Brandstiftung bei der Schwiegermutter

Ein Hausbrand in Rankweil fordert 1931 ein Menschenleben und weckt Verdacht auf Brandstiftung.
Am 18. Mai 1931 bricht im Haus der Rosa Matt in Rankweil ein Feuer aus. Mitten in der Nacht schlagen Flammen aus dem Dachstuhl. Der vorbeikommende Nachtwächter schlägt Alarm, und die Nachbarn laufen zusammen, um den Brand zu löschen – doch für einen Bewohner kommt jede Hilfe zu spät.
Der Weg in die Wohnung von Alois Wehinger, der unter dem Dach des Hauses lebt, ist durch das Feuer versperrt. Der 65-jährige Mieter könne nur noch über eine Leiter evakuiert werden, erklärt der Schwiegersohn der Hausbesitzerin, Albert Tschann. Wie der Mann schließlich gerettet wird, ist später nicht mehr zu rekonstruieren. Ein Nachbar behauptet, er habe ihn ins Freie getragen. Wehinger selbst soll hingegen noch erklärt haben, er sei hinausgelaufen und habe Tschann im Stiegenhaus getroffen.
Ins Spital gebracht
Wehinger wird mit schweren Verbrennungen ins Spital nach Feldkirch gebracht. Im selben Zimmer, in dem er unter großen Schmerzen behandelt wird, liegt auch Tschann. Er hat sich Verbrennungen zweiten Grades im Gesicht, an den Händen und Knien zugezogen. Als er den alten Nachbarn mit wesentlich schwereren Wunden in seinem Bett liegen sieht, ist Tschann tief betroffen und will zu ihm. „Es war das böse Gewissen, vielleicht auch die Reue“, mutmaßt eine Tageszeitung später. Um sieben Uhr früh erliegt Alois Wehinger seinen Brandverletzungen.
Der Verdacht der Ermittler fällt sofort auf Tschann. Der finanziell havarierte Gemischtwarenhändler und Handelsreisende genießt keinen guten Ruf, hat hohe Schulden und schlägt seine Frau, mit der er vier Kinder hat. Mit der Familie wohnt er bei seiner Schwiegermutter Rosa, auf deren Haus ebenfalls Hypotheken lasten.
Tschann wird am 19. Mai noch im Spital verhaftet und ins landesgerichtliche Gefangenenhaus gebracht. Auch die Schwiegermutter wird von der Gendarmerie als Verdächtige einvernommen. Einem Gast, der am Abend vor der Tat sein Motorrad in die angrenzende Tenne gestellt hatte, habe sie gesagt, er solle es wegbringen. Sollte in der Nacht das Haus abbrennen, werde er von der Versicherung nichts bekommen.
Versicherung nichts bekommen
Nach anfänglichem Leugnen legt Albert Tschann im Juli ein Geständnis ab. Sein Motiv sind die Schulden. Dass er glaubte, nicht erwischt zu werden, begründet er nach damaligen Zeitungsberichten eher bizarr: Er war schon einmal verdächtigt worden, ein Haus angezündet zu haben, konnte damals aber ein Alibi vorweisen. „Man werde mich nicht für so frech halten, daß ich, nachdem mir schon einmal Brandstiftung vorgehalten wurde, unser eigenes Haus anzünden werde“, gibt er im Verhör an. Er habe sich alles durchgerechnet und sei zum Schluss gekommen, „daß meine Schwiegermutter ein neues schuldenfreies Haus bauen könnte, wenn ich Feuer lege“.
n der Nacht vom 17. auf den 18. Mai schlich sich Tschann laut seiner Aussage in die ans Haus angebaute Tenne und legte dort Feuer im Heu. Danach ging er wieder zu Bett, um eine halbe Stunde später unter dem Vorwand, auf die Toilette zu müssen, den Brand vorgeblich zu entdecken. Doch die Schwiegermutter sei ihm zuvorgekommen und habe im Haus Alarm geschlagen – behauptet er. Den Gast poltert er noch an: Nicht dass dieser das Haus angezündet habe, nur weil er das Motorrad nicht habe unterstellen dürfen.
Er bereue die Tat außerordentlich, erklärt Tschann bei der Gerichtsverhandlung im September 1931. Gleichzeitig entlastet er seine Schwiegermutter und seine Frau. Diese hätten ihn angezeigt, hätte er ihnen von dem Plan vorab erzählt, so der Angeklagte. Beide entgehen einer Anklage. Die Frau erhält Geld von der Versicherung, ihre Mutter verzichtet auf Ansprüche gegen den Schwiegersohn.
Das Gericht lässt das Privatleben der Tschanns detailliert durch Zeugen schildern und greift unter Protest der Staatsanwaltschaft auch ins Archiv. Der verstorbene Alois Wehinger hatte 1892 seinen eigenen Vater nach Streitigkeiten mit einer Axt erschlagen und war dafür 15 Jahre im Kerker gesessen.
Die Vergangenheit Wehingers tut im Verfahren gegen Tschann nichts zur Sache. Der Staatsanwalt droht daher mit Nichtigkeitsbeschwerde.
Frage nach dem Eventualvorsatz
Das Gericht verwendet viel Zeit darauf, die Frage zu klären, ob für Tschann die schnelle Ausbreitung des Brandes absehbar war und er daher den Tod des alten Nachbarn ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand.
Den Geschworenen werden am Ende der Verhandlung drei Fragen vorgelegt: Einmal geht es darum, ob Tschann der Brandstifter war, dann ob dadurch ein erheblicher Schaden entstand. Strittig ist aufgrund des Geständnisses des Angeklagten nur eine Frage: Wurde Alois Wehinger ein Opfer der Flammen, „da es von dem Brandleger vorausgesehen werden konnte“?
Während die Geschworenen die beiden anderen Fragen einstimmig bejahen, fällt ihr Votum beim Eventualvorsatz auf den Tod Wehingers mit sieben zu fünf Stimmen gegen Albert Tschann aus. Er wird vom Gericht zu fünf Jahren Kerker mit vierteljährlichem Fastentag verurteilt und nimmt Schuldspruch und Strafe noch im Verhandlungsssaal an.