Anwalt soll sich an Erbe bedient haben

Ein früherer Rechtsanwalt aus dem Unterland wird verdächtigt, sich unrechtmäßig am Erbe eines verstorbenen Mandanten bereichert zu haben.
Ende 2022 kommt es im Vorarlberger Unterland zu einer Hausdurchsuchung. Das Gesetz verlangt von der Polizei, solche Ermittlungsmaßnahmen möglichst ohne öffentliches Aufsehen durchzuführen. Für manche Beamten gehört es beinahe zur täglichen Arbeit, in fremden Wohnungen nach Beweismitteln zu suchen. Diese Hausdurchsuchung bildet jedoch eine Ausnahme, denn neben dem Beschuldigten sind Vertreter der Rechtsanwaltskammer anwesend. Das sehen die Richtlinien für Rechtsanwälte vor, wenn die Räumlichkeiten einer Kanzlei durchsucht werden. Üblicherweise wird auch die Versiegelung der beschlagnahmten Unterlagen verlangt, damit später ein Gericht entscheiden kann, ob nicht etwas mitgenommen wurde, das die Geheimhaltungsinteressen von Mandanten verletzt.
Ermittlungen bestätigt
Hausdurchsuchungen bei Rechtsanwälten sind nicht nur selten, weil sie für die Ermittler risikobehaftet sind, sondern auch, weil die Rechtsanwälte hohe Standards an ihre Arbeit anlegen. Das Standesrecht, über dessen Einhaltung der Disziplinarrat der Kammer wacht, verlangt von den Anwälten ein tadelloses Verhalten. So wurde etwa ein Wiener Advokat unlängst mit einer Disziplinarstrafe belegt, weil er für eine Fernsehsendung mit Prostituierten in einem Bordell posiert hatte. Ein Vorarlberger Kollege legte 2014 die Anwaltschaft zurück, nachdem er zu einer Disziplinarstrafe verurteilt worden war. Er hatte als Treuhänder Immobiliengeschäfte nicht rechtzeitig abgewickelt. Für jenen Anwalt, der 2022 von der Hausdurchsuchung betroffen war, interessierte sich naturgemäß nicht nur der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer, sondern auch der Staatsanwalt. Gegen den mittlerweile ehemaligen Rechtsanwalt ist ein Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit einer Verlassenschaft anhängig, bestätigte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Feldkirch auf Anfrage. Weitere Einzelheiten wollte er nicht nennen.
Kanzlei geschlossen
Nach Informationen der NEUE am Sonntag soll sich der Mann eine hohe Summe eines später verstorbenen Mandanten widerrechtlich angeeignet haben. Konkret soll es um den Erlös aus einer Immobilie gehen, die der Rechtsvertreter für einen betagten Mann verkauft hatte, der zuletzt in einer Vorarlberger Bodenseegemeinde lebte. Der 60-jährige Anwalt, der laut Firmenbuch auch zwei Immobilienunternehmen besitzt, soll mittlerweile mit schweren gesundheitlichen Problemen zu kämpfen haben. Dass er erst Monate nach der Durchsuchung seine Kanzlei formal schloss und sich aus der Anwaltsliste streichen ließ, soll mit einer daraus resultierenden Berufsunfähigkeit im Zusammenhang stehen. Zur Abwicklung der Geschäfte wurde von der Kammer eine Komissärin bestellt.
Eigene Firmen und Beteiligung
Seinen Kanzleisitz und die Firmensitze hatte der Anwalt erst im Frühjahr 2022 aus einem Büro in ein Wohnhaus verlegt. Eines seiner Immobilienunternehmen hat laut Webseite mittlerweile ebenfalls den Geschäftsbetrieb eingestellt – auch wenn die GmbH formal noch nicht aus dem Firmenbuch gelöscht wurde. Das Eigentum an dieser Gesellschaft nahm der Anwalt über die zweite GmbH wahr, die 2022 mit einer Bilanz von 3,1 Millionen Euro abschloss, davon zwei Millionen an Verbindlichkeiten. An anderer Stelle ging es nach der Hausdurchsuchung mit der Geschäftsabwicklung schneller: Noch im Dezember 2022 nahm der beschuldigte Anwalt an der außerordentlichen Generalversammlung einer weiteren Immobilienfirma teil, die ein Immobilienprojekt in Höchst umsetzt.
Diese dritte GmbH mit einer Bilanzsumme von 4,8 Millionen Euro wurde an einen beteiligten Geschäftspartner abgetreten. Gleichzeitig wurde der Firmensitz aus dem erwähnten Wohnhaus in eine andere Gemeinde verlegt und der Anwalt als Mitgeschäftsführer abberufen. Zwischen 2021 und 2022 hatte die Gesellschaft ihre Vorräte laut Jahresabschluss von 3,5 auf 4,3 Millionen Euro steigern können – bei Verbindlichkeiten von 3,5 Millionen Euro.
Kein Kommentar der Kammer
Bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer will man die Ermittlungen gegen das ehemalige Mitglied aufgrund der strengen Verschwiegenheitspflichten, die bei den meisten Disziplinarverfahren gelten, nicht kommentieren (siehe links). Man handle in solchen Fällen aber immer sofort und dem Gesetz entsprechend, erklärt der Präsident des Disziplinarrates der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer, Alexander Matt, auf Anfrage.
Nach den vorliegenden Informationen sollen im Ausland lebende Angehörige des verstorbenen Mandanten aufgrund des in der Verlassenschaft fehlenden Geldes aus der Immobilientransaktion Verdacht geschöpft und schließlich Anzeige bei den österreichischen Behörden erstattet haben. Die Ermittlungen hätten diesen Verdacht dann soweit erhärtet, dass es zur Hausdurchsuchung beim Anwalt kam. Dieser war früher für die ÖVP als Gemeindevertreter tätig und fiel durch unkonventionelle Werbung für seine Unterländer Kanzlei auf. Der Beschuldigte, der sich für Architektur, Boote und teure Weine begeisterte, sich aber auch karitativ engagierte, entgeht durch die Streichung aus der Rechtsanwaltsliste zumindest einer Disziplinarstrafe. Wann die Ermittlungen zu den strafrechtlichen Vorwürfen abgeschlossen sein werden, ist hingegen noch unklar.