10-Jähriger floh mit 70 km/h auf E-Scooter vor Polizei und verunfallte: Wer ist nun haftbar?

ÖAMTC-Experte Dominik Tschol beantwortet rechtliche Fragen rund um die spektakuläre Verfolgungsjagd mit Unfall in Hohenems.
Es sind Schilderungen, die sich wie ein Drehbuch der Doku-Soap „Auf Streife“ lesen: Ein 10-Jähriger lieferte sich am Dienstagabend gegen 18.30 Uhr eine Verfolgungsjagd mit der Stadtpolizei, die für den Buben in einer Kollision mit dem Pkw eines 25-Jährigen endete. Brisant: Das Kind war auf einem mutmaßlich getunten E-Scooter unterwegs.
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Fabian Marchetti, Mediensprecher der Landespolizeidirektion, bestätigt auf NEUE-Nachfrage: „Der Tacho im Polizeiauto zeigte bei der Verfolgung bis zu 70 Kilometer pro Stunde an.“ Außerdem habe der Bub keinen Helm getragen, so Marchetti. Er wurde beim Unfall in eine angrenzende Wiese geschleudert und erlitt schwere Kopf- und Beinverletzungen. Der Rettungshubschrauber flog den Buben ins Landeskrankenhaus Feldkirch. Über seinen Gesundheitszustand lagen dem Polizeisprecher noch keine weiteren Informationen vor.
ÖAMTC-Jurist klärt auf
Besonders das junge Alter des E-Scooter-Fahrers lässt in diesem Fall aufsehen. Mit 10 Jahren wäre er im Regelfall zu jung, um einen E-Scooter zu lenken, wie ÖAMTC-Clubjurist Dominik Tschol auf NEUE-Anfrage mitteilt: “Das gesetzlich vorgeschriebene Mindestalter für das Fahren mit dem E-Scooter beträgt 12 Jahre. Kinder mit einem gültigen Radfahrausweis dürfen bereits ab 10 Jahren unterwegs sein. Jüngere Kinder sollten generell auf E-Scootern verzichten.”

Zudem müssen Kinder bis 12 gesetzlich einen Helm tragen, wie Tschol aufklärt. “E-Scooter bis 600 Watt und 25 km/h sind in Österreich rechtlich dem Fahrrad gleichgestellt”, so der Experte. Er rät daher: “Halten Sie sich an die Verkehrsregeln für Radfahrer.”
Scooter über 25 km/h gelten als Kraftfahrzeug
Doch was, wenn der E-Scooter schneller als 25 km/h läuft und mehr als 600 Watt Leistung hat? Im vorliegenden Fall aus Hohenems spricht sogar die Polizei in der zugehörigen Aussendung von einem “E-Scooter, der vermeintlich nicht für den Straßenverkehr zugelassen ist.” Dominik Tschol erklärt: “Überschreitet ein Scooter durch Tuning diese Grenzen, gilt er als Kraftfahrzeug und unterliegt den entsprechenden Zulassungs- und Betriebsvorschriften.”

Der E-Scooter des 10-Jährigen in Hohenems wurde jedenfalls sichergestellt. Die Staatsanwaltschaft Feldkirch ordnete ein verkehrstechnisches Gutachten an. Nun wird überprüft, ob der Bub mit dem E-Scooter möglicherweise noch höhere Geschwindigkeiten hätte erreichen können. Auch der Pkw wurde sichergestellt – dabei handelt es sich laut Fabian Marchetti jedoch um einen gewöhnlichen Vorgang infolge eines Verkehrsunfalls.
Wer ist haftbar?
Aufgrund des jungen Alters des verunfallten E-Scooter-Lenkers stellt sich die Frage, wer in dieser Situation haftbar ist – der Zehnjährige oder seine Eltern? “Zivilrechtlich haftet der Bub für den entstandenen Schaden, da davon ausgegangen wird, dass er – wenn er ein derartiges Fahrzeug lenken kann – auch die nötige Einsichtsfähigkeit besitzt, um die möglichen Folgen seines Handelns zu erkennen. Sollten die Eltern ihm das Fahrzeug zur Verfügung gestellt haben, könnten auch sie mitverantwortlich gemacht werden”, weiß Dominik Tschol.
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“Die private Haftpflichtversicherung wird voraussichtlich nicht für den Schaden aufkommen, da das Fahrzeug mutmaßlich ‘frisiert’ wurde. In diesem Fall müsste der Bub den Schaden selbst begleichen, sobald er eigenes Einkommen erzielt – etwa in Form von Ratenzahlungen.” Strafrechtlich habe der Vorfall keine Konsequenzen: “Der Bub ist aufgrund seines Alters strafunmündig.”