Räuchern und Reflektieren: Rauhnächte im Walsertal

Ruhe statt Rastlosigkeit: Während viele im Trubel der Feiertage gefangen sind, widmet sich Susanne Türtscher der Rauhnachtstradition.
Die Zeit zwischen Weihnachten und den Heiligen Drei Königen ist oftmals die stressigste Zeit des Jahres. Die besinnlichen Festtage verlaufen nicht selten irgendwo zwischen Familienbesuchen, Weihnachtsfeiern und stundenlanger Arbeit in der Küche, von den zahlreichen Besorgungen und den unzähligen Geschenken ganz zu schweigen.
Dabei würde sich laut Susanne Türtscher gerade die dunkelste Jahreszeit gut dazu eignen, um in sich zu kehren und zur Ruhe zu kommen. Die Kräuterpädagogin aus Sonntag hat eigens für diese besondere Zeit ein Buch, ein Tagebuch, ein Hörbuch sowie mehrere Räuchermischungen entwickelt.

Zwischen der Zeit
Die Rede ist von den Rauhnächten, den Tagen „zwischen den Jahren“, die mancherorts auch als dreizehnten Monat im Jahreskreis bezeichnet werden. Je nach Brauchtum beginnen sie am 21. Dezember, zur Wintersonnenwende, oder am 24. Dezember, zu Weihnachten. Die darauffolgenden zwölf Tage werden Raunächte genannt.
In dieser Zeit finden sich in ganz Europa unterschiedlichste Bräuche, Geschichten und Rituale. Türtscher erzählt dazu: „Hier im Walsertal hat man sich beispielsweise früher erzählt, dass der Habergoaß, eine mystische Sagengestalt in Form einer Ziege, während der Rauhnächte von Haus zu Haus gezogen sei. Der Habergoaß habe einen Kübel voller Ziegenmist mit sich geführt und an die Menschen verteilt. Wer das Geschenk annahm, fand am nächsten Tag, je nach Überlieferung, wertvollen Schmalz oder Gold in dem Kübel.“

Die Bedeutung der Rauhnächte
Für Susanne Türtscher sind die Rauhnächte eine Zeit der inneren Einkehr, der Reflexion und der Dankbarkeit. Jede Nacht steht für einen bestimmten Monat beziehungsweise ein Sternzeichen und hat laut ihr eine ganz eigene Bedeutung.
Für die Kräuterpädagogin beginnen die Rauhnächte mit der Wintersonnenwende am 21. Dezember. Dieser Tag dient als Reflexion für den ersten Mondzyklus des kommenden astrologischen Jahres. Das bedeutet: Dem Glaube nach gibt jede Rauhnacht Hinweise auf einen Monat im kommenden Jahr.
Die erste Rauhnacht steht im Zeichen des Widders, also für den Zeitraum vom 21. März bis zum 20. April. Der 22. Dezember, die zweite Rauhnacht, steht dann im Zeichen des Stiers, entsprechend vom 21. April bis 20. Mai. So geht es weiter bis hin zum 1. Jänner, der letzten Rauhnacht im astrologischem Zeichen der Fische.
Da jeder dieser Tage Hinweise oder Leitgedanken für das kommende Jahr enthalten kann, spielt für Türtscher auch das Führen eines Tagebuchs während dieser besonderen Nächte eine wichtige Rolle.

Sie sagt dazu aber auch: „Niemand weiß, was im kommenden Jahr passieren wird. Ich sehe dies als eine Einladung, mich tiefer mit dem, was ist, auseinanderzusetzen und es wahrzunehmen.“
Die 13. Fee
Ein weiterer Aspekt der Rauhnächte ist für die Walserin der sogenannte dreizehnte Mond. Zwar hat jedes Jahr zwölf Monate, jedoch meist 13 Vollmonde. Der Mond ist in vielen Kulturen seit jeher mit dem Weiblichen assoziiert, vermutlich weil der weibliche Zyklus im Schnitt rund 28 Tage wie der Mondzyklus dauert. In der modernen westlichen Welt hat dieser allerdings kaum Bedeutung.
Türtscher hingegen misst dem dreizehnten Mond hohe Relevanz bei: Wie im Märchen von Dornröschen symbolisiert er die „13. Fee“, die ungebetene, unerwartete Kraft. Während der Rauhnächte könne dieser dreizehnte Mond in Form einer Begegnung oder eines Erlebnisses ein lang bestehendes, ungelöstes Problem ans Licht bringen, welches gelöst werden möchte.

Über das Räuchern
Ein weiterer wichtiger Aspekt sind für Türtscher die Rituale in diesen dunklen Tagen. So zündet die Walserin in jeder Rauhnacht eine eigens dafür zusammengestellte Räuchermischung an – jeweils abgestimmt auf das Sternzeichen der Nacht.
In der Nacht des 24. Dezember, die im Zeichen des Krebses und des dazugehörigen Mondes steht, wird etwa Johanniskraut verbrannt. Während der Krebs in der Astrologie als besonders feinfühlig gilt, ist Johanniskraut in der Medizin für seine ausgleichende und beruhigende Wirkung bekannt.
In diesem Sinn soll das Kraut als Ausgleich und Stärkung für die spätere Zeit im Zeichen des Krebs dienen.