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Spitalsreform: Augenärzte warnen vor “schwerwiegenden Konsequenzen”

14.09.2025 • 11:19 Uhr
Spitalsreform: Augenärzte warnen vor "schwerwiegenden Konsequenzen"
Die Verlegung der Augenabteilung vom LKH Feldkirch ans Krankenhaus Dornbirn steht im Raum. Shutterstock

Mögliche Verlegung der Augenabteilung von Feldkirch nach Dornbirn zeigt exemplarisch, wie groß die Kluft zwischen Fachleuten und Politik ist. Ärzte sprechen von drohenden Qualitätsverlusten, die Landesrätin von bloßen „Arbeitshypothesen“.


Vorarlberg steht vor der größten Spitalsreform der vergangenen Jahrzehnte. Unter dem Titel „Spitalcampus Vorarlberg“ will die Landesregierung die Krankenhauslandschaft neu ordnen: Weniger Doppelstrukturen, mehr Spezialisierung, effizientere Nutzung knapper Ressourcen. Es geht ums Sparen, weil die Kassen knapp sind und die Kosten steigen – aber auch um Qualität, so zumindest lautet das politische Versprechen. Die jüngst angekündigte Schließung der Geburtenstation in Bludenz wurde von ärztlicher Seite mitgetragen, politisch jedoch teilweise heftig kritisiert.


Doch das war nur der erste Schritt. Laut Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher steht die Zusammenlegung bzw. Verlegung von weiteren 14 Fachabteilungen zur Diskussion. Auch die Augenheilkunde am Schwerpunktkrankenhaus Feldkirch ist betroffen. Konkret gibt es Überlegungen, diese Abteilung vollständig nach Dornbirn zu verlegen. Das betroffene Team erfuhr erst in einer Sitzung im Mai 2025 von diesen Plänen. Bei der Zusendung der Themen zum sogenannten partizipativen Strukturdialog sei „diese Überlegung noch nicht angeführt gewesen“, heißt es in einem internen Schreiben der Augenabteilung am LKH Feldkirch an die Landesrätin.

Bei besagter Sitzung war neben Rüscher auch der Gesundheitsberater Johannes Hohenauer aus Wien zugeschaltet. Er ist Geschäftsführer der BDO Health Care Consultancy GmbH, seit 2010 Mitglied im Aufsichtsrat der Krankenhaus-Betriebsgesellschaft (KHBG) und saß bis Mai dieses Jahres in der Landes-Zielsteuerungskommission, die über zentrale Weichenstellungen der Gesundheitsstrategie berät.

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Landeskrankenhaus Feldkirch. Hartinger

„Signifikate Verschlechterung der Versorgung“.

Die Augenabteilung mit Primar Stefan Mennel an der Spitze bewertet die zur Diskussion gestellte Verlegung äußerst kritisch. Eine Verlagerung der Abteilung vom Schwerpunktkrankenhaus Feldkirch zum Krankenhaus Dornbirn würde zu einer „signifikanten Verschlechterung der Versorgung“ führen, heißt es in der internen Stellungnahme, die der NEUE vorliegt. Die Abteilung warnt: „Zahlreiche Patienten könnten nicht mehr lege artis behandelt werden.“ Gemeint ist damit die Behandlung nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst.

Leistungskennzahlen 2024

Ambulante Patient:innen: 31.923 (inkl. IVOM-Behandlungen)

Stationäre Patient:innen: 5.895

Gesamtzahl Operationen: 16.789

  • Katarakt-Operationen (Grauer Star): 4.718
  • IVOM-Eingriffe: 9.518
  • Vitrektomien: 261
  • Netzhautablösungen: 133

Konsile (fachhärztliche Beratung eines Arztes durch einen anderen Spezialisten):

  • 1385 Anfragen von anderen Abteilungen
  • 805 von der Augenabteilung selbst initiiert

Nutzfläche: 2.207 m²

  • Kataraktambulanz: 407 m²
  • Makulaambulanz: 161 m²
  • Allgemeine Augenambulanz: 550 m²
  • OP-Bereich: 293 m²
  • Station: 784 m²
  • Lagerraum: 12 m²

OP- und Eingriffsräume:

  • 3 OP-Säle vorhanden
  • 1 zusätzlicher Laser-OP laut OSG 2010 erforderlich
  • 2 Eingriffsräume für IVOM vorhanden, ein weiterer notwendig


Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht die Bedeutung des Fachs. Im Jahr 2024 wurden in Feldkirch knapp 32.000 ambulante und 6000 stationäre Patienten behandelt. Dazu kamen rund 16.800 Operationen, darunter mehr als 4700 Kataraktoperationen, also Eingriffe gegen den Grauen Star, und rund 9500 IVOM-Eingriffe (Injektion eines Medikamentes in den Glaskörperraum bei Netzhauterkrankungen). Drei Operationssäle stehen derzeit zur Verfügung, für Laserbehandlungen wäre ein weiterer erforderlich. Zwei Eingriffsräume für IVOM-Behandlungen bestehen bereits, doch aufgrund der hohen Auslastung bräuchte es eigentlich einen dritten. Es sei zu klären, „ob das Krankenhaus Dornbirn dafür die räumlichen, personellen und technischen Voraussetzungen bieten kann“, heißt es in dem Schreiben.

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Krankenhaus Dornbirn. Hartinger

Zusammenarbeit mit anderen Fächern

Besonders hervorgehoben wird die enge Vernetzung mit anderen Fächern. „Die Zusammenarbeit mit Neurochirurgie, Radiologie, HNO und Anästhesie ist unerlässlich“. Eine vollständige Verlagerung der Augenabteilung nach Dornbirn hätte deshalb „schwerwiegende Konsequenzen“, warnen die betroffenen Ärzte und Pfleger. Wörtlich heißt es: „Aus medizinischer Sicht wäre die interdisziplinäre Versorgung, insbesondere auch von Notfällen, nicht mehr sichergestellt.“ Feldkirch wäre damit das einzige Schwerpunktkrankenhaus eines Bundeslandes ohne Augenabteilung, was den Vorgaben des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes (KAKuG) widersprechen würde.


Die Abteilung zeigt sich allerdings offen für pragmatische Lösungen. Denkbar sei etwa, bestimmte planbare Eingriffe wie Operationen am Grauen Star oder IVOM-Behandlungen in Dornbirn durchzuführen. „Dadurch könnte das LKH Feldkirch spürbar entlastet werden, während Notfälle und komplexe Fälle weiterhin im Schwerpunktkrankenhaus behandelt werden.“

Planspiel am Papier?

In Fachkreisen gelten die Umstrukturierungspläne als unausgereift, Kritiker sprechen gar von einem Planspiel am Papier. Insider vermuten, dass die Überlegungen ohne solide Datengrundlage entstanden sind. So sollen weder Kapazitäten erhoben noch mögliche Auswirkungen oder Einsparungspotenziale systematisch berechnet worden sein. Kritische Stimmen gibt es übrigens auch in der Orthopädie, die im Norden des Landes von Dornbirn nach Bregenz verlegt werden könnte. Fachgruppenobmann Dieter Moosmann warnte kürzlich davor, dass sich die bereits langen Wartezeiten auf eine Gelenksprothese dadurch weiter verschärfen könnten.

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Martin Tschann, Fachgruppenobmann der Augenärzte. Archiv

Fachgruppenobmann sieht Rückschritt


Doch zurück ins Augenfach: Fachgruppenobmann Martin Tschann, er ist niedergelassener Facharzt in Bludenz, bezeichnet die Augenabteilung am LKH Feldkirch als „sehr ausgetüfteltes System“, in dem „viele Räder ineinandergreifen“. Die Abteilung sei mit hohen Fallzahlen und einem eingespielten Team hervorragend aufgestellt. Eine Verlegung wäre aus seiner Sicht „ein Rückschritt“, sagt Tschann auf NEUE-Anfrage. Er geht davon aus, dass die Einwände der Fachgruppe von der Politik berücksichtigt werden.

Baufällige Bettentürme

Was sind nun eigentlich die Hintergründe der Idee, die Abteilung nach Dornbirn zu verlegen? Insider berichten, dass es keine medizinischen oder finanziellen Argumente gebe, sondern vielmehr infrastrukturelle. Im Mittelpunkt steht offenbar das Landeskrankenhaus Feldkirch selbst. Die beiden Bettentürme gelten – wie die NEUE bereits berichtete – als baufällig und müssen wohl abgerissen werden. Bis Ende 2026 soll ein Neubaukonzept vorliegen. Während der Bauarbeiten muss der Betrieb natürlich weiterlaufen, was die Schaffung von Ausweichkapazitäten notwendig macht und den Druck auf die laufende Spitalsreform wohl zusätzlich erhöht. Dem Vernehmen nach könnte auch die Dermatologie-Abteilung vom LKH Feldkirch wegkommen – und am LKH Hohenems angesiedelt werden.

Maurice Shourot
Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher. Shourot

Rüscher spricht von “Arbeitshypothesen”

Die Politik betont, dass noch nichts entschieden sei. Auf einen detaillierten Fragenkatalog der NEUE, in dem es unter anderem um die Datengrundlage, Einbindung der Fachabteilungen und die möglichen Konsequenzen für die Patientinnen und Patienten ging, ließ Landesrätin Martina Rüscher lediglich ein allgemeines Statement aus ihrem Büro übermitteln. Darin heißt es: „Es gibt aktuell keine Vorentscheidung zu einer Verlegung oder Zusammenführung einzelner Fachrichtungen, wir sind mitten im Prozess. Was derzeit vorliegt, sind Arbeitshypothesen, die diskutiert und auf ihre Tragfähigkeit geprüft werden.“ Dazu gehöre selbstverständlich auch die Frage, wie Spezialisierungen, Notfallversorgung, Fallzahlen und Infrastruktur bestmöglich gewährleistet beziehungsweise weiterentwickelt werden können. Die Landesrätin versichert, dass Rückmeldungen gehört werden, durch eine externe Begleitung geprüft werden und in die weiteren Überlegungen einfließen.


Rüschers Zeitplan ist jedenfalls ambitioniert. Bis Ende dieses Jahres soll ein Entwurf für den Regionalen Strukturplan 2030, also die Neuordnung der heimischen Spitallandschaft, zur Beschlussfassung vorliegen