Für Rossi soll es ein Schock gewesen sein

Analyse. Marco Rossi dürfte nach seinem Trade von Minnesota zu Vancouver viel Verantwortung bei den Canucks bekommen, sportlich sind die Perspektiven Bescheiden.
Es ist keine ganz große Überraschung, dass sich Minnesota Wild von Marco Rossi getrennt und ihn getradet hat. Als im Frühjahr der Vertrag von Rossi bei der Franchise im Mittleren Westen der USA auslief, erstreckten sich die Verhandlungen über viele Monate hinweg. Wild-GM Bill Guerin hatte Rossi vor Beginn der Play-offs einen Fünfjahresvertrag mit einem jährlichen Gehalt von fünf Millionen Dollar angeboten. Rossi lehnte ab und beschwerte sich nach der Saison mehrfach öffentlich über fehlende Wertschätzung. Andere NHL-Klubs hätten Rossi zu diesem Zeitpunkt unter Vertrag nehmen können, sofern Minnesota mit dem Drittangebot nicht gleichgezogen wäre. Guerin kündigte damals an, jedes fremde Angebot zu matchen, was keine NHL-Organisation auslotete: Zwar hatten schon damals die Vancouver Canucks Interesse, aber ein Angebot legten die Kanadier nicht auf den Tisch. Rossi hing in der Luft. Die Hoffnung, dass ambitionierte Klubs wie die New Jersey Devils ernst machen, erfüllten sich nicht.
Verzwickte Lage
Rossis Lage war im Frühjahr festgefahren bei Minnesota. Wild-Coach John Hynes degradierte Rossi nach dem ersten Play-off-Spiel in die vierte Linie, obwohl der Rankweiler nach dem Grunddurchgang mit 60 Scorern bei 24 Toren und 36 Assists der zweitbeste Scorer seiner Mannschaft war. Nicht wenige werteten diese Rückversetzung als Retourkutsche dafür, dass der Vorarlberger das Wild-Vertragsangebot abgelehnt hatte; die Vermutung lag nahe, dass man bei Minnesota Rossis Marktwert drücken wollte. Im Lager der Rossis soll man von einer Jahresgage von etwa sieben Millionen Dollar geträumt haben, nachdem dem Center in der Saison 2024/25 der endgültige Durchbruch gelungen war. Bei Minnesota stufte man den Wert des Rankweilers jedoch deutlich niedriger ein. Am Ende setzten sich die Wild durch, Rossi unterschrieb am 22. August einen Dreijahresvertrag mit einem Gesamtvolumen von 15 Millionen Dollar, bei dem Rossis Gehalt im ersten Jahr vier Millionen, im zweiten fünf Millionen und im dritten Jahr sechs Millionen Dollar betragen sollte. Dass es sich bei dem Vertragsabschluss um nicht mehr als eine Zweckehe handelte, war offensichtlich. Rossi brauchte einen Abschluss, um an den bevorstehenden Trainingscamps teilnehmen zu können und keinen massiven Trainingsrückstand zu riskieren. Minnesota erkaufte sich Zeit, um einerseits auszuloten, wie sich Rossi in der neuen Saison machte und andererseits, um einen möglichen Trade vorzubereiten. Dass man bei Minnestoa nicht wirklich auf Rossi setzte, ließ sich auch daran erkennen, dass Guerin den 2022 als Nummer 24 gedrafteten russischen Center Danila Yurov von Metallurg Magnitogorsk nach St. Paul beorderte. Womit der 21-jährige Russe zum unmittelbaren Konkurrenten Rossis wurde.

Deal
Rossi startete mit vier Punkten aus den ersten drei Spielen sehr gut in die neue Saison, wartete aber zwischen 11. und 25. Oktober sieben Spiele lang auf einen Treffer. Minnesota legte einen schwachen Saisonstart hin, nach 17 Spielen hatten die Wild nur sieben Siege auf dem Konto bei 23 Punkten. Am 12. November zog sich Rossi eine Fußverletzung zu. Unmittelbar danach startete Minnesota ohne Rossi eine Siegesserie von sieben Spielen. In dieser Phase dürfte bei Minnesota der Gedanke gereift sein, Rossi bei einem passenden Trade abzugeben: In der NHL werden keine Ablösen gezahlt, sondern Spieler ohne deren Mitspracherecht getauscht. Genau das passierte am Freitag Ortszeit St. Paul: Minnesota gab neben Rossi noch Liam Ohgren, Zeev Buium sowie einen Erstrunden-Pick beim Draft 2026 an Vancouver ab und erhielt dafür von den Canucks den Star-Verteidiger Quinn Hughes, der als einer der drei besten Verteidiger der Liga gilt. In NHL-Fachkreisen gilt mehrheitlich Minnesota als großer Gewinner des Trades, weil mit Hughes der beste Kaderspieler nach Minnesota gewechselt sei und die Canucks im Gegenzug nur Zukunftsversprechen erhalten hätte. Und selbst die Einschätzung von Vancouvers General Manager Patrik Allvin klingt kühl, wenn er sagt: „Wir sind aufgeregt, dass wir einen soliden Center wie Marco bekommen.“
Laut Wild-Insider Michael Russo hätte Rossi geahnt, dass ein Trade bevorstehen könnte, und vom Interesse der Canucks gehört, und doch sei es für den Angreifer ein Schock gewesen, als ihn Guerin telefonisch vom Trade informierte.
Perspektiven
Wie die Nummer 23 im stillen Kämmerlein über den Trade denkt, weiß nur der innerste Kreis des Eishockeyspielers. Offiziell lässt sich der 24-Jährige zitieren, dass er es kaum abwarten kann, allen in Vancouver zu zeigen, was für ein Spieler er sei. Klar ist: Sportlich ist der Wechsel ein Abstieg für den Vorarlberger. Mit Minnesota verlässt er eine Organisation, die das Potenzial hat, in den Play-offs zu überraschen. In Vancouver stehen dagegen die Zeichen auf Neuanfang: Die Canucks haben nach 31 Spielen nur 25 Punkte und sind damit das schwächste Team der Liga. Ein Play-off-Einzug der Canucks ist illusorisch, und das womöglich nicht nur in dieser Saison, da man beim kanadischen Traditionsverein einen Kaderumbruch vollziehen will, der mehrere Jahre dauern soll. Die Canucks übernehmen Rossis Vertrag, den er bei den Wild unterschrieben hat, das Arbeitspapier des Rankweilers läuft also bis Ende der Saison 2027/28. Trotzdem kann der Wechsel eine Chance für Rossi sein: Der Vorarlberger wird in Vancouver viel Spielzeit und einen Platz in den Top sechs bekommen; und sicherlich auch zur Powerplay-Stammformation gehören. Das Schwierige ist, dass Rossi auf eher schwächere Nebenleute trifft, was es ihm nicht einfacher machen wird, den nächsten Schritt zu machen.

Fazit
Letztendlich dürfte man sowohl bei Minnesota als auch bei Marco Rossi unzufrieden über die gemeinsame Zeit sein; und wohl auch gegenseitig voneinander enttäuscht sein. Minnesota machte Rossi beim Draft 2020 zum Pick Nummer neun, die Erwartungen waren dementsprechend riesig. Die Zusammenarbeit begann tragisch, als Minnesota im Jänner 2021 bei Rossi eine verschleppte Herzmuskelentzündung entdeckte, die nach einer nicht auskurierten Long-Covid-Coronaerkrankung bei Rossi aufgetreten war. Rossi hatte davor für Österreich bei der U20-WM gespielt, ohne dass die Teamärzte erkannt hatten, dass Rossis Coronaerkrankung aus dem November 2020 nicht abgeklungen war. Der Rankweiler hätte bei der U20-WM in Edmonton bei jedem Shift tot auf dem Eis zusammenbrechen können. Erst als Rossi schließlich am 10. Jänner 2021 bei Minnesota ins Mannschaftstraining einsteigen wollte, entdeckten die Klubärzte beim turnusmäßigen Medizincheck, in welch schlechtem Zustand ihr Schützling war: Seine Entzündungswerte waren bedenklich. Rossi verlor die gesamte Saison und musste sich mühsam zurückkämpfen. Das schaffte er mit Bravour, und doch kam er in den kommenden zwei Spielzeiten nur sporadisch in der NHL zum Einsatz. Stattdessen lief er beim Farmteam Iowa Wild in der nordamerikanischen AHL auf.
Ob es schlau von Rossi war, vor den Spielzeiten 2021/22 und 2022/23 das Sommertraining in Vorarlberg mit Dylan Stanley zu absolvieren und erst spät in die USA zu übersiedeln, ist fraglich. 2023 kehrte er unmittelbar nach der A-WM nach Minnesota zurück und legte dort prompt sieben Kilo Muskelmasse zu. Aus dem schmächtigen Marco war ein deutlich wuchtigerer Rossi geworden. Der Linksschütze schaffte nun dauerhaft den Sprung in die NHL, sicherlich auch dank des Trainerwechsels bei Minnesota: Am 27. November 2023 musste Dean Evason gehen, bei dem Rossi nicht hoch im Kurs stand. Was bei Nachfolger John Hynes lange Zeit anders war. Rossi kam in der Saison 2023/24 auf 40 Scorer bei 21 Toren und 19 Assists, in der Saison 2024/25 folgte eben der Leistungssprung auf 60 Scorer. Und doch war man bei Minnesota eigentlich nie so recht von Rossi überzeugt, Wild-GM Guerin wird ein Faible für große Center nachgesagt. Warum Minnestoa dann mit Rossi einen 1,76-Meter-Mann holte, bleibt ein Rätsel.
Ausblick
Genau diese Zweifel von Minnesota werden den Rankweiler ebenso ein gemischtes Fazit über seine Wild-Zeit ziehen lassen. Dass er in der Spielzeit 2022/23 schon im November zurück in die AHL musste und erst spät, und das auch nur für drei Spiele, zurück in den NHL-Kader berufen wurde, war unverständlich. Einen wirklichen Plan hatten sie bei Minnesota nie mit Rossi. So gesehen ist es gut, dass sich deren Wege nun trennen. Nur ob Rossi in Vancouver glücklich wird, ist eine ganz andere Frage. Wann Rossi seinen ersten Einsatz für die Kanadier hat, hängt vom Heilungsprozess seiner Fußverletzung ab. Die Canucks jedenfalls sind sowohl eine große Herausforderung als auch eine große Chance für Rossi. Jetzt hängt es davon ab, was er daraus macht.