Lokal

Amalia Meraner, die älteste Bewohnerin der Siedlung am Südtirolerplatz in Hard

04.10.2025 • 23:26 Uhr
Amalia Meraner, die älteste Bewohnerin der Siedlung am Südtirolerplatz in Hard
Amalia Meraner ist stolze 97 Jahre alt und werkelt immer noch gern in ihrem Gärtchen. Im Alter von 14 Jahren wanderte sie mit ihrer Familie von Südtirol nach Vor­arlberg aus. Hartinger

Amalia Meraner ist 97 Jahre alt. Sie wohnt in der Siedlung seit sie 14 ist. Trotz ihres hohen Alters werkt sie noch immer gern in ihrem Gärtchen.

Als Amalia Meraner im Jahr 1943 nach Hard kam, war sie 14 Jahre alt. Das Haus am Südtirolerplatz war gerade fertig geworden, die Wände noch feuch. „Kalt war’s, keine Heizung, nur ein kombinierter Herd“, erinnert sie sich. Gemeinsam mit ihren Eltern und vier Geschwistern kam sie aus dem Gadertal in Südtirol – wie Tausende andere Familien, die in jenen Jahren ihre Heimat verließen.

Der Hintergrund war politisch: Die sogenannte „Option“, ein Abkommen zwischen Hitler und Mussolini aus dem Jahr 1939, stellte die Südtiroler Bevölkerung vor eine schwere Wahl. Wer bleiben wollte, musste italienisch werden. Wer deutsch bleiben wollte, musste auswandern – in das Deutsche Reich. Obwohl fast 86 Prozent der Südtiroler sich für die Option entschieden hatten, waren es letztendlich nur 75.000 Menschen, die tatsächlich auswanderten. Für Amalias Familie bedeutete das: Abschied von der Heimat, Zwischenstationen in Graz und Lingenau, schließlich ein Neubeginn am Bodensee.

Amalia Meraner, die älteste Bewohnerin der Siedlung am Südtirolerplatz in Hard
Dass immer mehr Leerstand in der Sieldung gibt, hat auch Amalia Meraner mitbekommen. Hartinger

An die ersten Jahre in der Siedlung kann sich Amalia Meraner noch gut erinnern. „Es ist hier immer friedlich gewesen, wir sind gut miteinander ausgekommen.” Auch wenn die Zeiten schwierig gewesen seien, sei der Zusammenhalt stark geblieben. In letzter Zeit habe sich vieles verändert – und nicht alles zum Besseren. Auch Frau Meraner hat mitbekommen, dass immer mehr Wohnungen leer stehen. Das ärgert sie und verstehen kann sie es auch nicht wirklich. Einen möglichen Abriss der Siedlung, so wie er seit einiger Zeit im Raum steht, kann und will sie sich nicht vorstellen. „Das werde ich wahrscheinlich auch nicht mehr erleben.” Ihr Wunsch wäre es, dass man die Siedlung noch länger stehen lässt.

In ihrem Garten, in dem die sehr rüstige 97-Jährige noch immer eifrig werkt, wächst unter anderem Spinat. Der kommt dann natürlich in die Schlutzkrapfen – ein traditionelles Südtiroler Nudelgericht, das Amalia Meraner noch immer gern kocht, wenn ihre Enkel zu Besuch kommen.

Amalia Meraner, die älteste Bewohnerin der Siedlung am Südtirolerplatz in Hard
Amalia Meraner und Thomas Götz im Gespräch mit der NEUE. Hartinger

An den Krieg und die ersten Nachkriegsjahre erinnert sie sich nur ungern zurück: „Wir hatten kaum etwas zum Essen, meine Mutter hat immer für uns Kinder verzichtet“, sagt sie. Ihre Mutter starb früh, mit nur 41 Jahren. “Sie war krank, wir wussten aber nicht, was sie hat. Wir haben sie öfters mit dem Handkarren bis nach Lauterach zum Arzt gezogen.” Zuletzt war Frau Meraners Mutter in der Klinik in Innsbruck, wo man sie operiert hat. Dort starb sie auch. “Da wir kein Geld für die Überführung hatten, wurde sie in Innsbruck begraben.”

Weil ihr die Mutter fehlte und das Heimweh groß war, ging sie später noch einmal ins Südtirol, kehrte aber wieder zurück. Später heiratete sie ihren Mann Helmut, einen Bozner, und zog in ein anderes Haus in der Siedlung. Drei Kinder hat sie großgezogen, eine Tochter ist bereits gestorben. Amalia Meraners jüngere und letzte Schwester starb im Mai dieses Jahres, sie wohnte ebenfalls bis zuletzt in der Siedlung. Jetzt, sagt Amalia Meraner, “warte ich, bis ich gehen kann”.