Freiburger Heimspiel vor Schrunser Bergkulisse

Neun Tage lang war der deutsche Bundesligist SC Freiburg für ein Trainingslager zu Gast in Schruns – und das zum 19. Mal. Die NEUE besuchte die Breisgauer. Exklusive Einblicke.
Donnerstag, 11.50 Uhr am Schrunser Hauptfußballplatz. Seit 50 Minuten läuft die letzte Trainingseinheit des diesjährigen Freiburger Sommertrainingslagers im Montafon. Die rechten Außenbahnspieler Cyriaque Irié, Ritsu Doan und Lukas Kübler sind angehalten, am Ende einer Ballstafette den Ball von rechts in den Strafraum zu den Mittelstürmern zu flanken. So segeln mindestens im Minutentakt Hereingaben von rechts in den Strafraum, die eine um die andere wuchtig und mit viel Effet bei den Abnehmern in der Mitte wie ÖFB-Teamspieler Michael Gregoritsch ankommen. Freiburg-Trainer Julian Schuster ist dennoch nicht zufrieden. „Ihr müsst viel näher zur Grundlinie ziehen, dann stellt ihr die gegnerische Abwehr vor viel mehr Probleme.“

Top-Niveau
Um mit gutem Beispiel voranzugehen, schnappt sich Schuster den Ball, rennt die rechte Außenbahn bis knapp bis zur Grundlinie entlang und schlägt eine Flanke, wie man sie besser kaum in die Mitte zirkeln kann. Der 40-jährige Trainer, dessen Vertrag am Montag verlängert wurde, schickt ein „So will ich das“ hinterher. Die Botschaft ist angekommen. Denn danach ziehen die Flankengeber wie vorgegeben zur Grundlinie, praktisch keine einzige Hereingabe geht klar an den Zielspielern vorbei. Den vielen Zuschauern auf der vollbesetzten Tribüne entlockt das nicht nur ein Mal ein Raunen.
Was hier geboten wird, ist Fußball auf Top-Niveau. Die Breisgauer sind in der abgelaufenen Saison Fünfter in der deutschen Bundesliga geworden. Die Champions League verpassten sie wohl nur, weil man am drittletzten Spieltag in den Schlussminuten gegen Titelverteidiger Bayer Leverkusen noch zwei späte Tore zum 2:2 kassierte.

60-köpfiger Tross
Dann steht eine neue Trainingsübung an. Simuliert wird ein kompletter Angriff mit einem Spielaufbau über die Verteidiger, mal wird der Angriff auf Kommando mit schnellen Kurzpässen aufgebaut, mal schlagen die Innenverteidiger lange Diagonalbälle. ÖFB-Teamverteidiger Philipp Lienhart glänzt dabei von der linken Innenverteidiger-Position aus ein ums andere Mal mit punktgenauen Seitenwechseln, was Trainer Schuster nicht nur ein Mal mit Lob quittiert. Als dann Neuzugang Irié, er kam für kolportierte 8,5 Millionen Euro vom französischen Zweitligisten Troyes, einen Angriff mit einem satten Volleyschuss sehenswert krönt, entfährt Gregoritsch ein anerkennendes „Jaaaa!“.
Einen Daumen hoch gibt es auch von Sascha Glunk, dem Sport-Kommunikationsleiter des SC Freiburg. Glunk nimmt sich viel Zeit für die NEUE, er erklärt, dass der Tross der Freiburger aus etwa 60 Personen besteht. „Es ist wie ein Heimkommen, wenn wir nach Schruns kommen“, erklärt Glunk, der zum 17. Mal mit Freiburg für ein Trainingslager ins Montafon kommt und damit nur bei den ersten beiden Freiburger Trainingslagern in Schruns nicht dabei war. Nächstes Jahr werden die Schwarzwälder wohl die 20 voll machen, fixiert sei das aber noch nicht, wie Glunk betont. „Entscheiden tun das andere. Nur fallen mir keine Gründe ein, warum wir nicht auch nächstes Jahr wiederkommen sollten.“

Individuelle Bitten
Szenenwechsel in die Kantine. Dort steht mit Marco Summer vom Aktivpark Montafon der verantwortliche Organisator des Freiburger Trainingslagers hinter der Theke. Er versorgt die Freiburger Staffmitglieder mit Kaffee und Getränken. Die Stimmung ist locker, aber nicht albern. Man versteht sich, legt einander die ein oder andere Pointe auf, bleibt aber immer seriös. Als Beispiel taugt, als Summer auf die Frage nach den Freiburger Sonderwünschen antwortet: „Die halten sich in Grenzen. Sonderwünsche ist sowieso das falsche Wort“, sagt der Montafoner, der vor zwei Jahren die Verantwortung für die Freiburger Trainingslager von Vater Rudi Summer übernommen hat – und schickt nach: „Unter Sonderwünschen könnte man ja verstehen, dass es sich um extravagante Vorgaben handelt. Das ist überhaupt nicht der Fall. Es gibt individuelle Bitten von Einzelnen.“

Infrastruktur
Aus dem Hintergrund kommentiert Freiburgs gerade hereinkommender Kommunikationsleiter Glunk schmunzelnd: „Wie zum Beispiel ich, weil ich den Kaffee mit Milch trinke.“ Summer lächelt. „Genau solche Dinge meine ich. Die Freiburger sind sehr pflegeleicht.“
Nichtsdestotrotz hohe Ansprüche stellt der deutsche Bundesligist an die sportliche Infrastruktur. Der Rasen muss während des gesamten neuntägigen Trainingslagers konstant preußisch genau eine Höhe von 23 Millimeter aufweisen. Auch bei der Bewässerung machen die Breisgauer klare Vorgaben. Aber das hat nichts mit Sonderwünschen zu tun, sondern ist vielmehr Ausdruck einer professionellen Arbeitsweise und der hohen Ansprüche, die bei einem Topklub herrschen. Damit diese Vorgaben erfüllt werden, beginnt Summer zwei Wochen vor dem Trainingslager mit der Vorbereitung der Sportstätte. Dazu gehört auch das Anbringen der Freiburger Bandenwerbung. Ebenso klar sind die Vorgaben für die Medienvertreter. Wo der Rasen beginnt, endet der Zutrittsbereich für die Fotografen und Journalisten.

Naturrasen
Ein Plus für Schruns ist auch, dass die Sportanlage zwei Naturrasenplätze umfasst und auch Platz für ein räumlich getrenntes Torhütertraining bleibt. Interessant ist, dass die Badener im Trainingslager nicht zwei Mal täglich trainieren, wie das vor Jahren noch gang und gäbe war, sondern eine Vorbereitungswoche auf ein Bundesliga-Spiel simulieren.
Die Belastungssteuerung erfolgt individuell anhand der biometrischen Daten, die Sensoren am Körper ermitteln. Bei den ersten Freiburger Sommer-Gastspielen im Montafon, damals war Robin Dutt Trainer beim SCF, sind die Spieler noch die Europatreppe in Partenen hochgerannt. So ändern sich die Zeiten. Untergebracht ist der SC Freiburg im Alpenhotel Montafon, über mehrere Tage hinweg absolvierte auch die zweite Freiburger Mannschaft ein Trainingslager im Montafon. Die jungen Breisgauer waren in St. Gallenkirch zu Gast und übernachteten im Wellnesshotel Grandau.

Gut fürs Montafon
Die Delegation der zweiten Freiburger Mannschaft umfasste rund 35 Köpfe. Wenn man dann von den Tribünengästen noch hört, dass sie ihrem SC Freiburg ins Montafon gefolgt sind oder, was noch eindrucksvoller ist, Schwarzwälder deshalb in Montafon kommen, weil sie durch die Trainingslager-Bilder auf die Region aufmerksam wurden, dann kann man erahnen, was für einen großen Werbewert die Gastspiele der Breisgauer für das Montafon haben. Und da sind in Summe weit über eine Million Follower gar nicht miteingerechnet, die der SC Freiburg in den sozialen Netzwerken mit seinen Dutzenden Postings während des Aufenthalts im Montafon erreicht – und auch nicht die vielen Berichte in den deutschen Medien. Zumal im August auch noch das Frauenteam der Freiburger ins Montafon kommt.

Verbundenheit
Mehr Verbundenheit eines Vereins zu einer ausländischen Trainingslager-Destination geht nicht. SCF-Sportkommunikationsleiter Glunk erklärt: „In Schruns passt einfach alles. Die Fahrtzeit ist mit dreieinhalb Stunden relativ kurz, trotzdem sind wir mit den Köpfen weit weg vom Alltag. Wir verstehen uns gut mit den Menschen hier, weil wir einfach auch sehr gut nach Schruns passen. Die Berge sind höher als bei uns die Hügel im Schwarzwald, aber wir müssen uns nicht auf ein unbekanntes Umfeld einstellen, alles ist vertraut hier.“ Das begrüßt auch ÖFB-Innenverteidiger Lienhart: „Ich bin seit 2017 jedes Jahr mit Freiburg auf Trainingslager in Schruns. Nach so vielen Jahren kommt man an und findet sich sofort zurecht, man kennt die Bedingungen, das ist schon ein großer Vorteil.“

Routine
Marco Summer vom Aktivpark Montafon ist sich dessen bewusst, dass längst auch diese Vertrautheit für Schruns als Trainingslagerlokalität spricht: „Routine zählt im Sport zu den Erfolgsfaktoren. Alle im Verein wissen, was sie bei uns erwartet, dadurch gibt es keine Anpassungsschwierigkeiten.“
Ein netter Nebeneffekt für Freiburgs Treue ist, dass die Fangemeinde der Breisgauer im Montafon von Jahr zu Jahr wächst. Unmittelbar nach der Trainingseinheit, die um 12.40 Uhr zu Ende gegangen ist, erfüllen die Bundesliga-Profis Dutzende Autogrammwünsche. Bevor unser Besuch im Montafon beim Trainingslager der Schwarzwälder zu Ende geht, tauschen wir noch die Kontaktdaten aus. Schließlich stehen die Chancen gut, dass es nächstes Jahr ein Wiedersehen gibt.