Das Imperium der Bäume schlägt zurück

„Wald“ von Miriam V. Lesch feierte im Bregenzer Theater Kosmos österreichische Erstaufführung.
Die Natur rückt den Menschen an die Pelle und erobert rasant das Land zurück. Das ist die Prämisse von Miriam V. Leschs Werk „Wald“, das im Rahmen des Kosmodrom am Donnerstag im Bregenzer Theater Kosmos erstmals in Österreich aufgeführt wurde.
Es ist ein Gastspiel der Athanor Akademie für Darstellende Kunst, einer privaten Schauspielschule aus Passau. Unter Florian von Hoermanns Regie entfalteten die jungen Studierenden Lisa Caroline Georgia Dattler, Ariana Céline Heinzelmann, Laura Herz, Denise Karner, Florentine Konrad, Leander Krembs, Liliane Marie Requardt, Anna Weber und Luca Yumiko Weber einen regelrechten Wirbelwind der Bühnenkunst.

Flotter Wechsel
Dieser beginnt in der vormenschlichen Urzeit. „Damals ergriff uns Wälder eine Sehnsucht“, berichtet eine Stimme der Bäume über ihre Zeit weltweiter Expansion. Die Flora wird im flotten Rollenwechsel der Inszenierung laufend von anderen Schauspielenden verkörpert, stets tragen sie beachtliche Kostüme von Cristina Milea, die auch das Bühnenbild entwarf.

Dessen Baugerüst steht für die Wohnung einer anfangs verzweifelten Frau. Schockiert meldet sie der städtischen Gärtnerei, dass eine Buche über Nacht auf ihrem Balkon emporgewachsen ist. Erst ist niemand zuständig, als aber klar wird, dass immer mehr lebendes Holz den Beton verdrängt, ist niemand mehr fähig etwas dagegen zu tun. Während der kauzige Gärtner glänzt, ist die hartgesottene Forstfacharbeiterin eine der stärksten Rollen des Stücks. Umweltverbunden im Herzen und mit einer Kettensäge in der Hand wirkt sie wie ein Sinnbild für die Widersprüche der menschlichen Beziehung zur Natur.
Stoffwechsel-Poesie
Der Ökologie scheint das egal zu sein. Lieber frohlockt sie poetisch ihrem Stoffwechsel. Dabei entpuppt sich die Natur als knallharter Imperialist, der sogar die menschliche Vergangenheit von der Erde tilgen droht. Nicht einmal das antike Rom ist vor dem Wurzelgriff geschützt. So betreten Cäsar und Plinius die Bühne, wo sie vergeblich nach den „für die Ewigkeit“ gebauten Römerstraßen suchen.

Fest der Metamorphosen
Dabei entsteht ein sonderbarer Mix aus Drama und Komödie. Es ist nie sicher, ob das Stück dem Untergang entgegenfiebert oder zur Besinnung aufrufen möchte. Der Stoff mag an der Wandelbarkeit des Menschen zweifeln, die Inszenierung ist hingegen ein Fest der Metamorphosen. Denn hier wurde tief in die Trickkiste gegriffen. Besonders die aberwitzigen Schattenspiele saugen förmlich alle Blicke auf.
Die 20 Szenen des Bühnenstücks erinnern in ihrer kurzen Länge an TikTok-Videos, wobei die neun Schauspielenden souverän von Rolle zu Rolle wechseln. „Wald“ wirkt dennoch zuweilen in die Länge gezogen. Wer aber den sichtlichen Spaß der Performer vor Augen hat, nimmt das gerne in Kauf.