Musik sprechen lassen für Integration

Musik vereint Menschen. Das zeigt der Vorarlberger Udo Felizeter mit dem sozialen Musikinstitut DoReMi.
Sei die Veränderung, die du dir für die Welt wünschst, lautet das Motto von Udo Felizeter. Veränderung kann der Vorarlberger. Das hat er gezeigt, als er gemeinsam mit dem Schwarzacher Nico Schwendinger ein soziales Musikinstitut in Wien, der Wahlheimat der beiden, eröffnete.
Sie wollten die Spendeneinnahmen ihres selbst im Jahr 2016 initiierten Projekts „Open Piano for Refugees“ in eine soziale Musikschule fließen lassen. Die Suche blieb allerdings erfolglos. So riefen die zwei „DoReMi“ im neunten Bezirk ins Leben.
Radreise mit Folgen
Im „DoReMi“ will Felizeter „die Musik sprechen lassen“. Musik bedeutet für den 31-Jährigen Abschalten, Inspiration und Kreativität. Schon seit 24 Jahren ist das Klavier fester Bestandteil seines Lebens.
Als der Bregenzer auf seiner Radtour durch die Ukraine, Weißrussland und Polen gemeinsam mit Schwendinger in Kiew und Lemberg öffentliche Klaviere entdeckte, war die Freude deshalb groß. Sofort setzte er sich an einen der Flügel und musste enttäuscht feststellen, dass dieser verstimmt war. In diesem Moment war der Grundstein für die Idee zu „Open Piano for Refugees“ geboren. „Das bringen wir nach Wien – nur besser“, war Felizeters erste Intention. Das Konzept, den öffentlichen Flügel mit Spendensammeln zu verbinden, entwickelte sich erst später.

Zurück in Wien konnte Felizeter beim ersten Pianino am Platz der Menschenrechte eine besondere Dynamik unter Passanten beobachten. Manche davon trauten sich sofort, in die Tasten zu hauen, und andere begannen Gespräche mit Fremden.
„Es gibt zu wenig Spontanität in der Öffentlichkeit“, kritisiert der 31-Jährige. Dem will er entgegenwirken und Freude in die Welt bringen. Das Klavier gebe Menschen das Gefühl, frei zu sein und nehme sie auf eine Reise mit.
„Gratis ist nichts wert“
Nicht nur die öffentlichen Klaviere sind ein Ort der Begegnung. Auch im Institut „DoReMi“ treffen Menschen mit diversem Background aufeinander. Dabei spielen Herkunft, Einkommen oder Sprache keine Rolle.
Die zwei Freunde haben einen Ort geschaffen, an dem die über 150 Lernenden und die 21 Lehrenden voneinander profitieren. Das Institut zeichnet sich durch ein besonderes Preissystem aus. Jeder bezahlt so viel, wie seine finanziellen Mittel es zulassen. So kann es auch vorkommen, dass ein Schüler null Euro bezahlt, wobei Felizeter das nicht als kostenlos bezeichnen will: „Wenn etwas gratis ist, ist es nichts wert“. Auch wenn es nur ein kleiner Beitrag sei: Dieser könne als Ansporn wirken, konsequent zu üben und zu erscheinen.
Einkommensschwache profitieren so von Einkommensstärkeren, die mehr als den eigentlichen Preis bezahlen, oder auch Musikpaten, die den Unterricht eines Schülers finanzieren.
Die Schüler können sich Instrumente ausleihen. Diese werden zum Integrationsinstrument in vielerlei Hinsichten. Im Paarunterricht von jeweils einem Schüler mit Migrationshintergrund und einem Österreicher wird nicht nur das Musizieren erlernt. Der Unterricht öffne auch ein Spektrum neuer Einblicke in andere Kulturen, das sonst nur selten zugänglich sei, beschreibt Felizeter. Auch das Selbstbewusstsein wird gefördert. Bei Vorspielabenden müssten Anfänger lernen, eigene Fehler zu akzeptieren. Nicht nur die Schüler lernen: Lehrende üben die Ausdrucksfähigkeit durch das Erklären in der deutschen Sprache. Sie stammen aus zwölf Ländern, darunter Syrien, USA oder die Türkei.
Mann mit sozialer Ader
Felizeter beschreibt „DoReMi“ als „normale, aber doch nicht gewöhnliche Musikschule“. Beim Betrachten seines Lebenslaufs ist das nicht überraschend. Soziales Engagement spielt darin eine große Rolle.
Schwendinger und Felizeter haben sich als Betreuer bei einem von der Wirtschaftsuniversität organisierten Feriencamp für sozial benachteiligte Kinder kennengelernt. Mit seinem zum Pferdeschwanz zusammengebunden Haar, dem Leinenhemd mit Holzperlen und den dicken Kuschelsocken würde man Felizeter im ersten Moment nicht als WU-Absolventen einordnen.
Auch damals hat sich sein Interesse für die Gesellschaft durch das Bachelorstudium Sozioökonomie gezeigt. „DoReMi“ ist nicht sein erstes soziales Projekt. Während seines Masterstudiums an der Universität für Bodenkultur hat er ein Klimaschutzprojekt entwickelt und setzte dieses später im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Caritas um. Dabei werden Biogasanlagen in Uganda gebaut.
Vorarlberger des Jahres
Bei sozialen Projekten liegt sein Fokus auf dem Ausüben seiner Leidenschaft. Dass er sich dabei nicht selbst in den Vordergrund stellen will, wird bei der Frage nach seiner Funktionsbezeichnung bei „Open Piano for Refugees“ deutlich.
Er sagt, dass er zwar Obmann des Vereins sei, er im Team aber auf ein Miteinander auf Augenhöhe Wert lege. „Ich habe eine stark ausgeprägte soziale Ader. Es gibt mir viel, ohne dass ich etwas zurück brauche.“ Gesten der Wertschätzung spornen Udo Felizeter aber an, wie die Auszeichnung zusammen mit dem 34-jährigen Schwendinger als „Vorarlberger des Jahres z’Wian“ 2019. Auf solchen Erfolgen ruht Felizeter sich aber nicht aus.
Er schmiedet stattdessen Zukunftspläne: Die Klaviere haben es schon in 25 Städte geschafft, doch das Musikinstitut soll auch expandieren. Felizeter hat dafür Deutschland ins Auge gefasst.