Gefährlicher Hype um schnelle E-Scooter: “Kids fragen gezielt danach”

E-Scooter sorgen in Vorarlberg zunehmend für Probleme. Immer mehr Jugendliche frisieren ihre Fahrzeuge oder fahren ohne Helm und Zulassung, teils mit lebensgefährlichen Folgen. Händler und Polizei schlagen Alarm.
E-Scooter gelten als praktisch, klimafreundlich und schnell. Doch in Vorarlberg häufen sich zuletzt die Unfälle, teils mit schweren Folgen. Gleichzeitig wächst der Hype, vor allem unter Jugendlichen. In Bregenz und Hohenems kam es in den vergangenen Wochen zu teils gravierenden Kollisionen. Polizei und Fachleute schlagen Alarm: Immer mehr junge Lenker sind ohne ausreichende Kenntnis unterwegs, manche sogar mit frisierten oder unzulässigen Fahrzeugen.
Kürzlich wurde in Hohenems ein zehnjähriger Bub, der auf der Flucht vor der Polizei mit überhöhter Geschwindigkeit gegen ein Auto prallte, schwer verletzt. Wenige Tage zuvor stürzten zwei Erwachsene in Bregenz, die gemeinsam auf einem E-Scooter unterwegs waren, ebenfalls schwer. Die Polizei berichtet von einem deutlichen Anstieg der Fallzahlen und verweist auf einen alarmierenden Trend: Mehrfach würden Jugendliche mit technisch manipulierten Scootern angehalten, die mehr als 50 oder sogar 70 Stundenkilometer erreichen.
Grauzone im Handel
In Österreich ist die Regelung eigentlich klar: E-Scooter gelten nur dann als „Kleinfahrzeuge“, wenn sie maximal 25 Stundenkilometer fahren und eine Dauerleistung von höchstens 600 Watt aufweisen. „Alles darüber fällt unter das Kraftfahrgesetz, also Moped oder Motorrad“, heißt es aus der Landesverkehrsabteilung. In der Praxis scheint diese Grenze jedoch oft zu verschwimmen.
Hüseyin Sahin betreibt in Dornbirn einen Fachhandel für Elektrofahrzeuge. „Die Kids sind extrem gehyped auf die Dinger“, sagt er. Viele würden gezielt nach Modellen fragen, die sie aus Social-Media-Videos kennen. Dabei handelt es sich meist um schnellere Geräte, die sich mit wenigen Tastenkombinationen entsperren lassen. Sahin betont, er verkaufe nur Fahrzeuge, die mittels Sperre auf 25 Stundenkilometer gedrosselt sind. „Ich würde keinen Scooter verkaufen, den ich nicht selbst fahren würde“, sagt er.

Bis zu 90 Stundenkilometer
Tatsächlich aber bieten Onlineplattformen und manche Händler in Vorarlberg auch Modelle mit bis zu 90 Stundenkilometern an. Bei EFZ Welt etwa – dem Geschäft von Sahin – finden sich auf der Website technische Daten von Geräten mit insgesamt 4600 Watt Motorleistung und Spitzengeschwindigkeiten weit jenseits der gesetzlichen Limits. „Vom Preis her haben wir gegen den Onlinehandel keine Chance. Unser Plus ist die Beratung, der Service, vor allem bei sicherheitsrelevanten Dingen wie Bremsen.“

Verantwortung versus Nachfrage
Sahin sieht sich in einer Zwickmühle. „Wenn wir die Geräte nicht verkaufen, bestellen sie die Leute online und dann oft ohne Sperre, ohne jede Erklärung.“ Im Geschäft werde auf die gesetzlichen Vorgaben klar hingewiesen: Maximal 25 Stundenkilometer, maximal 600 Watt. Auf den Rechnungen stehe das ebenfalls deutlich. Doch das Interesse an schneller Technik ist groß und wächst stetig. „Ich weiß von Gruppen Jugendlicher mit zehn bis fünfzehn Scootern. Es geht nur noch darum, wessen Gerät schneller läuft. Wenn ich von solchen Unfällen, wie jener des Zehnjährigen in Hohenems höre, fühle ich mich wirklich schlecht.“
Die Geräte selbst sind dabei technisch immer leistungsfähiger geworden. „Früher war das kein Thema. Heute gibt es fast keine Obergrenze mehr. Und die Kids wissen genau, wie man die Sperren aufheben kann.“ Auf Plattformen wie TikTok kursieren unzählige Videos, die zeigen, wie sich E-Scooter mit wenigen Handgriffen oder direkt über das Bordmenü in wenigen Sekunden entsperren lassen.
Einbruch wegen E-Scooter
Ein besonders drastischer Vorfall zeigt, wie weit der Hype bereits geht: Vor zwei Wochen brach ein unter 14-Jähriger gezielt in das Geschäft von Sahin ein, um einen leistungsstarken Scooter zu stehlen. Das Modell war laut dem Händler auf bis zu 70 Stundenkilometer ausgelegt. „Wir haben danach die Eingangstüre mit einer Holzplatte verstärkt“, sagt Sahin. Der Bub wurde von der Polizei gefasst, das Gerät sichergestellt und dem Geschäft zurückgebracht.
Helmpflicht gefordert
Verkehrssicherheitsorganisationen fordern längst eine Ausweitung der Vorschriften. „Die Helmquote ist erschreckend niedrig“, sagt eine Sprecherin des KFV. Bei Jugendlichen sei sie einstellig. „Viele unterschätzen das Risiko. Wer stürzt, fällt fast immer auf den Hinterkopf – auf Asphalt.“ Sahin berichtet, Helme seien bei ihm oft vergriffen, weil sie regelmäßig im Paket mit Scootern gratis abgegeben würden. Dennoch: „Ich würde niemandem unter 14 Jahren empfehlen, mit einem E-Scooter zu fahren.“
Auch für eine verpflichtende Schulung spricht sich der Händler aus, analog zu Mopedkursen oder einem Fahrsicherheitstraining. Bremsen, Balance, Gefahrenerkennung: „Wer so ein Gerät bewegt, sollte wissen, wie man im Ernstfall reagiert.“ In Vorarlberg denkt man regional bereits über Lösungen nach. Polizei und Bezirkshauptmannschaften berichten von mehr Kontrollen, appellieren an die Eltern und wollen Schulaktionen verstärken. Doch solange leistungsstarke Geräte frei verfügbar bleiben und der Social-Media-Hype anhält, dürfte der E-Scooter-Boom bei Kindern und Jugendlichen mit allen Risiken weiterrollen.
Was ist erlaubt, was nicht?
E-Scooter gelten in Österreich nur dann als „Kleinfahrzeuge“, wenn sie…
- maximal 25 Stundenkilometer schnell fahren
- eine Nenndauerleistung von höchstens 600 Watt haben
Alles, was darüber liegt, fällt rechtlich unter:
- E-Moped (bis 45 Stundenkilometer):
Kennzeichen, Versicherung, Mopedprüfung Pflicht - E-Motorrad (über 45 Stundenkilometer):
Führerschein A, Typisierung, Helm-, Kennzeichen- und Versicherungspflicht
Pflichten für zulässige E-Scooter:
- Nur eine Person darf fahren
- Kein Führerschein nötig, aber ab 12 Jahren (mit Radfahrprüfung ab 9, mit Helmpflicht)
- Keine allgemeine Helmpflicht, aber dringend empfohlen
- Fahren nur auf Radwegen oder – wenn nicht vorhanden – am rechten Fahrbahnrand
Manipulation (z. B. Entsperren) ist verboten.
- Das Gerät gilt dann als Kraftfahrzeug ohne Zulassung. Strafen bis 5000 Euro drohen!
- Wer mit einem manipulierbaren Scooter im Straßenverkehr unterwegs ist, kann strafrechtlich belangt werden, wenn es zu einem Unfall mit Personenschaden kommt.