Kultur

Worüber die Mitarbeiter im Kunsthaus Bregenz schweigen müssen

09.10.2025 • 18:11 Uhr
Worüber die Mitarbeiter im Kunsthaus Bregenz schweigen müssen
Das ausgestellte Haus soll zukünftig als Residenz für Künstler genutzt werden. Hartinger

Das Kunsthaus Bregenz zeigt mit ███████ eine gewagte Ausstellung, die Identität und Besitz infrage stellt.

Die Gegenwart des Abwesenden ist eines der zentralen Motive der neuen Ausstellung des Kunsthaus Bregenz. Unter dem Titel ███████ zeigt sie ein fast leeres Haus, bar jeder persönlichen Spur des Künstlers. Es ist ein mutiger Versuch, sich der Logik von Sichtbarkeit, Autorschaft und Markt konsequent zu entziehen.

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Wo schon künstliche Sümpfe oder ausübergreifende Instrumente waren, ist jetzt ein fast kahler Raum zu sehen. Hartinger

Zu Verschwiegenheit verpflichtet

Wer hinter dem Projekt steckt, bleibt unbekannt. Sogar die eingeweihten Mitarbeiter des KUB sind vertraglich zu Stillschweigen verpflichtet.
Die eingeladene „Person“, wie auch die Gruppe dahinter, verzichtet damit auf mediale Aufmerksamkeit, Prestige und weitere Profite.

Besuchende gewinnen hingegen eine Schau, die das Fragen in den Mittelpunkt rückt und laut Direktor Thomas D. Trummer den Blick auf andere Ausstellungen nachhaltig verändert.

Worüber die Mitarbeiter im Kunsthaus Bregenz schweigen müssen
Martina Feurstein (Leitung Kommunikation) mit Dolmetscher Hannes Frank und Direktor Thomas D. Trummer.

„Zugehörigkeit und Identität spielen in der Wahrnehmung von Kunst eine große Rolle. Noch bevor Werke in Museen gezeigt werden, liefern sie Informationen zur Person. Was bedeutet es, wenn all das abgezogen wird?“, schildert der Kunsthistoriker im Pressegespräch mit der „Person“. Sie spricht durch den Dolmetscher Hannes Frank, der telefonisch mit ihr verbunden ist. So auch beim Künstlergespräch, das diesen Samstag um 11. stattfindet.

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Beim Künstlergespräch am Samstag spricht „die Person“ durch den Dolmetscher mit den Gästen.Hartinger

Symbiotischer Parasit

Das 7,2 mal 7,2 Meter große Haus im vierte Stockwerk ist das zentrale Objekt der Schau. Die Aluminium-Konstruktion beherbergt eine Kochstation, Toilette, Esstisch, Bad und Bett. Dank Strom- und Wasseranschluss ist sie voll funktionsfähig. Besucher sind dezidiert eingeladen, im Haus zu verweilen.

Worüber die Mitarbeiter im Kunsthaus Bregenz schweigen müssen
Thomas Häusle (Kunstraum Dornbirn) erkundet das Haus.Hartinger

Damit bietet sich die einmalige Chance, direkt im Kunstraum aufs Klo zu gehen.
Die „Person“ begreift das Werk als symbiotischen Parasit, der sich an der Infrastruktur des Hauses labt. Zukünftig soll es als flexibel aufstellbare Künstlerresidenz zum Einsatz kommen. Ein streng formulierter Vertrag garantiert laut Künstler die Einhaltung des vorbestimmten Zwecks, wodurch es für interessierte Käufer unattraktiv sei.

Worüber die Mitarbeiter im Kunsthaus Bregenz schweigen müssen
Diese ausgestellte Toilette ist nicht nur zum anschauen gedacht. Hartinger

Unscheinbar

Das Werk im dritten Obergeschoss kann leicht übersehen werden. Einzig abwesende Deckenplatten fallen auf. Durch diese Lücke zieht sich ein schwarzes Wasserrohr, dass die Installation darüber erst möglich macht.

Worüber die Mitarbeiter im Kunsthaus Bregenz schweigen müssen
Das dunkle Rohr im nackten Raum. Hartinger

Aluminium-Platten mit in Plastik eingeschweißter Steinwolle dominiert den zweiten Stock. Sie sind als mögliche Isolierung für das zentrale Werk gedacht und konkret auf die heimischen Wetterbedingungen ausgelegt.

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Die zukünftige Fassade des ausgestellten Hauses. Hartinger

Noch unscheinbarer als das Rohr ist die „Installation“ im Erdgeschoss, denn sie besteht aus dem hauseigenen Drucker, samt Tinte und Papier. Besucher sind im parasitären Geist der Schau aufgerufen, die Unterlagen zur Schau selbst auszudrucken.

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Der hauseigene Drucker wird mit der Schau zum Kunstobjekt geadelt. Kunsthaus

Kunst und Kommerz

Die Ausstellung ███████ wird heute um 17 Uhr eröffnet und trägt den Nebentitel „Verweigerung, Infiltration und die Gabe“. Sie kann bis zum 18. Jänner 2026 besichtigt werden.

Ob das antikapitalistische Konzept aufgeht oder am Ende doch der Kunstmarkt über die Intention siegt, wird sich erst zeigen. Bis dahin gewährt die Schau eine einmalige Gelegenheit, jenseits identitärer Nabelschau und Narzissmus über künstlerisches Schaffen in Zeiten radikaler Kommerzialisierung nachzudenken.