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Als Schallert-Ski der Renner waren

27.12.2025 • 22:08 Uhr
Als Schallert-Ski der Renner waren
Otto Schallert in seiner ehemaligen Skiwerkstatt in Nenzing. Dietmar Stiplovsek

In der Werkstatt von Otto Schallert ist die Zeit stehen geblieben. Die NEUE besuchte den 99-Jährigen in Nenzing, tauchte in eine vergangene Welt ein und bekam vermittelt, wie bei Schallerts ab den 1920er-Jahren Ski gefertigt wurden.

Die Wagnereiwerkstatt von Otto Schallert in Nenzing steht seit über einem halben Jahrhundert still, ist aber über die Jahrzehnte in ihrer ursprünglichen Form erhalten geblieben und gilt daher als eine absolute Rarität. Der heute 99-jährige ehemalige Betreiber der Werkstätte kehrt noch immer gerne an seine Wirkungsstätte zurück und gerät bei seinen Erinnerungen ins Schwärmen.
Vater Christian Schallert betrieb die Wagnerei bereits nach dem Ersten Weltkrieg und stellte zunächst in erster Linie Schlitten und Wagenräder her. In den frühen 1920er-Jahren begann er schließlich – fast zeitgleich übrigens mit dem Hohenemser Wagner Anton Kästle – mit der Herstellung von Ski. Otto Schallert erzählt, dass er seinem Vater schon während der Schulzeit regelmäßig in der Werkstatt geholfen habe, was für ihn nicht immer ganz einfach gewesen sei. Nach dem Kriegsende machte er schließlich im väterlichen Betrieb die dreijährige Wagnerlehre. Danach hätte er eine Arbeitsstelle in der Schweiz bekommen, aber der Vater sagte ihm, dass er ihn daheim brauche. Nach der Meisterprüfung übernahm er daher das Gewerbe und führte den Betrieb bis in die Mitte der 1960er-Jahre.

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Das war Spitze: Schallert-Ski aus Nenzing. Dietmar Stiplovsek

Gattersäge
Christian Schallert erwies sich bei der Skiherstellung von Beginn an als äußerst innovativ. „Er hat viel mit verschiedenen Holzsorten experimentiert, achtete genau auf die richtige Schlägerung und die anschließende Lagerung“, erinnert sich Otto Schallert. Zunächst wurde vor allem astfreies Eschenholz aus der Umgebung von Nenzing verwendet, das, weil es aus Nassgebieten stammte, besonders elastisch war. Nach dem Zuschnitt in der örtlichen Säge wurde das Holz neben der Werkstätte unter einem Flugdach gelagert. „Wir hatten keinen Ofen zum Trocknen, das Holz wurde luftgetrocknet, was mindestens drei Jahre dauerte.“ Später verwendete Schallert wegen der deutlich größeren Belastbarkeit Hickoryholz aus Amerika.
Die ersten Skimodelle waren komplette Holzski. Neben einer Gattersäge, mit der der grobe Zuschnitt vorgenommen wurde, konstruierte Christian Schallert in den 1920er-Jahren für die weitere Arbeit des Zuschneidens auch eine eigene Bandsäge, noch heute der ganze Stolz seines Sohnes: „Er hat alle Teile bis auf den Motor selbst hergestellt, und sie funktioniert sogar heute noch, obwohl sie seit 60 Jahren nicht mehr in Verwendung ist. Der Motor befand sich im Keller und trieb die Säge über Transmissionsriemen an.“

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So sahen einst die Skibindungen aus. Dietmar Stiplovsek

Mit Augenmaß
Bereits 1928 kaufte Christian Schallert (Sohn Otto: „Er war sehr begabt und unglaublich kreativ“) dann eine eigene Kehlmaschine, weil er dadurch die Skientwicklung in Mitteleuropa vorantreiben konnte, denn in Norwegen war dieses Prinzip damals schon Standard. Nach dem Kehlen wurde der Ski im Biegeofen, auch dieser eine Eigenkonstruktion, gebogen, ehe mit einer Schablone die Skispitzen gefertigt wurden und schließlich mit dem Feinschliff („Der erfolgte mit Gefühl und Augenmaß“) in die gewünschte Form gebracht wurde. Dann wurde der Ski noch gebeizt und lackiert. Nach der Anbringung der Oberkanten wurde noch mit Spezialkleber eine Kunststoffschicht aufgeklebt. Die Rille auf der Unterseite des Skis wurde ganz zum Schluss auf der Kehlmaschine angebracht. „Der fertige Ski wurde dann auf Gestellen zum Trocknen gelagert, am besten 14 Tage“, erklärt Schallert.

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Der Besuch in der Skiwerkstatt fühlte sich wie eine Zeitreise an. Dietmar Stiplovsek

Führend
In den 1950ern erfolgte der nächste große Entwicklungsschritt, als man für den Schallert-Ski vom Vollholz- zum Mehrschichtski überging. Das Zusammenleimen der verschiedenen Schichten sorgte dafür, dass sich der Ski nicht mehr verziehen konnte. Otto Schallert erlernte diese neue Technik 1952 bei der Firma „Schuh Ski“ von Walter Schuh in Wien, der bei dieser Entwicklung führend war in Österreich.
Mit einem speziellen Leim mit Härter wurden die wenige Millimeter dicken Schichten, zumeist aus Hickory-Holz, zusammengeklebt und gepresst. Für den keilförmigen Holzkern, der für eine kontrollierte Biegelinie sorgte, wurde – vor allem wegen des deutlich geringeren Gewichts – Birkenholz verwendet. Gerade dieser von Vater Schallert erfundene Skikeil ist in den Augen seines Sohnes die wichtigste Neuerung, die in dieser Werkstatt kreiert wurde. „Sie ist gewissermaßen ein Symbol dafür, wie wir die Skitechnik hier in Nenzing weiterentwickelt haben“, blickt Otto Schallert mit unverhohlenem Stolz auf diese Errungenschaft zurück.
Neben Alpinski wurden zeitweise auch einzelne Sprungski hergestellt. „Langlaufski haben wir aber praktisch keine produziert; da war die Nachfrage bei uns zu gering“, erklärt Schallert Oft wurde er im Übrigen auch kontaktiert, um Ski zu reparieren, vor allem wenn es sich um Rennskier von Spitzenfahrern oder -fahrerinnen handelte. Oft brachen die Ski damals nämlich an der Bruchstelle bei der Schaufel, die dann von Schallert wieder kunstgerecht neu aufgesetzt wurde. Unter anderen ließ sich auch Trude Beiser ihre Ski bei ihm reparieren. Er hatte allerdings nicht nur heimische Abnehmer, einmal bezog sogar die norwegische Nationalmannschaft ihre Trainingsski beim Nenzinger.

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Gerätschaft aus dem letzten Jahrhundert. Doch: Auch damit wurde Qualität hergestellt – und das in Handarbeit. Dietmar Stiplovsek

Blütezeit
In der Blütezeit produzierte Otto Schallert in seiner Skiwerkstatt zwischen 150 und 200 Paar Ski pro Saison. „Zu Spitzenzeiten musste ich dann zeitweilig auch zwei bis drei Mann als Helfer anstellen“, sagt der Nenzinger, betont aber, dass er seine Werkstatt eigentlich immer als Ein-Mann-Betrieb geführt habe.
Als dann Mitte der 1960er-Jahre die Skiproduktion – unter anderem in Vorarlberg – durch die Firma Kästle deutlich gesteigert wurde, konnte Otto Schallert mit dieser Entwicklung nicht mehr mithalten. Es war ihm unmöglich, wie die Konkurrenz Tausende Ski herzustellen, dafür hätte er enorm expandieren müssen, wozu er aber an seinem Standort nicht in der Lage war. Zudem war der Umstieg auf Kunststoff- und Fieberglas­ski in seiner ganz auf Holzski ausgerichteten Werkstatt nicht möglich.
So sah sich der 40-Jährige Mitte der 1960er-Jahre schließlich gezwungen, seinen Betrieb schweren Herzens zu schließen. In der Folge übersiedelte er 1967 in die benachbarte Schweiz, wo er in Buchs, Kanton St. Gallen, noch 15 Jahre bei der Skifirma Schwendener tätig war. Dieser zeitweilig größte Skihersteller in der Schweiz, der 1931 von Johann Schwendener gegründet worden war, musste allerdings 1971 Konkurs anmelden, sodass Otto Schallert wieder in seine Heimat zurückkehrte.

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Otto Schallert ging das Herz auf inmitten seiner alten Arbeitswelt. Dietmar Stiplovsek

Alles beim Alten
Seine Skiwerkstatt in Nenzing, die im Haus seines Bruders untergebracht war, blieb infolge der Besitzverhältnisse – Otto Schallert hatte ein dauerhaftes Nutzungsrecht – auch nach der Schließung nahezu unverändert. Nach dem Tod seines Bruders verkauften dessen Nachkommen das Haus und die angrenzende Werkstätte zwar, der neue Besitzer erkannte jedoch den einzigartigen Wert dieses Objekts, und so blieb die Werkstatt auch bis heute weiterhin völlig unverändert. Pläne, daraus ein Museum zu machen, gab es schon vor einigen Jahren, sie wurden allerdings bisher nie realisiert.
Der Hauptgrund ist, dass ein solches Projekt wohl einen einschneidenden Umbau notwendig machen würde, wodurch letztlich die Authentizität unweigerlich verloren ginge. So bleibt vorerst alles beim Alten.