Drei Fälle mit … Martin Mennel: Der Haussklave, ein ungültiges Testament und Polizisten im Jagdfieber

Rechtsanwalt und Strafverteidiger Martin Mennel über einen Koch unter falschem Verdacht, die Jagd nach einem Bregenzerwälder Wilderer – und wie er sich schon als Rechtspraktikant querlegte.
Eigentlich wollte Martin Mennel ja Tischler werden. Ein naheliegender Berufswunsch für einen Buben im Bregenzerwald, wo das Handwerk so selbstverständlich ist wie die sanften Hügel vor der Haustür. Dass er sich am Ende doch nicht in diese Tradition einreihte, sei keine „göttliche Eingebung“ gewesen, sagt Mennel schmunzelnd. Vielmehr habe ein einfacher Tipp eines Notars den Ausschlag gegeben. Der Jurist, der sonntags nach der Kirche des Öfteren im Elternhaus zu Gast war, riet ihm zunächst, die Matura zu machen. Danach könne er immer noch Tischler werden. „Als ich die Matura hatte, meinte er, ich soll lieber Jus studieren. Damit könne ich alles werden, vom Straßenkehrer bis zum Bundespräsidenten.“

Mennel wurde weder Straßenkehrer noch Bundespräsident. Stattdessen zählt der 63-jährige Bezauer schon seit vielen Jahren zu den profiliertesten Anwälten des Landes. Auch unter Kolleginnen und Kollegen genießt er hohes Ansehen. Er sei angriffig und unnachgiebig, zugleich aber sehr überlegt, heißt es. Auch seine Fragetechnik und Rhetorik stoßen auf große Anerkennung.
Wie angriffig und unnachgiebig, aber auch kühn Mennel sein kann, zeigte sich schon im Gerichtsjahr, als er sich als junger Jurist mit dem Präsidenten des Landesgerichts Innsbruck anlegte. Das damals frische Rechtspraktikantengesetz sah eine echte Ausbildung vor, aber auch in Innsbruck schrieben die Praktikanten fast ausschließlich Protokolle. „Auf Schreibmaschinen, deren Tasten nicht einmal funktionierten“, erinnert sich der Anwalt.
Er sprach die Missstände zunächst intern an, gemeinsam mit rund 50 Kolleginnen und Kollegen und schließlich auch öffentlich im Rahmen einer Pressekonferenz. Der Präsident erklärte daraufhin, das Gesetz interessiere ihn nicht, und prophezeite Mennel, er werde „nie einen Beruf ausüben können, für den eine Gerichtsausbildung notwendig ist“. Am Ende blieben von den 50 Unterstützern nur drei übrig. Mennel reichte eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Landesgerichtspräsidenten ein und bekam Recht. „Der Präsident musste sich persönlich bei mir entschuldigen“, erzählt er.

Einstieg in den Job
Für junge Juristen war es damals nicht einfach, eine Konzipienten-Stelle zu bekommen. Zunächst heuerte Mennel bei einem Innsbrucker Anwalt an. Der erklärte ihm gleich zu Beginn: „Vertragssachen mache ich, alles andere machst du.“ Wenig später wurde der frisch gebackene Konzipient in eine Schöffenverhandlung geschickt, obwohl ihm die entsprechende Vertretungsbefugnis fehlte. „Ich fragte meinen Chef, was ich jetzt machen soll. Er meinte nur, dass das jetzt mein Problem sei“, erinnert sich Mennel und lacht. Später bewarb er sich in der angesehenen Kanzlei von Clement Achammer, der ihn sofort aufnahm. „Ich dachte, dass er mich nach einem halben Jahr wieder an die frische Luft setzt.“ Aber es kam anders. Mennel wurde später sogar Partner und führt die Kanzlei heute gemeinsam mit Achammers Sohn. Mennel wurde gleich mit großen Strafrechtsfällen betraut, auch im Rotlichtmilieu. „Ich habe da alles vertreten, was Rang und Namen hatte.“ Als sich die Strukturen in der Kanzlei aufgrund eines Unfalls von Clement Achammer wieder änderten, übernahm Mennel verstärkt Erb- und Vertragsrechtssachen.

Fall 1: Das ungültige Testament
Ums Erbrecht geht es auch im ersten und jüngsten Fall, den Mennel für die NEUE-Serie aus seinem Archiv ausgegraben hat. Kurz vor dem Tod einer begüterten Frau wurde im Krankenhaus ein Testament errichtet. Eine angebliche Freundin der Verstorbenen erschien dort gemeinsam mit ihrem Anwalt sowie zwei Sekretärinnen, die das Testament zusammen mit einer Krankenschwester als Zeuginnen unterschrieben. Die einzige Tochter der Verstorbenen wurde misstrauisch und wandte sich an Mennel. Bei der Verlassenschaftsabhandlung fiel dem Anwalt auf, dass das Testament und das Blatt mit den Unterschriften der Zeuginnen nur mit einer Heftklammer verbunden waren. Für Mennel war damit eine zentrale Frage offen. Erfüllen zwei lose Blätter überhaupt den gesetzlichen Urkundenbegriff? Nach seiner Einschätzung ließ sich ein solches Testament zu leicht verändern. Er bekämpfte die Gültigkeit des Testaments, zunächst erfolglos. Erst der Oberste Gerichtshof gab ihm 2018 recht. Die Entscheidung löste österreichweit Bewegung aus. „Ein ungültiges Testament ist der Worst Case“, weiß Mennel. Notare und Anwälte mussten ihre Archive durchsuchen, Haftungsprozesse gegen Testaments-Errichter folgten und alte Verlassenschaften wurden neu betrachtet. Laut Mennel waren „sicher Tausende Testamente betroffen“. Später wurde die strenge Judikatur des OGH etwas entschärft: Die Unterschriften dürfen heute zwar auf einem separaten Blatt stehen, entscheidend ist jedoch, dass alle Seiten zeitnah nach der Unterfertigung zu einer einheitlichen Urkunde verbunden werden.


Fall 2: Der Haubenkoch, der Haussklave und teure Uhren
Der Fall des Bregenzer Wirtepaares H. – er ein ehemaliger Haubenkoch – entwickelte sich Mitte der 2000er-Jahre wie ein mehrgängiges Menü, bei dem mit jedem Gang neue Zutaten dazukommen und der Nachgeschmack für jene bitter wird, die glauben, das Rezept im Griff zu haben. Ausgangspunkt war eine Geldübergabe: Der angestellte Koch, der das Wirtepaar auch privat bediente, übergab seiner Chefin 100.000 Schilling zur Veranlagung, ohne Quittung. Als er kündigte und sein Geld zurückforderte, folgte der Vorwurf der Unterschlagung sowie des sexuellen Missbrauchs der fünfjährigen Tochter, auf die der Koch zeitweise aufpasste.
Doch das Blatt wendete sich, als Mennel minutiös die Kontobewegungen prüfte und herausfand, dass über dieses Konto teure Uhrenkäufe in einem Auktionshaus abgewickelt worden waren. In diesem Moment, sagt der Anwalt, „änderte sich das Blatt. Es hat sich gezeigt, wer wirklich kriminell handelt.“ In der Hauptverhandlung präsentierte das Wirtepaar dann plötzlich einen Einzahlungsbeleg über 125.500 Schilling, der die Rückzahlung beweisen sollte, sich letztlich aber als Rohrkrepierer herausstellte.
Das Ehepaar wurde letztlich wegen schwerer Nötigung und Verleumdung verurteilt, die Frau zusätzlich wegen schweren Betrugs schuldig gesprochen. „Man hat den Koch wie einen Haussklaven gehalten und ihn dann auf niederträchtigste Weise des Kindesmissbrauchs bezichtigt“, sagte der damals zuständige Richter Peter Mück. In zweiter Instanz wurden die Strafen gegen das Paar sogar noch einmal erhöht. Was im Verfahren ebenfalls ans Licht kam, waren die Schummeleien des ehemaligen Haubenkochs. In seinem gut gehenden Lokal in Bregenz wurde Sodawasser als Mineralwasser verkauft, Billigwein teilweise in teure Flaschen umgefüllt und das Wiener Schnitzel vom Kalb war aus Schweinefleisch. Die bittersten Zutaten dieses Falls waren jedoch jene, die beinahe einen Unschuldigen vernichtet hätten.
Fall 3: Polizisten im Jagdfieber
Wilderei, sagt Mennel, sei „emotional so stark besetzt wie fast nichts“. Was für die einen ein symbolischer Trotzakt gegen die Obrigkeit sei, bedeute für die anderen – vor allem Jäger – Machtverlust. „Da prallt einfach sehr viel aufeinander“, sagt der Anwalt. In genau dieser aufgeladenen Stimmung rief eines Abends die Mutter eines jungen Bregenzerwälders an. Ihr Sohn sei über Nacht am Polizeiposten in Egg behalten worden, man drohe, ihn in die Justizanstalt zu überstellen. Mennel konnte kaum glauben, dass es dabei nur um den Vorwurf der Wilderei geht. Für ihn klang die Schilderung „nach Jagdfieber, nicht nach Rechtsstaat“.
Tatsächlich hatten sich Jäger und Polizisten auf die Lauer gelegt, um dem damals 25-jährigen Wilderer endlich das Handwerk zu legen. Nachdem der junge Mann einen Hirsch in fremden Jagdgründen erlegt hatte, fielen Schüsse, die ihn offenbar nur knapp verfehlten. Die anschließende Festnahme, ebenfalls unter Einsatz der Waffe, hatte wenig mit polizeilicher Routine zu tun. „Der Beamte hat meinen Mandanten angewiesen, mit dem Auto zu fahren. Er selbst saß mit der Pistole daneben, erinnert sich Mennel. Zudem sei der Polizist nicht direkt zur Dienststelle gefahren, sondern zunächst in die Gegenrichtung. „Er wollte den Jagdkollegen zuerst seine Beute, sprich den Wilderer, zeigen.“ Der Anwalt legte deswegen Beschwerde beim damaligen Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS) ein – mit Erfolg. Das Vorgehen der Polizei wurde als rechtswidrig beurteilt.
Die Hausdurchsuchung bei dem Bregenzerwälder brachte 184 Paar Hörner, etliche Waffen und 70 Kilo vermeintliches Wildbret zum Vorschein. Doch das Verfahren bröckelte rasch. Die Trophäen ließen sich nicht zuordnen, das sichergestellte Wildbret entpuppte sich später als Kalbfleisch. Am Ende konnte man dem jungen Mann nur den Abschuss eines Hirsches nachweisen.
In zweiter Instanz wurde die unbedingte Geldstrafe in eine bedingte umgewandelt, und die Eltern des Wilderers vom Vorwurf des unerlaubten Waffenbesitzes freigesprochen. Mennel erinnert sich noch heute an den Schluss der Verhandlung: Der Vater habe den Richtern die Hand geschüttelt und gemeint, dass die hohen Herren jederzeit auf einen Rehbraten eingeladen

