Thüringer Bürgermeister als Steuerhinterzieher: “Wie kommen Sie auf die Idee, dass Sie als Geschäftsführer nicht kontrollieren müssen?”

Nicht rechtskräftiger Schuldspruch bei Prozess gegen Harald Witwer und leitenden Finanzbeamten.
Der unbescholtene Bürgermeister von Thüringen hat nach Ansicht des Schöffensenats als Geschäftsführer der Immobilienverwaltungs GmbH der Gemeinde Thüringen das Hinterziehen von Umsatzsteuern zu verantworten. Von 2019 bis November 2023 wurde ihm dazu vom Gericht grob fahrlässiges Verhalten unterstellt, von November 2023 bis Februar 2025 vorsätzliches.
Weil der Bürgermeister als Geschäftsführer kontrollieren hätte müssen, bis er im November 2023 von den Malversationen erfahren habe, so Richterin Verena Wackerle. Und weil er danach die Malversationen weiterhin nicht verhindert habe.
Finanzstrafbehörde wird Strafe festlegen
Da dem Urteil zufolge die Schadensgrenze von 150.000 Euro bei der vorsätzlichen Abgabenhinterziehung unterschritten wurde und teilweise grob fahrlässige Abgabenverkürzung vorliegt, ist für die Bestrafung nicht das Landesgericht zuständig, sondern die Finanzstrafbehörde. Dasselbe gilt auch für die Immobilienverwaltungs GmbH der Gemeinde Thüringen, was die Verbandsgeldbuße für Unternehmen anbelangt.
Der leitende Finanzbeamte des Gemeindeverbands Blumenegg wurde wegen Abgabenhinterziehung zu einer teilbedingten Geldstrafe von 110.000 Euro verurteilt. Davon beträgt der unbedingte, zu bezahlende Teil 80.000 Euro. 30.000 Euro wurden für eine Bewährungszeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Der entstandene Steuerschaden mit nicht abgeführten Umsatzsteuern und Umsatzsteuervoranmeldungen von 232.000 Euro wurde bereits wiedergutgemacht.
Keines der Urteile ist rechtskräftig. Die Angeklagten und der Staatsanwalt nahmen drei Tage Bedenkzeit.
Witwer beantragte Freispruch
Der angeklagte Bürgermeister sagte, er sei nicht schuldig, und beantragte einen Freispruch. Der 48-Jährige sagte, er habe erst im November 2023 von den nicht abgeführten Umsatzsteuern erfahren. Danach habe er erfolglos Druck gemacht, um die Missstände abzustellen. „Wie kommen Sie auf die Idee, dass Sie als Geschäftsführer nicht kontrollieren müssen?“, fragte die Richterin den Bürgermeister. Trotz der Auslagerung an den Gemeindeverband der Blumenegg-Gemeinden hafte er als Geschäftsführer.
Der angeklagte Finanzbeamte des Gemeindeverbandes Blumenegg sagte, er habe wegen Arbeitsüberlastung die Umsatzsteuern und die Umsatzsteuervoranmeldungen für die Gemeinde-Immobilienfirma nicht rechtzeitig abgeführt. Er habe aber keinen Vorsatz zur Steuerhinterziehung gehabt, gab der unbescholtene 63-Jährige zu Protokoll.