Vorarlberg

Ein Handwerk mit ganz viel Feinschliff

23.08.2025 • 11:00 Uhr
Ein Handwerk mit ganz viel Feinschliff
Mit dem 17-jährigen Aurel Wohlgenannt wird bereits die nächste Generation von Markus angelernt. Stiplovsek (6)

Die Familie Wohlgenannt aus Dornbirn hat sich dem Schleifhandwerk von Messern, Scheren und Gartengerät aller Art verschrieben. Hier wird mit Augenmaß, Gefühl in den Händen, Erfahrung und Liebe zum Handwerk und zur Nachhaltigkeit gearbeitet. Denn wegschmeißen kann jeder.

Von Miriam Jaeneke
neue-redaktion@neue.at

Die Messerschleiferei Wohlgenannt in Dornbirn besteht aus einem Verkaufsraum mit angeschlossener Werkstatt. Im Verkaufsraum liegen und hängen so viele Messer, dass man als Dieb lange mit dem Ausräumen beschäftigt wäre. Ein Jugendlicher im Stimmbruch ist von einem Katana, einem japanischen Samuraischwert, fasziniert und fragt höflich an, ob er ein Foto machen dürfte. Eine Frau holt mit ihrem Sohn die frisch gesäuberten, frisch geschärften Messer eines Rasenmähers ab. Ein junger Mann fragt nach Stirnlampen zum Wandern. Markus Wohlgenannt erklärt Vor- und Nachteile jedes Modells, beruhend auf Erfahrung und Ehrlichkeit.

Ein Handwerk mit ganz viel Feinschliff

Die Stirnlampen sind freilich ein Nebenschauplatz bei Wohlgenannts. Hauptsächlich verkaufen sie japanische Kochmesser zum haargenauen Gemüseschneiden, Beile, um Knochen zu hacken, Schwerter für den Schwertkampf in Stumpf und Scharf, Baumscheren und vieles mehr. Küchenmesser findet man in allen Preisklassen, von allen Teilen der Erde und in fast jedem Aussehen.

Selbst gefertigte Messer

Markus und sein Bruder Walter Wohlgenannt fertigen in ihrer Freizeit auch selbst Messer. Dazu greifen sie auf hochwertigen Stahl zurück und fabrizieren ganz spezielle Schäfte. Etwa aus einem Tannenzapfen der Tanne, die dem Haus für Markus und seine Familie weichen musste. Die Zapfenspitzen sind durchs Epoxidharz hindurch gut zu erkennen. Sein Vater hat außerdem spezielle Messer entwickelt, mit denen Bogenschützen einen irregeleiteten Pfeil baumschonend aus einem Baumstamm befreien können.

Ein Handwerk mit ganz viel Feinschliff

Durch eine Glastür erreicht man die Werkstatt. Schwarzer Staub hat sich in den Ecken auf dem Holzboden festgesetzt, es riecht nach Metall. Mehrere Maschinen laufen hier rund. Ein großer, wassergekühlter Schleifstein aus Edelkorund ist die erste Adresse, wenn Kundenmesser bearbeitet werden sollen, dann wird poliert, gebürstet, von Hand abgezogen, geglänzt und geputzt. Walter Wohlgenannt und Walter Fürst sind hier am Werken. Wenn sie ein Messer oder eine Schere schleifen, wird es lauter. Das bringt hier niemanden aus der Ruhe, und Ruhe ist wichtig, damit keine Unfälle passieren und jeder seinen eigenen, guten Arbeitsrhythmus findet.

Jedes Messer ist anders

Walter ist seit anderthalb Jahren hier, in Schleifzeit gerechnet sehr kurz: „Man muss drei Jahre Scheren schleifen, bis man eine Schere gut schleifen kann“, sagt Markus Wohlgenannt. Ein Hohlschliff ist hier nötig, außerdem muss die Schere so gleichmäßig geschliffen werden, dass die beiden Scherenblätter gleichmäßig aneinander reiben, denn, falsch eingestellt, wäre die Schärfe schnell wieder dahin.

Abwechlsung. Walter findet seine neue Tätigkeit, wegen der er seinen Bürojob an den Nagel gehängt hat, überaus abwechslungsreich. Kein Messer ist wie das andere, sagt er. Außerdem versteht er sich mit den Wohlgenannts außerordentlich gut. „Meine Nachbarin kannte die Familie und wusste, dass ich Messer mag, da hat sie eines Tages vorgeschlagen, dass ich doch mal anfragen könnte“, erzählt Walter. „Und wir haben uns gerade überlegt, dass eine weitere Arbeitskraft sinnvoll wäre, um uns etwas zu entlasten. Da hat Walter gut reingepasst“, ergänzt Markus vergnügt.

Ein Handwerk mit ganz viel Feinschliff

Er ist 41 Jahre alt, sein Bruder 30, und schon steht die nächste Generation parat, um zu lernen, zu entlasten, zu übernehmen. Der 17-jährige Aurel bedient, schaut ab, wird bald auch am Schleifstein angelernt. Erst mal soll er aber seine Einzelhandelskaufmannlehre abschließen. Er sagt: „Diese Werkstatt, dieser Verkaufsraum, das ist b’sundrig. Für mich war schon immer klar, dass ich hier mal übernehme.“ Genau so haben Markus und sein Bruder in Aurels Alter ebenfalls gedacht. Die beiden kriegen sich ab und zu in die Haare, verrät Walter, der Jüngere der beiden. „Aber insgesamt verstehen wir uns supergut.“

Jeder hilft mit

Regelmäßig hilft der Onkel aus, damit Markus nicht jede Woche 50 Stunden hinter dem Verkaufstresen steht. Trotzdem, Markus macht das gern und würde nicht tauschen wollen. So geht es jedem hier. Familienunternehmen ist weniger Verpflichtung als Selbstverständlichkeit, als Ehre, als wichtiger Sinngeber im Leben.

Ein Handwerk mit ganz viel Feinschliff
Um ein Messer gut zu schleifen, braucht es Fingerspitzengefühl und viel Erfahrung.

Wohlgenannts bekommen regelmäßig Ware aus Wien, manchmal sogar aus anderen Ländern. In zwei bis drei Arbeitstagen durchlaufen Messer und Scheren, Äxte, Beile, Schwerter und Gartengerät die Werkstatt. Immer brettweise werden Messer oder Scheren gruppiert, wird geschliffen, geglättet, gebürstet. Eine Vorrichtung an der Wand zeigt den Schleifern, ob das Messerblatt eines Rasenmähers unwuchtig oder symmetrisch ist. Soll der Rasenmäher lange laufen wie geschmiert, ist es wichtig, dass das Messer keine Unwucht hat. Absolut gleichmäßiges Arbeiten ist also angesagt – bei einer Tätigkeit, die von Hand erfolgt, braucht das ganz viel Übung. Wenn Wohlgenannts auf ein Messer schauen, sehen sie nicht nur eine Schneidefläche. Sie sehen das Material, den Schliff, wie gut es in Schuss ist, ob der Griff verschweißt ist oder in einem Stück anschließt. Je weniger Stellen, die brechen oder sich abnützen können, umso besser. Je öfter der Schaft vernutet, also am Messer befestigt, ist, desto länger wird die Lebensdauer dieses Messers sein.

Weitergegebenes Wissen

Markus berät mit dem Wissen, das er hat, dem Wissen, das die Schleifer haben, aber auch dem Wissen seiner Vorfahren. So wie er den Tresen nun mit seinem Sohn teilt, so hat sein Vater den Tresen mit ihm geteilt und so hat sein Großvater den Tresen mit seinem Vater geteilt. So sehr war Markus’ Vater mit dem Geschäft verwachsen, dass er auch nach der Pensionierung als erstes morgens ins Geschäft kam, um nach dem Rechten zu sehen. Meistens hat er etwas zu tun gefunden und blieb solange, bis es erledigt war. Vor allem hat er aber ein Handwerk weitergegeben, das heute nicht mehr ausgebildet wird. Die Wohlgenannts sind also nicht nur eine gute Adresse, wenn man seine Messer schleifen lassen will oder sich ein neues zulegen. Die Wohlgenannts sind außerdem eine Familie, die ein aussterbendes Handwerk hochhält, das unter anderem gerade deshalb sehr gefragt ist.

Ein Handwerk mit ganz viel Feinschliff

Kontakt

Messerschmiede Wohlgenannt

Schillerstraße 22, Dornbirn
Tel. 05572 23007
Mail: info@dasmesser.at
Web: dasmesser.at

Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag: 7.30 bis 12 Uhr und 13.30 bis 18 Uhr
Samstag: 8 bis 12 Uhr