Sexuelle Gewalt: Was im Ernstfall im Krankenhaus Dornbirn passiert

In der Missbrauchsambulanz in Dornbirn stehen Ärztinnen und Fachpersonal jederzeit bereit, um Betroffenen beizustehen – behutsam, professionell und immer mit dem Ziel, ihnen Kontrolle zurückzugeben.
Niemand weiß genau, wie oft Vergewaltigungen passieren. Es können höchstens Schätzungen gemacht werden. Das Einzige, was sicher ist: Es kommt häufiger vor, als gemeldet und angezeigt wird. Vergewaltigung ist ein schwieriges Thema. Noch immer geben sich viele Opfer fälschlicherweise selbst die Schuld am Vorfall.
Meistens Frauen
Allein im letzten Jahr wurden im Krankenhaus Dornbirn 51 Erwachsene und 15 Kinder nach einem sexuellen Übergriff betreut. Bei den erwachsenen Opfern handelt es sich meist um Frauen, jedoch komme es auch ein- bis zweimal im Jahr vor, dass ein Mann betroffen ist. „Besonders in Phasen, in denen insgesamt mehr Alkohol konsumiert wird, steigen die entsprechenden Fallzahlen an“, erklärt Lisa Metzler, Oberärztin an der Gynäkologie und Leiterin der Missbrauchsambulanz im Krankenhaus Dornbirn.

„Wir können hier rund um die Uhr, sieben Tage die Woche eine Ärztin für die Spurensicherung und Behandlung nach einer zeitnahen Vergewaltigung zur Verfügung stellen“, sagt Metzler im Gespräch mit der NEUE. Wenn es zum Ernstfall kommt, wird in der Missbrauchsambulanz intensiv darauf geachtet, den Patientinnen möglichst entgegenzukommen und diese nicht zu retraumatisieren. „Zu den ersten Maßnahmen gehört neben der medizinischen Versorgung auch die Dokumentation von Verletzungen sowie – falls erforderlich – die Sicherung von Spuren.“ Dazu gibt es im Krankenhaus extra steril verpackte Metallboxen, in denen das medizinische Fachpersonal alles vorfindet, was für den Vorgang benötigt wird. Am meisten Beweismaterial kann erfasst werden, wenn sich die Patientin beziehungsweise der Patient vor der Spurensicherung nicht wäscht und möglichst mit der Kleidung, die sie oder er während der Tat getragen hat, mit ins Krankenhaus bringt. Metzler weist darauf hin: „Besonders für K.o.-Tropfen gilt: Je früher, desto besser. Nach etwa sieben Stunden sind sie kaum mehr nachweisbar.“

Patient entscheidet selbst
Das medizinische Personal geht in dieser Situation besonders behutsam vor und richtet alle Schritte konsequent nach den Wünschen der Patienten aus. Zur medizinischen Versorgung können verschiedene Untersuchungen und Behandlungen gehören, sofern die Betroffenen dies möchten und sich damit sicher fühlen. Bei der Spurensicherung können Harn und Blut abgenommen und auf Drogen sowie Geschlechtskrankheiten wie HIV, Hepatitis, Chlamydien und Gonokokken untersucht werden. Zusätzlich werden DNA-Abstriche gemacht. Bei sichtbaren Verletzungen erfolgt außerdem eine Fotodokumentation. Wenn ungeschützter Geschlechtsverkehr stattgefunden hat, bekommt die betroffene Person, sofern sie das möchte, die „Pille danach“. Für den Fall, dass der Täter aus einem Drogenmilieu stammt, gibt es zusätzlich eine HIV- und Hepatitis-Prophylaxe.

Auch die Frage, ob es schlussendlich zu einer Anzeige kommt, liegt meist in der Hand der Betroffenen selbst. Wenn keine unmittelbare Gefahrensituation vorliegt und die Person mündig ist, kann sie selbst entscheiden, ob es zu einer Anzeige gegen den Täter beziehungsweise den potenziellen Täter kommt. „Bis dahin lagern wir das Material der Spurensicherung datenschutzkonform und streng abgesichert bei uns“, so Metzler.
Genaue Vorgaben
Im Fall, dass die Polizei das Beweismaterial für eine richterlich angeordnete Analyse abholen möchte, gelten strenge Vorgaben. Die Übergabe kann nur erfolgen, wenn die Polizei sich bei den verantwortlichen Personen meldet und die Übergabe selbst erfolgt nur gegen Vorlage des Dienstausweises.
Für die Opfer endet die Unterstützung nach der Spurensicherung nicht. „Auf Wunsch erhalten sie umfassende Informationen zur Opferschutzgruppe, und unsere Sozialarbeiterinnen nehmen am nächsten Werktag telefonisch Kontakt auf, um weiter zu begleiten und offene Fragen zu klären. Zudem stellen wir Informationsmaterial zu Unterstützungsangeboten wie dem IFS, der Prozessbegleitung oder Frauennotwohnungen zur Verfügung“, sagt Metzler zum Schluss.