umso mehr – der Meinung, „dass bei der Größe des Teilnehmerfeldes auch Qualität da sein muss“. Dem 54-Jährigen schwebt vor, dass speziell aus den drei gastgebenden Ländern Topläufer am Start stehen – ein Unterfangen, dass nur schwer zu erreichen sein wird. „Da ist Berlin der erste Kontrahent für uns. Da es dort alljährlich ein schnelles Rennen ist, entscheiden sich viele für Berlin – obwohl du dort für eine Zeit von 2:09 nichts bekommst, wenn du Zehnter wirst. Bei uns hingegen sehr wohl.“ Die Veranstalter müssten das entsprechende Umfeld bieten, „was wir mit unserer schnellen und schönen Strecke auch können“, aber auch das nötige Geld für die Spitze bereitstellen. Der dreifache Familienvater stellte sich unlängst mit seinem Sohn, Schauspieler Nico Raschner, in Verona einem Duell im Halbmarathon, das der 30-Jährige 100 Meter vor dem Ziel im Sprint für sich entscheiden konnte.
Enger Terminplan
Sein letztes – denkwürdiges – Sprintduell konnte Richard Ringer gewinnen. Die NEUE fragte den Marathon-Europameister von München, ob für ihn nicht mal ein Start beim Drei-Länder-Marathon infrage käme. „Sorry, aber der passt nicht rein in den Terminplan“, lässt der gebürtige Überlinger wissen. „ich bin auch noch nie in Berlin, Frankfurt oder München, wo ich mittlerweile wohne, gelaufen“, klärt der Ehemann der österreichischen Langstreckenläuferin Nada Ina Pauer auf. Und kann vielmehr mit einer lustigen Begebenheit aufwarten: „Als ich noch in Bregenz wohnte, bin ich bei einer Laufeinheit mal auf die Strecke des gerade laufenden Drei-Länder-Marathons gekommen. Ich bin aber nicht durchgelaufen.“
Einen Start, auch nicht beim Viertelmarathon, wird es nicht geben, „weil du als Europameister und dreifacher Olympiastarter lieber gar nicht läufst als überall. Denn wenn du antrittst, dann richtig. Durch die späte WM (Ringer wurde in Tokio 13.; Anm.) habe ich die Saison beendet und versuche in Birmingham 2026 meinen EM-Titel zu verteidigen und mich des Weiteren für die WM 2027 in Peking zu qualifizieren. Wenn ich für das Nationalteam laufe, verdiene ich eigentlich keinen Cent. Viele meiner Läuferkollegen sehen das überhaupt nicht ein.“ Richard Ringer ist eben auch dafür bekannt, eine entsprechende Leistung an den Tag zu legen, wenn er denn startet. „Im Training laufe ich die 40 Kilometer in 2:08, wenn ich durchziehe, kommt eine 2:14er-Zeit raus“ – für viele, für die meisten Starter des Drei-Länder-Marathons heute ein Traum, der ein solcher bleiben dürfte.
Von Jochen Dedeleit