Mit der “falschen” Distanz nach Tampere

Mittelstrecklerin Pauline Schedler von der TS Egg ist wie Geherin und Vereinskollegin Theresia Mohr ab heute bei der U20-EM in Finnland gefordert. Isabel Posch und Chiara-Belinda Schuler sorgten für die Medaillen bei den Staatsmeisterschaften in Eisenstadt.
Von den 37 heimischen Leichtathletikvereinen im VLV ist die TS Egg derzeit wohl der Verein, der mit seinen Athleten am weitesten „rum“ kommt. Dank seinem Vorarlberger Rekord über 400 Meter Hürden qualifizierte sich Zsombor Klucsik für das Europäische Olympische Jugendfestival (EYOF) in Skopje/Mazedonien, ab heute stehen Pauline Schedler und Theresia Mohr (die ebenfalls schon bei den Jugendspielen vertreten waren) bei den U20-Europameisterschaften in Tampere/Finnland am Start.
Bei den bis 10. August stattfindenden 27. internationalen Nachwuchs-Titelkämpfen dieser Altersklasse im Ratina-Stadion mit insgesamt 1300 Teilnehmern aus 48 Ländern mischen 15 ÖLV-Athleten der Jahrgänge 2006 und 2007 aus sechs Bundesländern mit, darunter vier Vorarlberger. Neben den beiden genannten Egger Leichtathletinnen sind es noch Lukas Stegmüller (TS Bregenz Vorkloster) und Michael Gantner (ULC Dornbirn), die die rot-weiß-rote 4×400-Meter-Staffel bereichern. Erstmals seit 1983 wird bei einer U20-EM laut ÖLV am Samstag und vielleicht auch Sonntag wieder eine 4×400-Meter-Staffel aus Österreich am Start stehen.
Gute Voraussetzungen
Oberösterreich, Niederösterreich und Vorarlberg werden mit jeweils vier Teilnehmern in Tampere sein (Teamleiter ist Doppel-Olympiasieger Christian Taylor), bereits 2013 war die drittgrößte Stadt Finnlands Austragungsort der U23-EM. 2018 gewann Siebenkämpferin Sarah Lagger dort bei der U20-WM Silber, 2003 gab es schon einmal eine U20-EM in Tampere.
Aus ÖLV-Sicht ist Patricia Brunninger (ATSV Linz LA) am weitesten vorne gereiht, sie liegt mit ihrem kürzlich aufgestellten ÖLV-U20-Rekord von 11,49 auf Rang neun der Entry List. Nach Hochspringerin Christiane Krifka mit Platz 14 (SVS-Leichtathletik) gelten schon 1500-Meter-Läuferin Pauline Schedler mit Platz 16 sowie Vereinskollegin Theresia Emma Mohr (Platz 15) im 10.000-Meter-Bahngehen als aussichtsreichste Athletinnen. Beim Meeting in Tübingen vor drei Wochen hatte Pauline Schedler in 4:23,02 Minuten den 40 Jahre alten Vorarlberger Rekord in der allgemeinen Klasse um mehr als sechs Sekunden pulverisiert, außerdem stellte die 18-Jährige damit neue Landesrekorde in den Altersklassen U20 und U23 auf. Davor stellte Schedler schon einen neuen 800-Meter-Landesrekord auf.

Spezialisierung
Persönliche Bestleistungen, Rekorde und EM-Qualifikation – wer war nun am meisten von all diesen Erfolgen überrascht? „Ich bin einfach nach Tübingen gefahren, ich hatte ja nichts zu verlieren. Die Trainings davor waren gut, trotz ein paar Oberschenkelproblemen. Aber natürlich waren wir sehr überrascht, als wir die Zeit gesehen haben. Ich denke, meine Trainerin Irina Fischer-Baling war nach dem Zieleinlauf erstaunter als ich“, erzählt Pauline Schedler und lacht. Beide seien sich hernach um den Hals gefallen, denn die EM-Qualifikation über die 1500 Meter war noch weniger geplant, als die Andelsbucherin hier schildert.
Denn eigentlich sollte die Teilnahme in Tampere eher über die 800 Meter erfolgen. Die vor Kurzem 18 Jahre alt gewordene Mittelstrecklerin spezialisierte sich nach der üblichen „Mehrkampfkarriere“ in den Anfangsjahren erst vor rund zweieinhalb Jahren auf die genannten Strecken, bei Irina Fischer-Baling absolvierte Schedler einmal pro Woche in Dornbirn ihr Stützpunkttraining. „Ich habe beim Mehrkampf immer gewusst, dass ich beim Laufen aufholen muss. Werfen hat mir keinen Spaß gemacht, die Hürden schon eher, aber dafür hatte ich kein Talent“, gibt die Andelsbucherin unumwunden zu.
Vorarlberger Rekord
Der Start in die Läuferkarriere erfolgte über 3000 Meter und den 2000 Meter Hindernis, vor etwa anderthalb Jahren ging es dann wieder auf die 800 Meter, „Irina empfahl mir, im jüngeren Alter eine kürzere Strecke zu wählen. Die 1500 Meter kamen dann gar noch später hinzu“. So sei das eigentliche Ziel gewesen, in dieser Saison die Zeit über die 800 Meter zu verbessern. Bereits bei ihrem Saisoneinstieg Ende Mai konnte Schedler im Sog ihres Trainingspartners Elias Nussbaumer den 45 Jahre alten Vorarlberger Rekord der allgemeinen Klasse brechen. Nur eine Woche später drückte sie diesen Rekord in Karlsruhe erneut nach unten, diesmal auf 2:08,99. Das Limit für Tampere wäre 2:07,80 gewesen, „aber das ideale Rennen über die zwei Stadionrunden hatte ich heuer noch nicht gefunden. Im Winter haben wir in größerem Umfang trainiert, somit die Ausdauer verbessert. Deshalb haben wir die 1500 Meter probiert, in Tübingen hat es dann auch gleich geklappt“, so Pauline Schedler, die ihre persönliche Bestleistung und somit den Rekord gleich noch einmal nach unten drückte: In Pfungstadt gelangen ihr fantastische 4:22,06 Minuten, was beim stark besetzten internationalen Abendsportfest in der hessischen Kleinstadt zu Platz drei reichte.
„Die 800 Meter will ich aber weiterhin laufen, bei dieser Strecke kannst du nicht viel überlegen. Die erste Runde geht noch halbwegs kontrolliert vonstatten, in der zweiten ist dann eh Gas geben angesagt“, meint die 18-Jährige, die zugibt, dass „nicht viel überlegen besser ist für mich“, und heuer ihre Matura absolviert hat.
Das Niveau über die 1500 Meter in Tampere sei hoch, „unter den 22 Läuferinnen ist ein Trio mit überaus schnellen Zeiten, der Rest ist in etwa gleichauf. Läuft das Rennen taktisch ab, muss ich zusehen, in eine gute Position zu kommen, wenn das Tempo verschärft wird. Ist es ein schnelles Rennen, versuche ich mitzuhalten und eine neue Bestleistung zu erzielen. Durch meine Erfahrung über 800 Meter bin ich imstande, 400 Meter schnell zu laufen“, so Schedler, die sich im Vorlauf heute Abend für das Finale am Samstagabend qualifizieren will. „Nur“ ein Rennen muss Theresia Mohr laufen, am Samstagmorgen.

College-Abenteuer
Die „Fast-Nachbarin“ von Pauline Schedler machte sich selbst an ihrem 19. Geburtstag ihr größtes Geburtstagsgeschenk. Im Zehn-Kilometer-Gehen bei der Team-EM in Podebrady (CZE) gelang ihr in 48:14 Minuten ein neuer österreichischer Rekord in den Altersklassen U20 und U23 und sie unterbot dabei ihre Bestleistung aus dem Vorjahr um fast sechs Minuten. Das Limit für die U20-EM in Tampere unterbot Mohr auch klar (51:00). Die von Trainerin Claudia Lüthi entdeckte Geherin aus dem Bregenzerwald war in Tschechien laut der TS Egg stilistisch eine der Besten und erhielt keine gelbe oder gar rote Karte. Der bisherige ÖLV-U23-Rekord von Ilona Hron (SVS/49:21) stammte aus dem Jahr 1991.
Während Mohr ihr High-School-Jahr in den USA beendet hat, wird Pauline Schedler am 12. August ihr US-Abenteuer beginnen. Zielort ist Chicago, mindestens ein Jahr ist die Illinois State University für die sogenannten „General Studies“ Heimat der Andelsbucherin. „Ich muss mich erst im zweiten Semester festlegen, es dürfte aber Richtung Naturwissenschaften gehen.“ Da es sich um ein anderes Land, eine andere Sprache handelt, wisse Schedler noch nicht, ob sie das volle Stipendium von vier Jahren durchzieht. „Ich war natürlich noch nie so lange weg von zu Hause“ – und somit auch nicht von Zwillingsschwester Valentina und Bruder Laurenz (12). Nicht zu vergessen Trainingspartner Elias Nussbaumer (25/pB 1:51,84), der bei den Staatsmeisterschaften vor wenigen Tagen Sechster über 800 Meter wurde. Für das Edelmetall in Eisenstadt sorgten die namhaftesten Vorarlberger Leichtathletinnen: Im Semifinale über 100 Meter erzielte Isabel Posch (TS Lustenau) mit 11,63 die schnellste Zeit und war damit um eine Hundertstel schneller als Magdalena Lindner (Union St. Pölten). Die Niederösterreicherin drehte den Spieß im Finale aber um und gewann in 11,37. Posch konnte sich aber über Silber und eine neue pB von 11,43 freuen.

Auch Schuler mit starken Leistungen
Und auch über 200 Meter war Magdalena Lindner nicht zu schlagen, die Niederösterreicherin kam dank 23,50 nahe an ihre pB heran und hatte damit einen deutlichen Abstand zu den härtesten Konkurrentinnen – somit auch zu Isabel Posch, die in 23,82 wieder Zweite wurde. Siebenkämpferin Chiara-Belinda Schuler (TS Hörbranz) holte in 13,84 Bronze über 100-Meter-Hürden, Karin Strametz (SU Leibnitz) war in 13,05 eine Klasse für sich. Allerdings wartete Schuler noch mit weiteren Topplatzierungen auf: als Vierte im Speerwerfen (46,58), Fünfte mit dem Diskus (36,28) und Sechste im Weitsprung (5,61).
Von Jochen Dedeleit