Vorarlberg hilft: Häuser, die Tausenden Hoffnung geben

Was mit einem Versprechen begann, hat über 1850 Familien im indischen Kerala ein neues, sicheres Zuhause geschenkt. Der Göfner und Satteinser Pfarrer Georg Varghese Thaniyath über die erfolgreiche Hilfsorganisation „Dach überm Kopf“.
Seit vielen Jahren setzt sich die Hilfsorganisation „Dach überm Kopf“ für obdachlose und mittellose Menschen im südindischen Bundesstaat Kerala ein. Gegründet wurde sie von Pfarrer Georg Varghese Thaniyath, der seit 2015 den Pfarrverband Göfis/Satteins leitet und zuvor als Priester in Hohenems wirkte. Nach seinem Theologiestudium in Innsbruck und der Priesterweihe im Jänner 1987 in Hohenems kehrte der 1959 in Kerala geborene Pfarrer Georg für kurze Zeit nach Indien zurück und arbeitete dort als Seelsorger. Täglich wurde der heute 65-Jährige mit extremer Armut konfrontiert. Der Anblick von Familien, die in notdürftigen Hütten lebten, ließ in ihm den Wunsch reifen, eine Organisation zu schaffen, die diesen Menschen dauerhaft hilft. „Grundlage war immer wieder dieselbe Bibelstelle: ‚Ich war hungrig, ihr habt mir zu essen gegeben. Ich war durstig, ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich war obdachlos, ihr habt mich aufgenommen.‘ Ich habe darüber oft gepredigt und irgendwann gemerkt: Es reicht nicht, nur darüber zu sprechen. Die Worte müssen Wirklichkeit werden“, erinnert sich der Geistliche an die Anfänge.

“Ich baue euch ein Haus”
Einen entscheidenden Denkanstoß gab ihm sein Vater. „Er sagte: ‚Du hast so viele Kontakte in Europa. Das Schönste, was du tun kannst, ist, einer obdachlosen Familie ein Haus zu bauen.‘“ Kurz darauf begegnete Pfarrer Georg einer obdachlosen Mutter mit ihren Kindern – für ihn ein Zeichen von oben. „Ich sagte spontan: ‚Ich baue euch ein Haus.‘“ Dieser Moment markierte den Beginn einer von Nächstenliebe getragenen und äußerst erfolgreichen Hilfsaktion, die von Anfang an viele Menschen berührte. Manche kürzten ihre Hochzeitsreisen, andere ersetzten Blumenkränze am Grab durch Spenden. Schulen organisierten Projekte, Kindergärten bastelten für Basare. Eine einzige Schule finanzierte sieben Häuser, ein Kindergarten drei. „Diese Spenden- und Einsatzbereitschaft haben mich tief bewegt“, sagt Pfarrer Georg. „Ich dachte: Vielleicht bauen wir zehn Häuser in zehn Jahren – wenn es gut läuft. Doch in zehn Jahren waren es bereits über hundert.“ Im Jahr 2000 gründete er gemeinsam mit engagierten Unterstützern die Hilfsorganisation „Dach überm Kopf“.

Solidarisch und selbstlos
„Die Menschen hier in Vorarlberg geben mir Kraft. So viele handeln solidarisch und selbstlos. Der gesamte Vorstand arbeitet ehrenamtlich. Meine Brüder, insbesondere Pfarrer Francis, helfen vor Ort mit – ohne sie würde das Projekt nicht funktionieren.“ Auch die indischen Arbeiter engagieren sich überdurchschnittlich. „Sie verzichten bei unseren Projekten auf 30 Prozent ihres Lohns. Firmen geben uns zusätzlich 20 bis 25 Prozent Rabatt. Bei solch einer Bereitschaft, mit Leib und Seele zu helfen, geht mir das Herz auf.“

Steigende Kosten
Der Bau stabiler, wetterfester Häuser ist seit den Anfangsjahren das zentrale Wirkungsfeld von „Dach überm Kopf“. Während das erste Haus 1987 noch rund 872 Euro kostete, stiegen die Ausgaben durch Inflation, höhere Materialpreise und ungünstige Wechselkurse kontinuierlich. Heute kostet ein Haus rund 3900 Euro. Trotz dieser Herausforderungen wurden bislang beeindruckende Erfolge erzielt: Über 1850 Häuser konnten in Kerala errichtet werden, wodurch mehr als 10.000 Menschen ein sicheres Zuhause erhalten haben. Die Verwaltungskosten liegen unter einem Prozent – ein wesentlicher Grund für das große Vertrauen vieler Spenderinnen und Spender.

Ein kleines Paradies
Die Notwendigkeit solcher Unterstützung zeigt sich besonders angesichts immer extremerer Wetterbedingungen. Der Klimawandel führt in Kerala während der Monsunzeit vermehrt zu Starkregen und Erdrutschen. Deshalb muss die Bauweise der Häuser laufend angepasst werden, um den Naturgewalten standhalten zu können. Für Pfarrer Georg ist klar: „Die meisten haben mit den neuen Häusern erstmals eine Adresse. Für sie ist es ein kleines Paradies, dass sie in eine bessere Zukunft blicken lässt.“

Weitere Projekte
Neben dem Hausbau setzt „Dach überm Kopf“ auch Frauenprojekte um, die einkommensschwachen Frauen langfristige Perspektiven eröffnen. Mehr als 100 Frauen haben dadurch bereits sichere Arbeitsplätze erhalten. Ein zentrales Projekt ist das Näh- und Stickereizentrum, in dem Schuluniformen, Schultaschen und liturgische Gewänder entstehen. Ergänzend dazu betreibt die Organisation eine Druckerei sowie eine Hostienbäckerei – Arbeitsplätze insbesondere für Frauen ohne formale Ausbildung, die auf dem freien Arbeitsmarkt kaum Chancen hätten.

Mit dem Schulprojekt unterstützt die Organisation Kinder und Jugendliche aus armen Familien, die sonst keinen Zugang zu Bildung hätten. Zur Verfügung gestellt werden unter anderem Schultaschen, Unterrichtsmaterialien, Schulbücher und die in Indien verpflichtenden Schuluniformen. Ziel ist es, jungen Menschen eine solide Basis für ihre Ausbildung und damit langfristige Perspektiven zu ermöglichen.
Zwischen 1998 und 2021 engagierte sich der Verein zudem für Waisenheime. Seit 2021 konzentriert sich „Dach überm Kopf“ aufgrund der steigenden Herausforderungen vor Ort wieder verstärkt auf den Hausbau sowie auf Schul- und Frauenprojekte.

Alle Häuser eingeweiht
Pfarrer Georg reist jedes Jahr nach Kerala, um neue Häuser einzuweihen, Projektfortschritte zu überprüfen und die enge Zusammenarbeit mit seinem Bruder Francis sowie den ehrenamtlichen Helfern vor Ort zu pflegen. Diese direkte Verbindung stellt sicher, dass Spenden zielgerichtet und unmittelbar dort ankommen, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Begleitet wird der Geistliche bei seinen Indien-Reisen oft von Vorarlberger Spenderinnen und Spendern.

Arbeit wird dokumentiert
Wie wirksam die Unterstützung aus Vorarlberg ist, zeigt sich jedes Jahr beim Filmvortrag im Rahmen eines Dankgottesdienstes. Dort werden die Einweihungen der neu gebauten Häuser, die Arbeit in den Nähzentren und weitere Hilfsprojekte dokumentiert und der Öffentlichkeit präsentiert. Erst kürzlich konnten erneut 36 fertiggestellte Häuser eingeweiht und zahlreichen Familien übergeben werden.
Spendenkonto
„Dach überm Kopf“
Raiffeisenbank Hohenems
IBAN: AT80 3743 8000 0108 9960
www.dachuebermkopf.com
Sprachrohr für Bedürftige
„Die Menschen, die spenden, und die, die empfangen – das Zusammenspiel von Geben und Nehmen“, so beschreibt Pfarrer Georg seinen inneren Antrieb. „Ich selbst bin nur ein Sprachrohr für die Bedürftigen und für die Obdachlosen. Solange Gott mir Kraft gibt, werde ich weitermachen. Und natürlich haben mich Vorbilder wie Mutter Teresa geprägt. Sie sagte einmal: ‚Gib so, dass es dir weh tut.‘ Diese Haltung begleitet mich.“ Auch Papst Franziskus, der sich stark für die Armen einsetzte, inspirierte mich.